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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1104/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_1104/2014 vom 21.04.2015
 
{T 0/2}
 
6B_1104/2014
 
 
Urteil vom 21. April 2015
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jaquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Oberholzer,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X._______,
 
vertreten durch Advokat Daniel Wagner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Einfache Körperverletzung; Verletzung der Verteidigungsrechte, willkürliche Beweiswürdigung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 20. August 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte. A.________ und B.________ hätten ausgesagt, dass C.________ und D.________ beim behaupteten Schlag "unmittelbar neben dran gestanden seien" (Beschwerde Ziff. 9). E.________ habe die beiden Frauen und den Beschwerdeführer nach Hause gefahren (Beschwerde Ziff. 6). Die Staatsanwaltschaft habe seinen Beweisanträgen, C.________, D.________, E.________ und den Security-Angestellten F.________ einzuvernehmen, stattgegeben. Der Verteidiger sei jedoch zu keinen weiteren Einvernahmen aufgeboten worden. Der polizeiliche Sachbearbeiter habe ihm lediglich mitgeteilt, die Einvernahmen hätten stattgefunden und keine neuen Ergebnisse gezeitigt. Die Staatsanwaltschaft habe seine Beweisanträge auf Konfrontationseinvernahme mit der Begründung abgelehnt, die Verteidigungsrechte könnten an der Hauptverhandlungen wahrgenommen werden. Die Strafgerichtspräsidentin habe die Beweisanträge auf Einvernahme der Zeuginnen abgelehnt mit dem Argument, diese hätten nichts gesehen (Beschwerde Ziff. 6 - 10). Bei der Befragung an der Hauptverhandlung hätten A.________ und B.________ bestätigt, dass die Zeuginnen "daneben gestanden seien". Gegen das Vorbringen der Verteidigung, "dass wenn die Frauen nichts von einem Schlag gesehen haben, dann auch kein solcher stattgefunden hat", habe das Strafgericht zum wiederholten Mal beschieden, die beiden Zeuginnen könnten nichts zur Sachverhaltsklärung beitragen (Beschwerde Ziff. 11). Die Vorinstanz habe aufgrund der Beweisanträge D.________ und E.________ angehört, nicht aber C.________, weil diese wegen des gemeinsamen Kindes sicherlich ihre Aussage nicht ändern und den Beschwerdeführer schützen wolle (Beschwerde Ziff. 13).
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1.2. Das Strafgericht führte aus, der Beschwerdeführer wiederhole an der Hauptverhandlung seinen Beweisantrag, es seien C.________ und D.________ als Zeuginnen vorzuladen. Der Antrag sei im Rahmen des Beweisverfahrens abgelehnt worden. Die Zeuginnen seien bereits im Vorverfahren einvernommen worden. Zwar treffe es zu, dass der Verteidiger "diesen Einvernahmen nicht beiwohnen konnte, womit prinzipiell sein Teilnahmerecht verletzt wäre". Allerdings habe es sich nicht um Belastungszeuginnen gehandelt. Beide hätten ausgesagt, von der Auseinandersetzung nichts mitbekommen zu haben. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, dem Beschwerdeführer oder seinem Verteidiger die Gelegenheit zu geben, Ergänzungsfragen zu stellen.
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1.3. An der vorinstanzlichen Verhandlung wurden der Beschwerdeführer, A.________, D.________ und E.________befragt.
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1.4. Nach der Feststellung des Strafgerichts wurden die Entlastungszeugen nicht in Anwesenheit des Verteidigers befragt (oben E. 1.2). Die Vorinstanz nimmt dazu nicht Stellung. In dieser Hinsicht macht der Beschwerdeführer grundsätzlich zutreffend eine Verletzung der Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV geltend (vgl. BGE 139 IV 179 E. 2.2; 138 IV 81 E. 2.2). Er konnte indessen diese Tatsache ohne Weiteres vor Bundesgericht vorbringen. Wie sich nachfolgend ergibt, führt die Verletzung des Teilnahmerechts (Art. 147 Abs. 1 i.V.m. Art. 159 Abs. 1 StPO) nicht zur Aufhebung des Urteils. Der Beschwerdeführer macht keine Unregelmässigkeit (etwa durch Druckausübung seitens des befragenden Polizeibeamten) infolge fehlender anwaltlicher Fürsorge geltend (vgl. Urteil 6B_336/2013 vom 14. Februar 2014 E. 2.4). Es geht entgegen der Beschwerde nicht um das Konfrontationsrecht mit Belastungszeugen und kommt nicht im besonderen Masse auf den unmittelbaren Eindruck einer Zeugenaussage an (vgl. Urteil 6B_98/2014 vom 30. September 2014 E. 3.8 betreffend Vergewaltigungsvorwurf). Die Vorinstanz konnte von den beantragten Entlastungszeugen, mit einer Ausnahme, einen persönlichen Eindruck gewinnen.
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1.5. Der Anspruch, Entlastungszeugen zu laden und zu befragen, ist relativer Natur. Das Gericht hat insoweit nur solche Beweisbegehren, Zeugenladungen und Fragen zu berücksichtigen und zuzulassen, die nach seiner Würdigung rechts- und entscheiderheblich sind (BGE 129 I 151 E. 3.1 S. 154). Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Strafbehörden, den Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln und die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen (Art. 6 Abs. 1 und 2 StPO). Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2 StPO; Urteil 6B_859/2013 vom 2. Oktober 2014 E. 2.1). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) umfasst auch die Pflicht der Behörde, die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegenzunehmen und zu prüfen sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen (BGE 138 V 125 E. 2.1; Urteil 6B_492/2012 vom 22. Februar 2013 E. 5.3). Das hindert das Gericht nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn es in willkürfreier Würdigung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und es überdies in willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann, seine Überzeugung werde dadurch nicht mehr geändert (BGE 136 I 229 E. 5.3; Urteil 6B_441/2013 vom 4. November 2013 E. 6.1). Diese Rechtsprechung gilt ebenso hinsichtlich Beweisanträgen auf Ladung von Entlastungszeugen unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (Urteil 6B_662/2014 vom 5. Februar 2015 E. 2.2.2).
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Erwägung 2
 
2.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8).
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2.2. Die Vorbringen erweisen sich als nicht substanziiert im Sinne der Rechtsprechung, weshalb insoweit darauf nicht einzutreten ist, und im Übrigen als unbegründet. Der vorinstanzliche Schuldspruch beruht auf Aussagen von A.________ und B.________. Die Vorinstanz geht willkürfrei davon aus, dass die Depositionen der Entlastungszeugen diese Belastungen nicht zu erschüttern vermögen. Wie die Vorinstanz weiter willkürfrei annimmt, finden sich für die Theorie der Verteidigung, der Security-Angestellte F.________ habe A.________ die Verletzung beigebracht, keine Anhaltspunkte.
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 400.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. April 2015
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Briw
 
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