VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_758/2013  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_758/2013 vom 11.11.2013
 
{T 0/2}
 
6B_758/2013
 
 
Urteil vom 11. November 2013
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
 
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Sylvain M. Dreifuss,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Genugtuung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 12. Juli 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerdeführerin rügt, bei der Berechnung ihrer Genugtuung sei die Vorinstanz von einem zu niedrigen Grundbetrag ausgegangen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung stehe ihr ein minimaler Grundbetrag von jedenfalls einigen tausend Franken zu. Mit der zusätzlichen Abgeltung von Fr. 200.-- pro Hafttag hingegen sei sie einverstanden.
1
1.2. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
2
1.2.1. Zwar hat das Bundesgericht den Grundsatz festgehalten, dass demjenigen, der zu Unrecht einer schweren Straftat verdächtigt und deshalb ungerechtfertigt inhaftiert wurde, ein minimaler Grundbetrag von jedenfalls einigen tausend Franken zusteht, der im Verhältnis zu den mit der erlittenen Haft zusätzlich verbundenen immateriellen Beeinträchtigungen heraufzusetzen ist (Urteil 6B_574/2010 vom 31. Januar 2011 E. 2.3 mit Hinweisen). Das bedeutet indes nicht, dass zuerst ein Grundbetrag von einigen tausend Franken festzulegen ist und überdies pro Hafttag noch Fr. 200.-- zu entschädigen sind.
3
1.2.2. Indem die Vorinstanz nach eingehender Prüfung (zutreffend) feststellt, die Staatsanwaltschaft habe alle für die Bemessung der Genugtuung relevanten Aspekte berücksichtigt und der Betrag von Fr. 5'600.-- erscheine insgesamt angemessen, verletzt sie kein Bundesrecht. Dem erläuterten Grundsatz wird mit dieser Genugtuungssumme Rechnung getragen.
4
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin verlangt, dass ihr der Aufwand, der ihrem Anwalt im Zusammenhang mit der Organisation ihrer Beistandschaft entstanden sei und bisher nicht ersetzt wurde, im Umfang von Fr. 1'230.-- entschädigt werde.
5
2.2. Ursprünglich wies der Verteidiger der Beschwerdeführerin diese Aufwendungen als Teil seiner amtlichen Mandatsführung aus, was die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich nicht akzeptierte. Sie sprach ihm mit Verfügung vom 21. März 2013 ein entsprechend gekürztes Honorar zu. Dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Anwalt korrekterweise gegen diese Verfügung hätten Beschwerde führen müssen, stellt die Vorinstanz zutreffend fest (Art. 135 Abs. 3 lit. a StPO; vgl. Ziffer 4 des vorinstanzlichen Beschlusses). Ihr Nichteintretensentscheid verletzt kein Bundesrecht.
6
2.3. Vor Bundesgericht begründet die Beschwerdeführerin ihren Anspruch neu damit, dass die betreffenden anwaltlichen Aufwendungen in einem unabhängigen Mandatsverhältnis erfolgt und ihr die entsprechenden Kosten deshalb in Form einer Entschädigung zu erstatten seien. Diese Argumentation greift nicht. Da die Beschwerdeführerin bereits über eine anwaltliche Vertretung verfügte, war die Errichtung einer Beistandschaft nicht nötig, um die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte zu gewährleisten (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Auch entstanden die fraglichen Kosten nicht infolge ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren (Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO). Vielmehr ergab sich die Notwendigkeit einer Beistandschaft - wie schon die Staatsanwaltschaft in ihrer Vernehmlassung vom 11. April 2013 festhielt - aufgrund der Strafuntersuchung gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin bzw. dessen Inhaftierung. Eine Entschädigung von Fr. 1'230.-- rechtfertigt sich damit nicht.
7
 
Erwägung 3
 
3.1. Die Beschwerdeführerin beantragt, die vorinstanzlichen Verfahrenskosten und Kosten der amtlichen Verteidigung seien auch im Falle ihres Unterliegens auf die Staatskasse zu nehmen. Sie sei mittellos und bereits vor Vorinstanz wäre ihr die unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen worden, wenn nicht aufgrund der Zürcher Praxis die Fortsetzung der amtlichen Verteidigung Vorrang gehabt hätte. Es könne nicht sein, dass sie deswegen nun schlechter dastehe. Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
8
3.2. Dass die Vorinstanz die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der vollumfänglich unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt, ist bundesrechtskonform (Art. 428 Abs. 1 StPO). An der Pflicht zur Tragung der Verfahrenskosten hätte auch nichts geändert, wenn der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen worden wäre. Im Gegensatz zur unentgeltlichen Rechtspflege für die Privatklägerschaft, die auch die Befreiung von den Verfahrenskosten umfasst (Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO), beschränkt sich jene für die beschuldigte Person auf die Beiordnung einer amtlichen Verteidigung (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO).
9
3.3. Bezüglich der Entschädigung für die amtliche Verteidigung führt die Beschwerdeführerin zutreffend aus, dass sie diese dem Staat nur zurückzuerstatten hat, wenn es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO). Gemäss Ziffer 3 des vorinstanzlichen Beschlusses vom 12. Juli 2013 werden der Beschwerdeführerin die gesamten Verfahrenskosten einschliesslich der Entschädigung für die amtliche Verteidigung auferlegt. Der Vorbehalt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO findet sich weder im Dispositiv noch in den Erwägungen des angefochtenen Entscheids. Ebenso wenig ist dem Beschluss aber zu entnehmen, dass sich die Vorinstanz mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin auseinandersetzte bzw. weshalb sie gegebenenfalls zum Schluss kam, diese erlaubten die sofortige Rückzahlung des Anwaltshonorars. Der vorinstanzliche Beschluss erweist sich in dieser Hinsicht als unzulänglich und nicht nachvollziehbar begründet, weshalb er an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (Art. 112 Abs. 1 lit. b sowie Abs. 3 BGG).
10
 
Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Juli 2013 wird hinsichtlich Ziffer 3 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
 
3. Der Beschwerdeführerin werden Gerichtskosten von Fr. 800.-- auferlegt.
 
4. Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Sylvain M. Dreifuss für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- auszurichten.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. November 2013
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Schneider
 
Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).