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Informationen zum Dokument  BGer 1B_231/2013  Materielle Begründung
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BGer 1B_231/2013 vom 25.11.2013
 
{T 0/2}
 
1B_231/2013
 
 
Urteil vom 25. November 2013
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Eusebio, Chaix,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Josephsohn.
 
Gegenstand
 
Entsiegelung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 4. Juni 2013 des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts des Kantons St. Gallen.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 15. Dezember 2009 erhob die Staatsanwaltschaft St. Gallen beim Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland Anklage gegen Rechtsanwalt X.________ wegen mehrfacher Vergehen gegen das UWG (SR 241). X.________ wird verdächtigt, an der Kreation von Massenaussendungen mit unlauterem und betrügerischem Inhalt, dem Auf- und Ausbau eines Geschäftsmodells mit zahlreichen beteiligten Firmen zur Streuung solcher Massenaussendungen in mehreren Ländern sowie an der Verschleierung der Herkunft und des Mittelflusses der durch diese unlauteren und betrügerischen Massenaussendungen erlangten Gelder aktiv mitgewirkt zu haben. Mit Entscheid vom 7. Juni 2012 wies das Kreisgericht die Anklage an die Staatsanwaltschaft zurück. Diese dehnte in der Folge das Strafverfahren gegen X.________ auf die Tatbestände des gewerbsmässigen Betrugs und der qualifizierten Geldwäscherei aus.
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B. Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 2. Juli 2013 beantragt die Staatsanwaltschaft, der Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts vom 4. Juni 2013 sei aufzuheben und die versiegelten Gegenstände (Datenträger und Ordner) seien zu entsiegeln und zur Aufnahme in die Akten freizugeben. Eventualiter sei die Sache zur Durchführung des Entsiegelungsverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen gemäss Art. 78 ff. BGG sind erfüllt. Insbesondere sind die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin (Art. 81 Abs. 1 BGG) und der drohende nicht wieder gutzumachende Rechtsnachteil (im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) zu bejahen. Der Strafverfolgungsbehörde droht im Falle einer Verweigerung der Entsiegelung ein empfindlicher Beweisverlust bei der Untersuchung schwerwiegender Delikte (vgl. Urteil 1B_517/2012 vom 27. Februar 2013 E. 1 und 4).
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2. Gemäss Art. 246 StPO dürfen Schriftstücke, Ton-, Bild- und andere Aufzeichnungen, Datenträger sowie Anlagen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen. Art. 248 StPO bestimmt, dass Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, zu versiegeln sind und von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden dürfen (Abs. 1). Stellt die Strafbehörde nicht innert 20 Tagen ein Entsiegelungsgesuch, so werden die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände der berechtigten Person zurückgegeben (Abs. 2). Stellt sie ein Entsiegelungsgesuch, so entscheidet darüber innerhalb eines Monats endgültig: a. im Vorverfahren: das Zwangsmassnahmengericht; b. in den anderen Fällen: das Gericht, bei dem der Fall hängig ist (Abs. 3). Das Gericht kann zur Prüfung des Inhalts der Aufzeichnungen und Gegenstände eine sachverständige Person beiziehen (Abs. 4).
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Erwägung 3
 
3.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, Y.________ habe ihr die Unterlagen aus eigener Initiative und freiwillig zur Verfügung gestellt, sodass kein Zwangsmittel habe eingesetzt werden müssen. Demzufolge seien die Bestimmungen über die Zwangsmassnahmen von Art. 196-298 StPO vorliegend nicht anwendbar. Indem die Vorinstanz die Anwendbarkeit von Art. 248 Abs. 1 StPO sowie von Art. 264 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 StPO auf den Bereich der "Nicht-Zwangsmassnahmen" ausgedehnt habe, habe sie Bundesrecht verletzt.
