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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1158/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_1158/2014 vom 21.04.2015
 
{T 0/2}
 
6B_1158/2014
 
 
Urteil vom 21. April 2015
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiber Moses.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Guzzi,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Strafzumessung (Raufhandel),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
 
vom 16. Oktober 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Zur Strafzumessung erwägt die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben planlos zugeschlagen und dabei seinen Kopf abgeschaltet habe. Dies begründe in Bezug auf die Tatkomponente ein mittelschweres Verschulden. Leicht bis mittelschwer falle zudem ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer seine Kontrahenten als "Lederkuttenmongos" betitelt habe. Unabhängig davon, ob er ebenfalls zuvor provoziert oder gar geschlagen worden sei, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Das Verschulden sei mittelschwer. In Bezug auf die Täterkomponenten würden die zahlreichen, teilweise einschlägigen Vorstrafen stark straferhöhend ins Gewicht fallen. Straferhöhend wirke auch die Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers, der auch im Berufungsverfahren noch geltend gemacht habe, er habe sich lediglich gegen die Angriffe verteidigen wollen. Nicht zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer ein Kind habe, in einer Beziehung lebe und einer Arbeit nachgehe. Die Täterkomponente sei insgesamt mittelstark zu gewichten. Als dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen angemessen erscheine eine Strafe von 9 Monaten. Der Beschwerdeführer sei bereits mehrmals zu Geldstrafen und Bussen verurteilt worden. Diese hätten ihn offensichtlich nicht von der Begehung neuer Delikte abhalten können. Vom Regelfall der Geldstrafe sei abzuweichen, zumal diese Strafart spezialpräventiv ungenügend sei. Das erstinstanzliche Gericht habe zu Recht eine unbedingte Strafe ausgesprochen, was in der Berufung nicht angefochten worden sei. Auf die Frage des bedingten Strafvollzugs sei nicht weiter einzugehen.
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1.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz benenne keine Einsatzstrafe. Sie konzentriere sich auf die Täterkomponente und lasse dabei sowohl die Tatkomponente als auch das Nachtatverhalten stark und zum Teil vollständig ausser Acht. Bloss aus seiner Vorgeschichte könne nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Geldstrafe nicht resozialisierend wirken würde. Daraus, dass er seine Kontrahenten als "Lederkuttenmongos" betitelt habe, könne nicht geschlossen werden, dass sein Verschulden besonders schwer wiege. Zudem sei das Beschleunigungsgebot verletzt worden. Dem Tatverschulden entspreche eine Einsatzstrafe von 45 Tagessätzen. Insgesamt erscheine ein Geldstrafe von 60 Tagessätzen als angemessen.
2
 
Erwägung 1.3
 
1.3.1. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es den verschiedenen Strafzumessungsfaktoren Rechnung trägt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 mit Hinweis). Nach Art. 50 StGB hält das Gericht in der Begründung die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung fest. Das Gericht muss die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, so dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist. Besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden unter anderem gestellt, wenn die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde ist (BGE 134 IV 17 E. 2.1). Alleine einer besseren Begründung wegen hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil nicht auf, solange die Strafzumessung im Ergebnis bundesrechtskonform ist (BGE 127 IV 101 E. 2c mit Hinweisen).
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1.3.2. Die Vorinstanz erklärte den Beschwerdeführer ausschliesslich des Raufhandels schuldig. Wegen derselben Auseinandersetzung vom 29. August 2010 erklärte die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten mittels Strafbefehl weitere fünf Personen (von welchen vier vorbestraft) des Raufhandels schuldig. Diese wurden mit zum Teil bedingten Geldstrafen von 10 bzw. 20 Tagessätzen bestraft (kantonale Akten, act. 23, 39, 66, 78, 89, 326, 329, 347, 352, 357). Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass der Tatbeitrag des Beschwerdeführers wesentlich schwerer wiegt als derjenige der anderen Beteiligten. Nachdem die Vorinstanz den Beschwerdeführer vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung freisprach, bestehen für das erheblich höhere Strafmass von 9 Monaten Freiheitsstrafe keine sachlichen Gründe. Ob der Beschwerdeführer von seinen Gegnern provoziert oder gar geschlagen worden sei, bevor er diese als "Lederkuttenmongos" betitelt habe, lässt die Vorinstanz offen. Weder diese Bezeichnung, noch dass der Beschwerdeführer planlos zugeschlagen habe, ist im Übrigen geeignet, einen derartigen Unterschied des Strafmasses zu rechtfertigen. Nicht zu berücksichtigen ist, dass es für den Beschwerdeführer ein Leichtes gewesen wäre, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Die Teilnahme an einer tätlichen Auseinandersetzung begründet als solche erst den Tatbestand des Raufhandels und wirkt sich weder strafmindernd noch straferhöhend aus.
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Erwägung 2
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 16. Oktober 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Renzo Guzzi, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. April 2015
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Moses
 
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