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Informationen zum Dokument  BGer 6B_669/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_669/2013 vom 13.11.2013
 
{T 0/2}
 
6B_669/2013
 
 
Urteil vom 13. November 2013
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Denys,
 
Gerichtsschreiberin Andres.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Andreas Felder,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.; Verletzung des Anklagegrundsatzes, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Verletzung des Beschleunigungsgebots, Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo", willkürliche Beweiswürdigung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 6. Mai 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens und dient der Information der beschuldigten Person (Umgrenzungs- und Informationsfunktion). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 133 IV 235 E. 6.2 f. S. 244 f.; Urteil 6B_130/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 6.2, nicht publ. in: BGE 138 IV 209; je mit Hinweisen).
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2.2. Die Vorinstanz erwägt, dem Beschwerdeführer sei klar gewesen, was ihm vorgeworfen werde. Die umfangreichen Rechtsschriften zeigten, dass er sich angemessen habe verteidigen können. Sie wies auf die erstinstanzlichen Erwägungen hin, wonach in der Anklageschrift sämtliche Sachverhaltselemente genannt seien, um eine genügende Verteidigung sicherzustellen. Diese werde nicht dadurch verunmöglicht, dass die Anklagebehörde Zeit und Ort der Drogengeschäfte nicht zu jedem Vorgang präzise angebe und teilweise den Zeitpunkt der Tat lediglich mit einem nicht näher bestimmten Zeitraum umschreibe. Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass bei verschiedenen Tatvorwürfen von einer Übergabe an einen unbekannten Abnehmer oder von einem unbekannten Lieferanten gesprochen werde (Urteil S. 10 Ziff. 4.1; erstinstanzliches Urteil S. 8 f. Ziff. II.1.3).
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2.3. Hinsichtlich des Vorwurfs der "mehrfache (n) Verbrechen gegen das BetmG/Geldwäscherei" wird in der Anklageschrift unter Ziff. II einleitend ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Statthalter seines von Serbien aus den Drogenhandel steuernden Aufraggebers auf dessen konkrete Anweisungen hin an verschiedenen Orten in der Schweiz grosse Mengen Heroin und Kokain entgegengenommen. Er habe die Betäubungsmittel gestreckt, portioniert und teilweise in Einmachgläsern in der Nähe seiner jeweiligen Unterkunft vergraben. Anschliessend habe er die Drogen an Abnehmer verkauft, wobei er sich teilweise durch "Läufer" habe unterstützen lassen. Den Erlös aus den Drogenverkäufen habe er seinem Auftraggeber laufend durch Kuriere zukommen lassen. Dadurch habe er einen Zugriff durch die Strafverfolgungsbehörden vereitelt. In 40 Unterziffern werden einzelne Vorgänge im Zusammenhang mit dem mutmasslichen Drogenhandel des Beschwerdeführers näher umschrieben. Diese sind teilweise in örtlicher und sachlicher Hinsicht bestimmt. Die Vorwürfe können zeitlich eingegrenzt werden, da sie sich auf die Telefonkontrolle stützen. Soweit bekannt, werden die beteiligten Personen namentlich bezeichnet und die Drogenmenge bzw. Geldbeträge angegeben. Die einzelnen Sachverhalte sind in der Anklageschrift in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert. Ob sie erstellt sind und welchen Straftatbestand sie erfüllen, hat das Gericht zu entscheiden. Insgesamt war für den Beschwerdeführer ersichtlich, was ihm vorgeworfen wird, womit er sich genügend verteidigen konnte. Das Anklageprinzip ist nicht verletzt.
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2.4. Fraglich ist, ob der durch die Anklageschrift bestimmte Prozessgegenstand, mithin sämtliche Anklagepunkte, durch das Dispositiv des angefochtenen Entscheids erschöpfend erledigt wird. Das Dispositiv muss alle Anklagepunkte enthalten, über die das Gericht entschieden hat. Gegenstand des vorliegend interessierenden Anklagevorwurfs (Ziff. II der Anklageschrift) ist die mengen- und bandenmässig qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und die mehrfache Geldwäscherei. Im Falle von Bandenmässigkeit, wo schon das Gesetz strafschärfend auf eine Deliktsmehrheit Bezug nimmt, werden mehrere selbstständige Delikte unter rechtlichen Gesichtspunkten zu einer Einheit verbunden (vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 19 N. 16 ff.). Werden die Einzelakte in der Anklageschrift in einer Ziffer zusammengefasst, folgt daraus, dass selbst dort, wo einzelne Handlungen nicht nachgewiesen werden können, formell keine (Teil-) Freisprüche erfolgen, sofern das Kollektivdelikt immer noch erfüllt ist. Bei dieser Sachlage ergeht ein einziger Schuldspruch für die Deliktseinheit, allenfalls lediglich "in einem bestimmten Umfang", was jedoch im Dispositiv nicht erwähnt wird (zum Ganzen: Urteil 6P.23/2000 vom 31. Juli 2000 E. 1f/aa).
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2.5. Nicht zu beanstanden ist, dass die Vorinstanz in ihrer Begründung auf jene der ersten Instanz verweist (siehe Art. 82 Abs. 4 StPO). Art. 311 Abs. 1 ZPO ist im Strafverfahren nicht anwendbar (vgl. Beschwerde S. 6 2. Absatz).
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Erwägung 3
 
