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Informationen zum Dokument  BGer 8C_669/2017  Materielle Begründung
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BGer 8C_669/2017 vom 14.02.2018
 
 
8C_669/2017
 
 
Urteil vom 14. Februar 2018
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 12. Juli 2017 (VV.2016.228/E).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ arbeitete bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Mobiliar) und war bei dieser für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 25. Januar 2012 stürzte sie beim Skifahren auf die linke Schulter. Die von der Versicherten am Folgetag aufgesuchte Frau Dr. med. B.________, Allgemein- und Sportmedizin, stellte eine Schwellung sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit fest. Der Röntgenbefund zeigte keine ossären Läsionen. Sie legte einen immobilisierenden Verband an und verordnete entzündungshemmende Salben und Schmerzmittel. In der Folge unterzog sich A.________ einer Physiotherapie und am 10. Mai 2012 einer intraartikulären Injektion durch Dr. med. C.________, Orthopädische Chirurgie FMH. Dieser schloss die Behandlung am 21. Juni 2012 ab.
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Im Januar 2013 begab sich A.________ erneut in ärztliche Behandlung wegen Schmerzen im Bereich des Schlüsselbeins verbunden mit einem Kribbeln in der linken Hand. Am 24. September 2013 wurde sie in der Klinik D.________ durch Dr. med. E.________, Chefarzt Orthopädie, operiert (Schulterarthroskopie). Am 12. August 2014 erfolgte bei Diagnose einer Frozen shoulder eine weitere Operation. Es verblieb jedoch eine Bewegungseinschränkung. A.________ holte eine Zweitmeinung in der Klinik F.________ ein, wo sie am 9. Februar 2016 erneut operiert wurde. Die Mobiliar holte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. med. G.________, orthopädische Chirurgie FMH, vom 25. Januar 2016 ein. Gestützt darauf stellte sie ihre Leistungen mit Verfügung vom 25. April 2016 und Einspracheentscheid vom 5. Juli 2016 rückwirkend per Ende Januar 2013 ein, verzichtete indessen auf eine Rückforderung der danach noch erbrachten Leistungen.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 12. Juli 2017 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Angelegenheit an die Mobiliar zurückzuweisen, damit sie ein externes Gutachten veranlasse und über die unfallversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche erneut entscheide.
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Die Mobiliar schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob die durch das kantonale Gericht geschützte Leistungseinstellung durch den Unfallversicherer wegen Erreichens des Status quo sine per Ende Januar 2013 gestützt auf die Aktenbeurteilung seines beratenden Arztes vor Bundesrecht standhält.
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3. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG, zu dem dafür vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.) sowie zum Beweiswert von Aktengutachten (SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; SZS 2008 S. 393, I 1094/06 E. 3.1.1 in fine; Urteil U 10/87 vom 29. April 1988 E. 5b, nicht publ. in: BGE 114 V 109, aber in: RKUV 1988 Nr. U 56 S. 366; Urteil 8C_780/2016 vom 24. März 2017 E. 6.1) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen. Zu ergänzen ist, dass Berichten versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen dem Grundsatz nach zwar stets Beweiswert zuerkannt wurde, jedoch kommt ihnen praxisgemäss nicht dieselbe Beweiskraft zu wie einem gerichtlichen oder einem im Verfahren nach Art. 44 ATSG vom Versicherungsträger in Auftrag gegebenen Gutachten. Soll ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.; 125 V 351 E. 3a und b [insb. ee] S. 352 ff.). Anzufügen ist des Weiteren, dass die vom Unfallversicherer einmal anerkannte Leistungspflicht entfällt, wenn dieser nachweist, dass der Gesundheitszustand wieder hergestellt ist, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1).
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4. Nach der Vorinstanz ist der gestützt auf die Akten ergangene Bericht des Dr. med. G.________ voll beweiskräftig. Gestützt darauf sei davon auszugehen, dass der Status quo sine - unter Berücksichtigung einer Schulterkontusion mit Zerrungen und prellungsbedingten Schwellungen - sechs bis acht Wochen nach dem Skiunfall vom 25. Januar 2012 beziehungsweise - unter Annahme einer Aktivierung eines stummen Vorzustandes (Arthrose im AC- [Acromioclavicular-, Schultereck-] Gelenk durch einen degenerativ stark veränderten Discus articularis) nach einem weitgehend beschwerdefreien Intervall ohne Arztkonsultationen seit Juni 2012 - allerspätestens im Januar 2013 erreicht gewesen sei. Dass die Beschwerden danach zugenommen hätten, sei nicht den anlässlich des Sturzes erlittenen Verletzungen zuzuschreiben.
