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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1131/2017  Materielle Begründung
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BGer 6B_1131/2017 vom 24.04.2018
 
 
6B_1131/2017
 
 
Urteil vom 24. April 2018
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiber Weber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Max Auer,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Urkundenfälschung, Amtsanmassung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 9. August 2017 (AK.2017.140+285-AK).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
B.A.________ und A.A.________ erhoben Einsprache gegen das Baugesuch von C.________ vom 21. Oktober 2015. An der Sitzung vom 15. September 2016 wies der Gemeinderat von D.________ diese Einsprache ab und erteilte im Grundsatz die Baubewilligung für den Abbruch und Umbau eines Gasthauses in ein Einfamilienhaus. Der damalige Gemeindepräsident X.________ trat für dieses Geschäft in den Ausstand. Die effektive Baubewilligung wurde erst am 19. Januar 2017 versandt und an diesem Datum von X.________ als Gemeindepräsident mitunterzeichnet, obwohl er seit 1. Januar 2017 nicht mehr Gemeindepräsident war.
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Am 1. März 2017 reichten B.A.________ und A.A.________ gegen X.________ Strafanzeige wegen Urkundenfälschung und Amtsanmassung ein.
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B.
 
Das Untersuchungsamt Altstätten des Kantons St. Gallen nahm mit Verfügung vom 4. April 2017 keine Strafuntersuchung an die Hand. Die von B.A.________ und A.A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 9. August 2017 ab.
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C.
 
B.A.________ und A.A.________ beantragen mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid der Anklagekammer sowie die Nichtanhandnahmeverfügung des Untersuchungsamts seien aufzuheben. Das Untersuchungsamt Altstätten sei anzuweisen, eine Strafuntersuchung gegen X.________ zu eröffnen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 1.1
 
1.1.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).
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Grundsätzlich wird von der Privatklägerschaft verlangt, dass sie bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Ausnahmsweise, bei Nichtanhandnahme oder Einstellung des Strafverfahrens, ist auf dieses Erfordernis zu verzichten. In jedem Fall muss die Privatklägerschaft in ihrer Beschwerdeschrift an das Bundesgericht darlegen, welche Zivilforderungen sie gegen die angezeigte bzw. beschuldigte Person geltend machen will. Öffentlich-rechtliche Ansprüche können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f. mit Hinweisen).
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1.1.2. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5; 138 IV 248 E. 2 S. 250; je mit Hinweisen). Ein in der Sache nicht legitimierter Beschwerdeführer kann weder die Beweiswürdigung kritisieren noch geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend (BGE 136 IV 41 E. 1.4 S. 44; 135 II 430 E. 3.2 S. 436 f.; je mit Hinweisen). Er kann vorbringen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, er habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder er habe keine Einsicht in die Akten nehmen können (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5; 138 IV 78 E. 1.3 S. 79 f.; 120 Ia 157 E. 2a/bb S. 160; Urteil 6B_1048/2016 vom 24. März 2017 E. 1.1; je mit Hinweisen).
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Erwägung 1.2
 
1.2.1. Die Beschwerdeführer argumentieren, sie hätten am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und seien somit zur Beschwerde legitimiert. Zudem seien sie Adressaten der Baubewilligungsverfügung und direkt betroffen. Im Baubewilligungs- und (offenbar noch hängigen) Rekursverfahren sei ihnen Schaden entstanden. Der Schaden bestehe aus den Kosten für die Rechtsvertretung sowie für die noch nicht abschätzbaren Auswirkungen der fraglichen Baubewilligung.
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1.2.2. Die Beschwerdeführer rügen weiter, die fehlende Begründung der Vorinstanz betreffend die objektiven Tatbestandselemente der Urkundenfälschung stelle eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Zudem habe die Vorinstanz den Grundsatz der Verfahrenseinheit verletzt, indem sie Art. 29 StPO als nicht anwendbar erklärt habe. Gegen X.________ (nachfolgend: angezeigte Person) werde bereits vom Untersuchungsamt Uznach eine Strafuntersuchung mit engem personellem und thematischem Zusammenhang zum nunmehr angezeigten Verhalten geführt und er sei entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch diesbezüglich eine beschuldigte Person im Sinne von Art. 111 StPO. Ihre Strafanzeige sei deshalb nicht vom Untersuchungsamt Altstätten, sondern vom Untersuchungsamt Uznach zu beurteilen.
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Erwägung 1.3
 
