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Informationen zum Dokument  BGer 2F_23/2017  Materielle Begründung
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BGer 2F_23/2017 vom 09.01.2018
 
 
2F_23/2017
 
 
Urteil vom 9. Januar 2018
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiberin Straub.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Gesuchstellerin,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. März 2017 (2C_936/2016).
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die 1966 geborene türkische Staatsangehörige A.________ reiste 2001 in die Schweiz ein. Nach der Eheschliessung mit einem Schweizer Bürger erhielt sie 2002 eine Aufenthaltsbewilligung und 2007 die Niederlassungsbewilligung.
1
Am 4. Juni 2015 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von A.________, da es sich bei der Ehe mit ihrem Neffen um eine Scheinehe handle. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 8. März 2016 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. August 2016).
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Mit Urteil 2C_936/2016 vom 17. März 2017 wies das Bundesgericht die Beschwerde von A.________ gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. August 2016 ab.
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1.2. A.________ ersucht mit Eingabe an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich vom 4. Dezember 2017 um Revision des Urteils dieses Gerichts vom 24. August 2016. Es sei ihr die Niederlassungsbewilligung zurückzugeben, eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Falls das angerufene Gericht sich nicht für zuständig erachte, ersuche sie darum, das Gesuch an die zuständige Instanz weiterzuleiten.
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Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 leitete das Verwaltungsgericht das Revisionsgesuch an das Bundesgericht weiter.
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1.3. Das Bundesgericht hat auf die Anordnung von Instruktionsmassnahmen verzichtet.
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Erwägung 2
 
2.1. Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Sie können mit keinem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden. Sie sind aber der Revision zugänglich, sofern einer der im Bundesgerichtsgesetz abschliessend genannten Revisionsgründe (Art. 121-123 BGG) vorliegt. Dies ist von der Gesuchstellerin in einer Weise geltend zu machen und zu begründen, die den gesetzlichen Anforderungen genügt (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG).
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2.2. Gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen nachträglich entdeckter erheblicher Tatsachen verlangt werden. Grundsätzlich unzulässig ist die Revision nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG, wenn das Bundesgericht auf eine Beschwerde in Zivilsachen oder in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht eingetreten ist. In diesem Fall ist das Revisionsgesuch an die zuständige kantonale Instanz (oder das Bundesverwaltungsgericht) zu richten, es sei denn der Revisionsgrund betreffe die Prozessvoraussetzungen vor Bundesgericht. Zulässig ist die Revision nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG hingegen, wenn sich das Bundesgericht mit einer Beschwerde in Zivilsachen oder in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten materiell auseinandergesetzt hat und das Revisionsgesuch den damaligen Streitgegenstand betrifft. Diesfalls ist das Revisionsgesuch an das Bundesgericht zu richten, weil sein Urteil an die Stelle des angefochtenen vorinstanzlichen Entscheids tritt und den einzigen in Rechtskraft erwachsenen Entscheid darstellt, welcher im Zeitpunkt der Revision einer solchen zugänglich ist (BGE 138 II 386 E. 6.2 S. 389 f.; Urteile 1C_415/2017 vom 17. November 2017 E. 2.3; 1C_231/2014 vom 14. Oktober 2014 E. 1.2.1; NIKLAUS OBERHOLZER, in: Seiler/von Werdt/Güngerich/Oberholzer, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl. 2015, N. 13 zu Art. 123 BGG).
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Dies hat zur Folge, dass das Bundesgericht in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten über die Revision seiner Entscheide wegen nachträglich entdeckter Tatsachen oder Beweismittel entscheidet, auch wenn es den Sachverhalt im vorangegangenen Beschwerdeverfahren nur mit beschränkter Kognition (Art. 97, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) überprüfen konnte (vgl. Urteil 1C_231/2014 vom 14. Oktober 2014 E. 1.2.1 mit Hinweisen).
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2.3. Gemäss der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 123 Abs. 1 lit. a BGG hätte die Gesuchstellerin ihr Revisionsgesuch wegen nachträglich entdeckter Tatsachen und Beweismittel somit nicht beim kantonalen Verwaltungsgericht, sondern unmittelbar beim Bundesgericht einreichen sollen. Da das Verwaltungsgericht das Gesuch an das Bundesgericht weitergeleitet hat (Art. 48 Abs. 3 BGG; vgl. Urteil 2C_824/2014 vom 22. Mai 2015 E. 6.2 mit Hinweisen), erwächst der Gesuchstellerin aus der Einreichung bei der unzuständigen Behörde kein Nachteil.
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Erwägung 3
 
Die Gesuchstellerin bringt vor, sie habe am 16. Juni 2017 ein Asylgesuch gestellt und sei mit Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) vom 30. August 2017 wegen Unzumutbarkeit der Wegweisung (recte: des Wegweisungsvollzugs) in der Schweiz vorläufig aufgenommen worden. Der Entscheid des SEM sei eine neue erhebliche Tatsache, welche beweise, dass sie nicht aus verwerflichen Motiven gehandelt habe, sondern aus einer echten Notsituation eine Scheinehe eingegangen sei.
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3.1. Sie beruft sich in ihrem an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gerichteten Revisionsgesuch auf den Revisionsgrund von § 86a lit. b des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2). Diese Bestimmung nennt für eine Revision wegen nachträglich entdeckter Tatsachen oder Beweismittel analoge Voraussetzungen wie Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG: Die Beteiligten können die Revision einer Anordnung verlangen, wenn sie neue erhebliche Tatsachen erfahren oder Beweismittel auffinden, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnten (§ 86a lit. b VRG/ZH). Zwar sieht die Bestimmung im Wortlaut nicht ausdrücklich vor, dass die "neuen Tatsachen" bereits vor dem von der Revision betroffenen Entscheid entstanden sein müssen. Die Bestimmung wird in Bezug auf echte Noven (Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Entscheid entstanden) indes gleich gehandhabt, wie dies Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG für das bundesgerichtliche Verfahren ausdrücklich vorsieht. Es muss sich mithin um neu entdeckte Tatsachen handeln, die bei Fällung des Entscheids bereits bestanden haben, bzw. müssen sich Beweismittel auf ebensolche Tatsachen beziehen (vgl. MARTIN BERTSCHI, a.a.O., Rz. 15 zu § 86a).
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3.2. Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Revision verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind. Das neue Beweismittel, auf das sich die Gesuchstellerin beruft, datiert vom 30. August 2017 und ist somit nach dem Entscheid des Bundesgerichts vom 17. März 2017 entstanden. Der Umstand, dass sie eine Scheinehe einging, da sie in einer Notsituation gewesen sei, war der Gesuchstellerin sodann bereits vor dem Urteil vom 17. März 2017 bekannt, und es ist nicht ersichtlich, inwiefern es ihr verwehrt gewesen wäre, die angeblich fehlende Rechtsmissbräuchlichkeit ihrer Scheinehe bereits im ordentlichen Verfahren vorzubringen. Die Revision ist damit offensichtlich unzulässig. Auf das Revisionsgesuch ist nicht einzutreten.
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3.3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Angesichts der Umstände kann jedoch ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 BGG).
14
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Januar 2018
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Die Gerichtsschreiberin: Straub
 
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