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3.2. Die Vorinstanz hat erwogen, die Siegelung diene dem Schutz der Geheim- und Privatsphäre vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen. Ob die Beschwerdeführerin Zwangsmittel habe anwenden müssen, um auf die Unterlagen zugreifen zu können oder ob ihr diese ohne ihr Zutun zugestellt worden seien, spiele keine Rolle. Massgebend sei einzig, dass die betroffene Person gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO geltend mache, unter den Aufzeichnungen bzw. Gegenständen befänden sich solche, die nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürften. Dies sei vorliegend der Fall, da der Beschwerdegegner vorbringe, die der Beschwerdeführerin von Y.________ übermittelten Daten enthielten seine gesamte Anwaltskorrespondenz von sämtlichen Ende 2005 pendenten Mandaten. Es bestehe daher die begründete Möglichkeit, dass zumindest ein Teil der Unterlagen einem Beschlagnahmeverbot im Sinne von Art. 264 StPO unterliegen könnte. Die Beschwerdeführerin habe die Aufzeichnungen demnach zu Recht versiegelt. Ob diese tatsächlich nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürften, habe das Zwangsmassnahmengericht zu entscheiden.
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3.3. Zwangsmassnahmen sind Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die in Grundrechte der Betroffenen eingreifen (vgl. Art. 196 StPO). Die Durchsuchung von privaten Aufzeichnungen berührt das Recht auf Privatsphäre gemäss Art. 13 BV; sind Berufsgeheimnisse betroffen, wird überdies die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV tangiert. Grundrechtseingriffe sind gemäss Art. 36 BV nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts wahren. Mit Art. 197 StPO werden diese verfassungsmässigen Voraussetzungen der Einschränkung von Freiheitsrechten wiederholt und für die strafprozessualen Zwangsmassnahmen in dem Sinn konkretisiert, dass diese einen hinreichenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. Jonas Weber, Basler Kommentar StPO, 2011, Art. 197 N. 1).
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3.4. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, die Durchsuchung persönlicher Aufzeichnungen und Datenträger stelle keinen Grundrechtseingriff bzw. keine Zwangsmassnahme dar, wenn die Strafbehörde ohne Anwendung von Zwang in den Besitz der Unterlagen gelangt sei, kann nicht gefolgt werden.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach dem Wortlaut von Art. 248 Abs. 1 StPO sei einzig der Inhaber berechtigt, die Siegelung zu verlangen. Gewahrsamsinhaber sei Y.________ gewesen. Der Beschwerdegegner habe die tatsächliche Herrschaft über die Daten in dem Moment verloren, als er diese Y.________ übergeben habe, damit dieser sie dem Zugriff der Strafbehörden entziehe. Im Übrigen könne der Beschwerdegegner auch nicht als berechtigte Person im Sinne von Art. 264 Abs. 3 StPO gelten, da mutmasslich strafbare Handlungen vom anwaltlichen Berufsgeheimnis nicht geschützt seien. Die Vorinstanz habe den Beschwerdegegner daher zu Unrecht als zur Stellung eines selbstständigen Siegelungsantrags legitimiert erachtet.
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4.2. Die Vorinstanz hat ausgeführt, nach dem Wortlaut von Art. 248 Abs. 1 StPO sei einzig der Inhaber zur Einreichung eines Siegelungsantrags legitimiert. Dies aber widerspreche Art. 264 StPO. Nach dieser Bestimmung bestehe für bestimmte Unterlagen ein Beschlagnahmeverbot, ungeachtet des Orts, wo sich diese befänden (Abs. 1). Die Unzulässigkeit der Beschlagnahme könne dabei von jeder berechtigten Person geltend gemacht werden mit der Folge, dass alsdann nach den Vorschriften über die Siegelung vorzugehen sei (Abs. 3). Legitimiert, die Siegelung zu verlangen, seien daher auch Personen wie der beschuldigte Beschwerdegegner, welche unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an den Unterlagen oder der Geheimhaltung des Inhalts hätten. Nur diese Auslegung werde dem Gedanken gerecht, dass zwischen Art. 248 und Art. 264 StPO Deckungsgleichheit bestehen sollte.
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4.3. Umstritten ist mithin die Auslegung von Art. 248 Abs. 1 StPO.
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4.3.1. Ein Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode auszulegen. Anzuknüpfen hat die Auslegung an die ratio legis, die zu ermitteln dem Gericht allerdings nicht nach den subjektiven Wertvorstellungen der Richter aufgegeben ist, sondern nach den Vorgaben des Gesetzgebers. Die Auslegung des Gesetzes ist zwar nicht entscheidend historisch zu orientieren, im Grundsatz aber dennoch auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die damit erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten, da sich die Zweckbezogenheit des rechtsstaatlichen Normverständnisses nicht aus sich selbst begründen lässt, sondern aus den Absichten des Gesetzgebers abzuleiten ist, die es mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln gilt. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut allein die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis mit Blick auf die ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben (statt vieler: BGE 133 III 175 E. 3.3.1 S. 178).
