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Informationen zum Dokument  BGer 2C_886/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_886/2013 vom 20.12.2013
 
{T 0/2}
 
2C_886/2013
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2013
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch
 
Herrn lic. iur. Semsettin Bastimar,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 25. August 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Eintretensvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geben unter Vorbehalt des Nachfolgenden zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.
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Erwägung 1.2
 
1.2.1. Die Wegweisung (Art. 64 AuG) ist vom Anwendungsbereich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgenommen (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Geht sie von einer kantonalen Instanz aus, unterliegt sie immerhin der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG; BGE 137 II 305 E. 1.1 S. 307). Gerügt werden kann indes nur die Verletzung 
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1.2.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht auch im Bereich der vorläufigen Aufnahme (Art. 83 AuG) nicht zur Verfügung (Art. 83 lit. c Ziff. 3 BGG). Art. 83 AuG verschafft den Einzelnen keinen Rechtsanspruch. Praxisgemäss können auch keine Verfahrensfehler gerügt werden (BGE 137 II 305 E. 3.2 S. 310). Auch in dieser Hinsicht ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Er wirft der Vorinstanz sinngemäss vor, die massgebenden Kausalitäten verkannt zu haben. Unberücksichtigt geblieben seien zunächst die psychischen Probleme, aufgrund deren es zur strafrechtlichen Verurteilung und schliesslich zum ausländerrechtlichen Verfahren gekommen sei. Weiter habe die Vorinstanz übersehen, dass die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung zur Arbeitslosigkeit und diese dann zur Sozialhilfeabhängigkeit geführt habe. Was der Beschwerdeführer vorträgt, vermag indessen nicht zu überzeugen. Die Vorinstanz bezieht die beiden Arztzeugnisse ausdrücklich in ihre Überlegungen ein und folgert, eine angemessene Behandlung in der Heimat sei medizinisch und finanziell möglich (Entscheid E. 4.3.2). Der Umstand, dass die Sozialhilfeabhängigkeit seit März 2011 besteht (Entscheid E. 4.2.2) und sich damit (auch) als Folge der Untersuchungshaft darstellt, geht aus den Akten hervor und musste der Vorinstanz bewusst sein. Die Vorinstanz hat den rechtserheblichen Sachverhalt willkürfrei und damit für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG).
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2.2. In der Sache selbst stellt sich die Frage nach dem Weiterbestand des Anspruchs auf Familiennachzug (Art. 42 Abs. 1 AuG).
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2.3. Der Bewilligungsanspruch besteht trotz Auflösens bzw. definitiven Scheiterns der Ehegemeinschaft fort, wenn diese mindestens drei Jahre gedauert und - kumulativ - die betroffene Person sich zudem erfolgreich integriert hat (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG; BGE 138 II 229 E. 2 S. 231; 137 II 345 E. 3.1.2 S. 347; 136 II 113 E. 3.3.3 S. 119). Die Ehedauer - unter Berücksichtigung der Trennungszeit von ca. sieben Monaten - beträgt rund fünf Jahre. Die Vorinstanz erwägt, von einer erfolgreichen Integration könne keine Rede sein. Allem voran habe der Beschwerdeführer aufgrund schwerwiegender Verfehlungen eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten verwirkt; obwohl arbeitsfähig, sei er trotz ausreichender Deutschkenntnisse (nur) zeitweilig arbeitstätig gewesen, und er führe selber aus, "hohe Schulden zu haben". Anders als der Beschwerdeführer meint, ist die Frage der Integration damit nicht offen geblieben, sondern verworfen worden.