1.3.1. Die Beschwerdeführer weisen lediglich auf angeblich entstandene Kosten hin, legen aber nicht dar, ob sie beabsichtigen, den entsprechenden Schaden im angestrebten Strafverfahren adhäsionsweise als Zivilforderung gegen die angezeigte Person geltend zu machen. Dies ergibt sich auch nicht aus ihrer Strafanzeige vom 1. März 2017. Die Beschwerdeführer begründen sodann nicht und es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, welche Zivilforderungen aus den von ihnen der angezeigten Person vorgeworfenen Straftaten hervorgegangenen sein könnten. Es ist unter den vorliegenden Umständen nicht nachvollziehbar, inwiefern Rechtsvertretungskosten im öffentlich-rechtlichen Verfahren oder "nicht abschätzbare Auswirkungen" der umstrittenen Baubewilligung, auf welche die Beschwerdeführer ohne nähere Erläuterung hinweisen, kausale Folge der beanstandeten Unterzeichnung durch die angezeigte Person sein könnten. Die Beschwerdeführer müssten aufzeigen oder es müsste zumindest nahe liegen, dass die fraglichen Kosten bei ausgebliebener (Mit-) Unterzeichnung durch die angezeigte Person oder bei (Mit-) Unterzeichnung der Baubewilligung durch eine andere Person nicht entstanden wären. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Laut dem für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) entschied der Gemeinderat schon am 15. September 2015 und ohne Beteiligung der in Ausstand getretenen, angezeigten Person über die Baubewilligung. Letztere unterzeichnete die Baubewilligung laut Vorinstanz lediglich und hatte keinen Einfluss auf die Abweisung der Einsprache der Beschwerdeführer sowie die grundsätzliche Erteilung der Baubewilligung (vgl. angefochtener Entscheid, E. I. 2. S. 2 f. und II. 4.2 S. 6). Folglich ist davon auszugehen, dass sich an der Erteilung der Baubewilligung, jedenfalls was die behaupteten Kostenfolgen betrifft, ohne die Mitunterzeichnung durch die angezeigte Person nichts geändert hätte. Zudem zeigen die Beschwerdeführer über die mangelnde Begründung der Forderungen hinaus nicht auf, weshalb solche zivil- und nicht etwa öffentlich-rechtlicher Natur wären und es ist ferner nicht auszuschliessen, dass bei Gutheissung des Rekurses im öffentlich-rechtlichen Verfahren betreffend die Baubewilligung keine Kosten zu Lasten der Beschwerdeführer resultieren. Demzufolge sind die Beschwerdeführer mangels Begründung einer Auswirkung auf Zivilforderungen in der Sache selbst nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert und auf ihre entsprechenden materiellen Rügen kann nicht eingetreten werden.
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1.3.2. Die Rüge, die Vorinstanz habe den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie sich nicht mit den objektiven Tatbestandselementen der Urkundenfälschung auseinander gesetzt habe, kann nicht von der Prüfung der Sache getrennt werden. Mithin kann auch darauf nicht eingetreten werden. Ohnehin erwiese sich diese Rüge als unbegründet. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer begründete die Vorinstanz ihren Entscheid nicht anhand eines mit Sicherheit fehlenden Eventualvorsatzes der angezeigten Person, sondern mit den fehlenden beiden weiteren subjektiven Tatbestandselementen der Täuschungsabsicht und der Benachteiligungs- resp. Vorteilsabsicht (vgl. angefochtener Entscheid, E. II. 4.2 f. S. 6 f.). Diese subjektiven Tatbestandselemente durfte die Vorinstanz losgelöst von den objektiven Tatbestandselementen einer Urkundenfälschung prüfen. Sie hat sich mit dem Straftatbestand der Urkundenfälschung ausreichend auseinandergesetzt und schlüssig zumindest dargelegt, dass die Benachteiligungs- resp. Vorteilsabsicht weder substanziiert dargetan noch ersichtlich sei, zumal die Erteilung der Baubewilligung bereits vom Gemeinderat und unabhängig von der angezeigten Person gewährt worden war (vgl. E. 1.3.1 hiervor). Damit läge keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.
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Wie die Beschwerdeführer korrekt erkennen, erachtet die Vorinstanz sodann Art. 29 f. StPO u.a. deshalb als nicht anwendbar und das Untersuchungsamt Altstätten als zuständig, die Nichtanhandnahmeverfügung zu erlassen, weil die angezeigte Person nicht beschuldigt sei (vgl. angefochtener Entscheid, E. II. 2.3 S. 5). Die Begründung ihrer Rüge der angeblichen Verletzung des Grundsatzes der Verfahrenseinheit, wonach die angezeigte Person entgegen der vorinstanzlichen Auffassung eine beschuldigte Person im Sinne von Art. 111 StPO sei, zielt im Ergebnis ebenfalls auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids ab, weshalb darauf gleicherweise nicht eingetreten werden kann. Im Übrigen verhalten sich die Beschwerdeführer widersprüchlich, wenn sie in ihrem Rechtsbegehren beantragen, das Untersuchungsamt Altstätten sei anzuweisen, eine Strafuntersuchung gegen die angezeigte Person zu eröffnen und in der Begründung ihres Standpunkts zum Grundsatz der Verfahrenseinheit demgegenüber vorbringen, das Untersuchungsamt Uznach habe ihre Strafanzeige zu beurteilen.
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Erwägung 2
 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern je zur Hälfte unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. April 2018
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Weber
 
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