3.1. Er rügt vorab, die Begründung des erstinstanzlichen Urteils sei hinsichtlich der rechtlichen Würdigung ungenügend. Das vorinstanzliche Urteil vermöge die Mängel nicht zu beseitigen.
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3.2. Ferner beanstandet der Beschwerdeführer die Abweisung seiner Beweisanträge auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und Einvernahme einer Auskunftsperson durch die erste Instanz. Er gibt seine Ausführungen anlässlich der Berufungsverhandlung wieder und rügt, die Vorinstanz habe sich nicht dazu geäussert.
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3.3. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz sei auf seine Vorbringen nicht eingegangen, wonach im erstinstanzlichen Verfahren Verfahrensfehler gemacht worden seien. Die erste Instanz habe das Beschleunigungsgebot verletzt, indem sie den Entscheid über seinen Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens aufgeschoben und sein Gesuch auf vorzeitigen Strafantritt nicht sofort entschieden habe. Dies sei strafmildernd zu berücksichtigen.
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Erwägung 4
 
4.1. Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbstständige Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 S. 81 f. mit Hinweisen).
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4.2. Der Beschwerdeführer beschränkt sich weitgehend darauf, wörtlich seine Ausführungen anlässlich der Berufungsverhandlung zu wiederholen, ohne sich mit der Begründung der Vorinstanz auseinanderzusetzen (Beschwerde S. 14 ff. Ziff. 6; Urteil S. 13-66 Ziff. 5. f.; kantonale Akten, act. 70 S. 6 ff.). Darauf ist nicht einzutreten. Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Einvernahme des Zeugen Y.________ vom 7. November 2011 sei nicht verwertbar. Seine Ausführungen erschöpfen sich in einer appellatorischen Kritik am vorinstanzlichen Urteil, was unzulässig ist (Beschwerde S. 12 ff.; Urteil S. 20 f. Ziff. 6.1.4).
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4.3. Der Beschwerdeführer argumentiert, der als Fälschung von Ausweisen angeklagte Sachverhalt sei nicht erstellt.
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4.4. Der Beschwerdeführer wendet ein, hinsichtlich seiner hierarchischen Stellung seien die Erwägungen der kantonalen Instanzen widersprüchlich. Einerseits werde bei der Erstellung der Anklagepunkte auf die exakten Anweisungen des Auftraggebers eingegangen, andererseits soll er der "Schweizer Kopf" einer internationalen Drogenbande gewesen sein.
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Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. November 2013
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Schneider
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres
 
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