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2.4. Ein nachehelicher Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG setzt wichtige persönliche Gründe voraus, die einen weiteren Aufenthalt der ausländischen Person in der Schweiz erforderlich machen. Entscheidend ist, ob die persönliche, berufliche und familiäre Eingliederung der betroffenen ausländischen Person bei einer Rückkehr in ihre Heimat als stark gefährdet zu gelten hätte, und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre und vorgezogen würde (BGE 139 II 393 E. 6 S. 403; 138 II 229 E. 3.1 S. 231 f.). Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der gesamten Umstände eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben voraus, die mit der Lebenssituation nach dem Dahinfallen der abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung verbunden sein muss (BGE 139 II 393 E. 6 S. 403; 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350).
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2.5. Der Beschwerdeführer macht geltend, sein angeschlagener Gesundheitszustand stehe in engem Zusammenhang zur früheren Ehegemeinschaft. Die Leberzirrhose, die chronischen Rückenbeschwerden, die Ein- und Durchschlafstörungen und die damit einhergehenden Depressionen hätten vor Auftreten der ehelichen Unstimmigkeiten und der strafrechtlichen Verurteilung nicht bestanden. Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass er an anderer Stelle ausführt, die Straftat vom 10. Februar 2011 unter dem Eindruck zunehmenden Alkoholkonsums und dadurch hervorgerufener psychischer Empfindlichkeit und Labilität verübt zu haben. Selbst wenn seine Leiden ehebedingt wären, ergäbe sich daraus aber noch kein nachehelicher Härtefall. Zumindest im Fall der Leberzirrhose und der chronischen Rückenschmerzen kann zudem als notorisch gelten, dass solche Krankheiten über lange Zeit entstehen. Willkürfrei und für das Bundesgericht verbindlich ist die Vorinstanz in der Folge davon ausgegangen, dass die Behandlung der Krankheiten in der Türkei medizinisch und finanziell möglich sei. Die übrigen Argumente wie die höhere Arbeitslosigkeit oder das tiefere Lohnniveau in der Türkei stellen keinen wichtigen Grund dar. Ein Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ist nicht ersichtlich.
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2.6. Ebenso zutreffend erwägt die Vorinstanz, selbst wenn von der Fortdauer eines Rechtsanspruchs auf eine Aufenthaltsbewilligung auszugehen wäre, müsste es mit Blick auf die verwirkte Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten zum Widerruf der Bewilligung kommen ("längerfristige Freiheitsstrafe" gemäss Art. 62 lit. b AuG). Ihrer Verhältnismässigkeitsprüfung (Art. 36 Abs. 3 BV, konkretisiert durch Art. 96 AuG) unterlegt die Vorinstanz die praxisgemäss relevanten Gesichtspunkte. Das öffentliche Interesse an Fernhaltung bzw. Wegweisung des Beschwerdeführers gewichtet fraglos stärker als das verständliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz. Der Delinquenz, den Schulden, der gegenwärtigen (und mutmasslich andauernden) Sozialhilfeabhängigkeit, insgesamt der fehlenden Integration steht die Tatsache gegenüber, dass der Beschwerdeführer erst im Alter von 27 Jahren in die Schweiz gelangt ist, hier nicht allzu lange Zeit zugebracht und keine Verwandtschaft hat, während seine Familie in der Türkei wohnt. Ein baldiger, erfolgreicher Wiedereinstieg in das gesellschaftliche und berufliche Leben in der Heimat wird dadurch spürbar begünstigt. Aus Konventionsrecht, das im Übrigen nicht angerufen wird, ergäbe sich nichts Anderes (Art. 8 Ziff. 2 EMRK).
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Erwägung 3
 
3.1. Bundes- (Art. 95 lit. a BGG) und Völkerrecht (Art. 95 lit. b BGG) werden durch den angefochtenen Entscheid nicht verletzt. Die Beschwerde ist als unbegründet und abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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3.2. Bei diesem Ausgang sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 BGG). Er stellt ein Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung). Nachdem er sich durch einen Nichtanwalt vertreten lässt, muss das Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen 
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3.3. Dem Kanton Zürich steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
2.1. Das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung) wird abgewiesen.
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. 
 
Lausanne, 20. Dezember 2013
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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