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4.3.2. Nach dem deutschen und italienischen Wortlaut von Art. 248 Abs. 1 StPO ist einzig der Inhaber (ital.: "detentore") berechtigt, sich gegen die Durchsuchung zu wehren. Inhaber ist, wer den Gewahrsam im Sinne der tatsächlichen Sachherrschaft über die Aufzeichnungen hat, bei elektronisch gespeicherten Daten ist bzw. sind Inhaber der Gewahrsamsträger der Datenverarbeitungsanlage und des elektronischen Speichermediums. In der französischen Fassung hingegen wird - anders als in Art. 247 Abs. 1 und 3 StPO - nicht von Inhaber (franz.: "détenteur") gesprochen, sondern der Begriff Interessierter (franz.: "intéressé") verwendet.
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4.3.3. Die Botschaft des Bundesrats zu Art. 248 Abs. 1 StPO geht ähnlich dem französischen Gesetzestext von einem weiteren Verständnis des Begriffs "Inhaber" aus. Sie hält fest, dass die Person, in deren Händen sich die Aufzeichnungen oder Gegenstände tatsächlich befinden (bspw. die Bank) oder die 
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4.3.4. Unter systematischen und teleologischen Gesichtspunkten ist auf den Zusammenhang zwischen Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 3 StPO sowie auf den Sinn und Zweck der Siegelung näher einzugehen.
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4.3.5. Sind nach dieser Auslegung auch Geheimnisschutzberechtigte, die nicht Gewahrsinhaber sind, legitimiert, einen Antrag auf Siegelung zu stellen, so obliegt es der Strafbehörde, dafür zu sorgen, dass die Berechtigten dieses Verfahrensrecht auch rechtzeitig und wirksam ausüben können. Wohl hat sie vor einer Sicherstellung bloss den Inhaber von Aufzeichnungen zum Inhalt und zu allfälligen Siegelungsgründen anzuhören (Art. 247 Abs. 1 StPO). Nach der Entgegennahme bzw. Sicherstellung, noch vor der Durchsuchung der Aufzeichnungen, hat sie aber von Amtes wegen weiteren Berechtigten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 107 StPO) die Möglichkeit einzuräumen, ein Siegelungsbegehren zu stellen (Müller/Gäumann, a.a.O., S. 292; Keller, a.a.O., Art. 248 N. 7). Als Geheimnisschutzberechtigte kommen, wie dargelegt, zur Hauptsache die beschuldigte Person und Zeugnisverweigerungsberechtigte im Sinne von Art. 170-173 StPO in Betracht (vgl. Art. 264 Abs. 1 StPO und E. 2 hiervor). Im zu beurteilenden Fall steht die Durchsuchung von Datenträgern aus der Anwaltskanzlei des beschuldigten Beschwerdegegners in Frage, weshalb offensichtlich ist, dass dieser ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse haben könnte.
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4.3.6. Das vorstehend Erwogene erscheint auch aus weiteren Rechtsschutzüberlegungen sachgerecht. Bei Entsiegelungen wird definitiv darüber entschieden, ob die Geheimnisinteressen, welche von der berechtigten Person angerufen werden, einer Durchsuchung durch die Strafbehörde entgegenstehen. Insofern ist nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein drohender nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG regelmässig gegeben; dies gilt insbesondere, wenn eine Verletzung des Anwaltsgeheimnisses zur Diskussion steht (Urteil 1B_27/2012 vom 27. Juni 2012 E. 1 mit zahlreichen Hinweisen). Zudem hat das Bundesgericht in anderem Zusammenhang festgehalten, dass es aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten und Abgrenzungsproblemen sinnvoll ist, den Anwendungsbereich des Siegelungsverfahrens weit zu fassen und sämtliche Einwände gegen die Durchsuchung im Entsiegelungsverfahren zu prüfen, sofern es dem Berechtigten im Ergebnis darum geht, die Einsichtnahme der Strafbehörde in die Unterlagen und deren Verwertung zu verhindern. In allen diesen Fällen gewährleistet das Siegelungsverfahren einen adäquaten Rechtsschutz und eine möglichst frühzeitige Klärung der Rechtslage (Urteil 1B_117/2012 vom 26. März 2012 E. 3.3). Würde man die Befugnis, die Siegelung zu verlangen, auf den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft beschränken, so wäre - wenn es sich nicht zugleich um einen Geheimnisschutzberechtigten handelte - ein hinreichender Rechtsschutz kaum gewährleistet. Hätte der Inhaber kein Siegelungsinteresse, so käme es gar nicht bzw. erst im Zuge einer Beschlagnahme und damit möglicherweise zu spät (vgl. E. 4.3.4 hiervor) zu einem Entsiegelungsverfahren. Selbst wenn der Inhaber der Sachherrschaft aber die Siegelung verlangen würde, könnte er gegen eine Entsiegelung trotz nicht wieder gutzumachendem Nachteil für den Geheimnisschutzberechtigten nicht mit strafrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht gelangen, sofern ihm selbst nicht auch ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG drohen würde. Der Geheimnisschutzberechtigte wäre ebenfalls nicht beschwerdebefugt, da er am vorangehenden Verfahren nicht beteiligt gewesen wäre bzw. werden musste (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG). Diese Konsequenzen sind nach Möglichkeit zu vermeiden.
