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Informationen zum Dokument  BGer 8C_13/2018  Materielle Begründung
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BGer 8C_13/2018 vom 09.05.2018
 
 
8C_13/2018
 
 
Urteil vom 9. Mai 2018
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiber Hochuli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Friedauer,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
 
vom 21. November 2017 (63/2015/9).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1968, war seit Februar 2008 als Bauvorarbeiter für die B.________ GmbH tätig und in dieser Eigenschaft obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 31. August 2012 erlitt er während der Arbeit ein Verhebetrauma mit seither rezidivierenden Schmerzen im mittleren Bereich der Brustwirbelsäule (BWS). Am 3. September 2012 begab er sich in hausärztliche Erstbehandlung zu Dr. med. C.________. Die Suva übernahm die Heilbehandlung und richtete ein Taggeld aus. Mit Verfügung vom 10. September 2014, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 16. Juni 2015, stellte die Suva sämtliche Leistungen per 23. September 2014 ein und schloss den Fall folgenlos ab.
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 21. November 2017 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ unter Aufhebung des angefochtenen Gerichts- und des Einspracheentscheides beantragen, die Suva habe ihm die gesetzlichen Leistungen, "insbesondere Taggeld und Heilbehandlung, eventuell eine Rente und eine Integritätsentschädigung" zu erbringen.
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Während die Suva auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichten das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht in Bestätigung des Einspracheentscheids der Suva vom 16. Juni 2015 einen Anspruch auf weitere Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung über den per 23. September 2014 verfügten Fallabschluss hinaus verneint hat.
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Erwägung 3
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Bestimmung zum Anspruch auf Leistungen im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG), die Grundsätze zum vorausgesetzten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen; BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.) und zum Dahinfallen des Kausalzusammenhanges bei Erreichen des Status quo sine (SVR 2016 UV Nr. 22 S. 70, 8C_896/2014 E. 2 mit Hinweis), insbesondere bei Diskushernien (SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12, 8C_901/2009 E. 4.3.1 mit Hinweisen), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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3.2. Gemäss den weiteren zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz entspricht es im Bereich des Unfallversicherungsrechts einer medizinischen Erfahrungstatsache, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen, und ein Unfallereignis nur ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in Betracht fällt (SVR 2009 UV Nr. 41 S. 142, 8C_1020/2008 E. 4.1).
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3.3. Die Leistungspflicht des Unfallversicherers umfasst auch die Beeinträchtigung durch Beschwerden, welche aus einer unfallbedingten (vorübergehenden oder richtunggebenden) Verschlimmerung einer vorbestandenen Diskushernie herrühren (SVR 2008 UV Nr. 36 S. 137, 8C_637/2007 E. 2.2 mit Hinweisen; vgl. auch SVR 2009 UV Nr. 1 S. 1, 8C_677/2007 E. 2.3.1). Ist die Diskushernie allerdings bei degenerativem Vorzustand durch den Unfall nur aktiviert, nicht aber verursacht worden, so hat die Unfallversicherung nur Leistungen für das unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfall stehende Schmerzsyndrom zu erbringen. Nach derzeitigem medizinischem Wissensstand kann das Erreichen des Status quo sine bei posttraumatischen Lumbalgien und Lumboischialgien nach drei bis vier Monaten erwartet werden, wogegen eine allfällige richtunggebende Verschlimmerung röntgenologisch ausgewiesen sein und sich von der altersüblichen Progression abheben muss; eine traumatische Verschlimmerung eines klinisch stummen degenerativen Vorzustandes an der Wirbelsäule ist in der Regel nach sechs bis neun Monaten, spätestens aber nach einem Jahr als abgeschlossen zu betrachten (Urteil 8C_571/2015 vom 14. Oktober 2015 E. 2.2.3 mit Hinweis; vgl. auch SVR 2009 UV Nr. 1 S. 1, 8C_677/2007 E. 2.3 und 2.3.2 mit Hinweisen).
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Erwägung 4
 