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Die Versicherte bringt dagegen vor, dass die verbleibenden Beschwerden auf unfallbedingte Befunde zurückzuführen seien, und beruft sich dabei namentlich auf die Berichte des Dr. med. E.________ vom 30. November 2015 und des Dr. med. H.________, Klinik F.________, vom 12. April und vom 7. September 2016.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Vorinstanz erachtete die Einschätzung des Vertrauensarztes Dr. med. G.________ vom 25. Januar 2016, wonach der Status quo sine spätestens im Januar 2013 eingetreten sei, als überzeugend. Zum einen habe die Röntgenuntersuchung vom 1. Februar 2012 keine ossären Verletzungen oder Hinweise auf eine Luxation ergeben. Zum andern sei anlässlich der Schulterarthroskopie vom 24. September 2013 (nebst unspezifischen Veränderungen an der Bursa [Schleimbeutel]) insbesondere ein stark degenerativ veränderter Discus articularis im AC-Gelenk vorgefunden worden. Hingegen habe sich die gestützt auf die Magnetresonanztomografie vom 2. April 2013 erhobene Verdachtsdiagnose einer (allenfalls unfallbedingten) Labrumläsion nicht bestätigt. Auch eine Sehnenverletzung sei nicht festgestellt worden (Operationsbericht des Dr. med. E.________ vom 24. September 2013). Ein nachweisbares organisches, auf den Unfall zurückzuführendes Substrat, das mit einem operativen Eingriff hätte behandelt werden müssen, habe nicht vorgelegen.
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5.2. Dass Dr. med. G.________ gemäss einer Aktennotiz vom 5. Juni 2014 bereits damals zu Rate gezogen und zu einer für die Beschwerdeführerin ungünstigen Schlussfolgerung gelangt war, schliesst dessen späteren Beizug als Vertrauensarzt praxisgemäss nicht aus (BGE 132 V 93 E. 7.2.2 S. 110; SVR 2013 IV Nr. 30 S. 87, 8C_978/2012 E. 5.3.2). Der die Mobiliar beratende Arzt äusserte sich in seinem Bericht vom 25. Januar 2016 eingehend zu den vorgenommenen Untersuchungen mittels bildgebender Abklärungen. Insbesondere wird ausführlich begründet, dass die erst anlässlich der ersten Arthroskopie festgestellten Befunde, namentlich am Discus articularis, nicht unfall-, sondern altersentsprechend degenerativ bedingt seien, während sich die zuvor aufgrund der bildgebenden Untersuchung vom 2. April 2013 vermuteten, mit dem Unfall erklärbaren Läsionen nicht bestätigt hätten. Dr. med. E.________ erachtete den zerschlissenen Discus articularis in seiner Stellungnahme vom 30. November 2015 als "passend" zu einer AC-Traumatisierung mit lateraler Krafteinwirkung. Aufgrund dieser Formulierung lässt sich nicht auf eine überwiegend wahrscheinliche Unfallfolge schliessen, zumal diese Zwischenscheibe (Knorpel) nach den Ausführungen des Dr. med. G.________ bei den meisten über 40-Jährigen kaum mehr oder nur noch stark verändert vorhanden sei. Im Operationsbericht selber wird zwar als Diagnose ein "posttraumatisches" Impingement aufgeführt, ohne dass jedoch zum Kausalzusammenhang mit dem Unfall weiter Stellung genommen würde. Weitere ärztliche Berichte, die sich ausführlich zur Unfallkausalität äussern würden, finden sich nicht in den Akten. Dies gilt insbesondere auch für die Stellungnahme des Dr. med. H.________ vom 12. April 2016.
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5.3. Dass das kantonale Gericht aufgrund der Stellungnahmen, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, keine auch nur geringen Zweifel an der Beurteilung des Vertrauensarztes ausmachen konnte und gestützt darauf sowie nach einlässlicher Würdigung der medizinischen Aktenlage davon ausgegangen ist, dass sich durch den Unfall ein stummer Vorzustand vorübergehend verschlimmert habe, spätestens im Januar 2013 jedoch der Status quo sine eingetreten sei, lässt sich nicht beanstanden. Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes liegt nicht vor und es bestand kein Anspruch auf Einholung eines Gerichtsgutachtens.
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6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 14. Februar 2018
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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