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4.3.7. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin steht diese Auslegung von Art. 248 Abs. 1 StPO nicht im Widerspruch zur bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung.
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4.3.8. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat schliesslich die Tatsache, dass der Beschwerdegegner selbst beschuldigt ist und sich deshalb insoweit nicht mit Erfolg auf das Zeugnisverweigerungsrecht gemäss Art. 171 Abs. 1 StPO berufen kann, nicht zur Folge, dass ihm die Legitimation abzusprechen ist.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoss gegen Treu und Glauben respektive das Fairness-Gebot und eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Entsiegelungsgesuch habe sie am 7. Februar 2013 gestellt, und der Beschwerdegegner habe am 1. März 2013 hierzu Stellung genommen. Ihre Replik datiere vom 22. März 2013. Diese Eingabe habe die Vorinstanz dem Beschwerdegegner am 27. März 2013 mit der Bemerkung zur Vernehmlassung zugestellt, nach Eingang seiner Duplik werde "das Verfahren voraussichtlich mit einer Triage (im Beisein der Beteiligten) fortgesetzt". Die Beschwerdeführerin betont, aufgrund dieser Feststellung habe sie damit rechnen dürfen, dass die Vorinstanz den hinreichenden Tatverdacht bejahen werde. Indem die Vorinstanz nach Eingang der Duplik des Beschwerdegegners vom 10. Mai 2013 das Entsiegelungsgesuch mit der Begründung abgewiesen habe, es fehle ein hinreichender Tatverdacht, sei sie treuwidrig vorgegangen und habe zugleich ihren Gehörsanspruch missachtet.
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5.2. Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist nicht stichhaltig. Die Vorinstanz hat einen doppelten Schriftenwechsel durchgeführt, sodass sich die Beschwerdeführerin hinreichend äussern konnte. Diese hat (als nicht beschuldigte Person) von vornherein keinen Anspruch auf das letzte Wort, und es hat sich vorliegend für die Vorinstanz angesichts des im Strafverfahren geltenden Beschleunigungsgebots (Art. 5 StPO) auch nicht aufgedrängt, einen weiteren Schriftenwechsel anzuordnen oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO sowie Art. 29 Abs. 2 BV) liegt damit nicht vor. Ebenso wenig kann der Vorinstanz ein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO sowie Art. 9 BV) angelastet werden. Die Ankündigung, das Verfahren werde 
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6. In der Sache ist das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO) umstritten.
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6.1. Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland wies die von der Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2009 gegen den Beschwerdegegner wegen mehrfacher Vergehen gegen das UWG erhobene Anklage mit Entscheid vom 7. Juni 2012 an die Beschwerdeführerin zurück. Die Rückweisung wurde damit begründet, aus der Anklageschrift gehe nicht in genügend spezifizierter und klarer Weise hervor, wer wann wo und was gemacht habe, das strafbar sein könnte; es sei bei jedem einzelnen der als Mittäter oder Gehilfen Beschuldigten klar darzulegen, welches Verhalten als Täterschaft oder als Teilnahme betrachtet werde. Zur Ergänzung gehöre auch, die offensichtlich falschen Aktenhinweise in der Anklageschrift zu korrigieren. In der Folge dehnte die Beschwerdeführerin die Strafuntersuchung gegen den Beschwerdegegner auf die Tatbestände des gewerbsmässigen Betrugs und der qualifizierten Geldwäscherei aus (vgl. auch Sachverhalt lit. A. hiervor).