4.1. Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung diente die röntgenologische Abklärung der Brustwirbelsäule (BWS) vom 30. Oktober 2012 dem Ausschluss allfälliger Frakturen. Dies, nachdem der Beschwerdeführer in der Folge des Verhebetraumas vom 31. August 2012 zunächst nur während einer Woche und danach erst ab 17. Oktober 2012 wieder voll arbeitsunfähig war. Für die Phasen zwischen 8. September und 16. Oktober 2012, 3. Dezember 2012 und 10. Januar 2013, 25. Februar und 20. März 2013 sowie 29. April und 16. Juni 2013 finden sich aktenkundig keine Anhaltspunkte für eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit. Eine detaillierte bildgebende Magnetresonanzuntersuchung der BWS erfolgte erst am 24. Oktober 2013. Die damals erhobenen degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule gemäss Bericht vom 24. Oktober 2013 des Dr. med. D.________ sah das kantonale Gericht vor dem Hintergrund, dass der Versicherte bis zum Verhebetrauma während rund zwanzig Jahren schwere körperliche Arbeiten verrichtet habe. Weder aus dem Bericht des Dr. med. D.________ noch aus der Beurteilung des vom Beschwerdeführer beauftragten Chirurgen Dr. med. E.________ oder aus anderen ärztlichen Beurteilungen ergeben sich Hinweise darauf, dass die am 24. Oktober 2013 gefundenen Schäden an der BWS als natürlich-kausale Folgen des Ereignisses vom 31. August 2012 zu qualifizieren wären. Verwaltung und Vorinstanz haben demnach bundesrechtskonform festgestellt, dass es sich bei den Befunden gemäss MRI-Untersuchung vom 24. Oktober 2013 um unfallfremde degenerative Veränderungen handelt. Insbesondere schlossen sie in bundesrechtskonformer Beweiswürdigung aus, dass das nicht als besonders schwer zu qualifizierende Ereignis vom 31. August 2012 ohne degenerativen Vorzustand zu Bandscheibenschädigungen oder anderweitigen dauernden Rückenläsionen hätte führen können. Auch unter Berücksichtigung der von Dr. med. E.________ bloss als Hypothese aufgeworfenen Frage, ob gewisse Veränderungen an der BWS möglicherweise mit dem Ereignis vom 31. August 2012 in Verbindung stehen könnten, haben das kantonale Gericht und die Suva angesichts der klaren medizinischen Aktenlage in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen) auf weitere Beweismassnahmen verzichtet.
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4.2. Demnach ist die anlässlich der MRI-Untersuchung vom 24. Oktober 2013 bei degenerativem Vorzustand gefundene Diskushernie durch das Ereignis vom 31. August 2012 nur aktiviert, nicht aber verursacht worden. Praxisgemäss (vgl. E. 3.2 f. hievor) war folglich davon auszugehen, dass die traumatische Verschlimmerung des bis zum 31. August 2012 klinisch stumm gewesenen degenerativen Vorzustandes an der Wirbelsäule nach spätestens einem Jahr abgeschlossen war. Dementsprechend waren gemäss angefochtenem Entscheid grundsätzlich nur die bis Ende August 2013 anhaltenden Beeinträchtigungen als unfallkausale Folgen des Ereignisses vom 31. August 2012 zu betrachten. Der von der Suva erst per 23. September 2014 verfügte folgenlose Fallabschluss ist daher mit dem kantonalen Gericht nicht zu beanstanden.
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4.3. Was der Versicherte im Übrigen hiegegen vorbringt, ändert nichts daran und ist unbegründet. Zwar trifft zu, dass Dr. med. F.________ in seiner kreisärztlichen Beurteilung vom 4. September 2014 in Bezug auf die beiden vom Beschwerdeführer gerügten Begründungselemente (ärztliche Erstbehandlung angeblich erst nach zwei Monaten und angebliche Wiederaufnahme der Arbeit zwischen Ereignis und Erstbehandlung) von offenkundig unzutreffenden Tatsachen ausging. Sowohl aus der kreisärztlichen Beurteilung vom 3. Juli 2014 als auch aus derjenigen vom 4. September 2014 geht jedoch klar hervor, dass Dr. med. F.________ die medizinische Erfahrungstatsache gemäss Erwägung Ziffer 3.2 hievor offensichtlich nicht bekannt war. Ungeachtet dieser Umstände vermag der Versicherte jedenfalls nicht dazulegen und ist nicht ersichtlich, dass aus den Beurteilungen des Dr. med. F.________ - oder anderen aktenkundigen medizinischen Einschätzungen - auf eine Unfallkausalität der Befunde laut Bericht des Dr. med. D.________ vom 24. Oktober 2013 zu schliessen wäre. Der Beschwerdeführer macht zu Recht auch nicht geltend, an der erwähnten Erfahrungstatsache sei aus medizinwissenschaftlicher Sicht nicht festzuhalten.
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4.4. Angesichts der bundesrechtskonformen Würdigung des Ereignisses vom 31. August 2012, des Verlaufs der anschliessenden Arbeitsunfähigkeit und der medizinischen Untersuchungsergebnisse bleibt es beim angefochtenen Entscheid, wonach die von der Suva per 23. September 2014 verfügte und mit Einspracheentscheid vom 16. Juni 2015 bestätigte Leistungsterminierung nicht zu beanstanden ist.
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5. Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 9. Mai 2018
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli
 
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