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6.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz habe den hinreichenden Tatverdacht zu Unrecht verneint. Die Anklageschrift vom 15. Dezember 2009, auf welche sie zur Begründung des Tatverdachts verwiesen habe, gebe ein umfassendes Bild des Ende 2009 bestehenden und seither unveränderten Kenntnis- und Aktenstands. Dass das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland die Anklageschrift mit Entscheid vom 7. Juni 2012 zurückgewiesen habe, weil eine klare Zuordnung von Beschuldigten zu konkreten Tathandlungen fehle und einige Aktenhinweise unvollständig seien, hindere die Bedeutung und den Wert der Anklageschrift nicht derart, dass sie als "non-valeur" bezeichnet werden müsste. Dass 2009 einzig UWG-Widerhandlungen angeklagt worden seien, stehe einer Ausdehnung der Strafverfolgung auf die Tatbestände des gewerbsmässigen Betrugs und der qualifizierten Geldwäscherei nicht entgegen. Die Vorinstanz wäre verpflichtet gewesen, den in der Anklageschrift dargestellten Sachverhalt (S. 40-64) ordentlich auf die geltend gemachten Tatbestände zu überprüfen.
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6.3. Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdeführerin habe im Entsiegelungsgesuch vom 7. Februar 2013 zur Begründung des Tatverdachts pauschal auf die rund 200-seitige Anklageschrift vom 15. Dezember 2009 verwiesen. Es erscheine äusserst fraglich, ob die Beschwerdeführerin hierdurch ihrer Substanziierungspflicht genügt habe. Jedenfalls aber reiche ein pauschaler Verweis auf eine Anklageschrift dann nicht aus, wenn diese wie im zu beurteilenden Fall aufgrund erheblicher formeller und inhaltlicher Mängel zurückgewiesen worden sei.
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6.4. Ein Entsiegelungsgesuch ist zu begründen. Zur Darlegung eines hinreichenden Tatverdachts muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumption unter einen oder allenfalls (auch alternativ) unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann. Hierzu müssen ausreichende Beweismittel oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. Ein bloss pauschaler Hinweis auf eingereichte Akten reicht nicht aus. Im Entsiegelungsgesuch für Aufzeichnungen eines Berufsgeheimnisträgers muss durch die Strafbehörde zudem aufgezeigt werden, inwiefern eine Durchsuchung vor dem Anwaltsgeheimnis standhält, in welchem Ausmass der Anwalt selbst in die untersuchten strafbaren Vorgänge verwickelt sein könnte und warum die Akten für die Untersuchung relevant sein sollen (vgl. Keller, a.a.O., Art. 248 N. 39 f.). Im Entsiegelungsverfahren klärt das Gericht vorerst, ob die allgemeinen Voraussetzungen für eine Durchsuchung im Grundsatz gegeben sind (konkreter Tatverdacht, kein absolut geschütztes Geheimnis, Verhältnismässigkeit, potenzielle Tauglichkeit etc.). Sofern dies bejaht wird, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob keine schützenswerten Geheimhaltungsinteressen einer Entsiegelung entgegenstehen. Bei der gerichtlichen Überprüfung eines Entsiegelungsgesuchs sind die Verdachtsgründe aufgrund der vorläufigen (prima facie legal erhobenen) Untersuchungsergebnisse zu würdigen (Keller, a.a.O., Art. 248 N. 44).
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6.5. Die Ausführungen der Vorinstanz sind zutreffend. Mit ihrem pauschalen Verweis auf die als mangelhaft zurückgewiesene Anklage vom 15. Dezember 2009 ist die Beschwerdeführerin ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ist aber auch nicht derart offenkundig, dass er nicht näher dargelegt zu werden brauchte.
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7. Die Beschwerde ist abzuweisen. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Beschwerdeführerin hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Der Kanton St. Gallen (Staatsanwaltschaft) hat dem Beschwerdegegner eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 25. November 2013
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner
 
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