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Informationen zum Dokument  BGer 2C_415/2018  Materielle Begründung
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BGer 2C_415/2018 vom 15.06.2018
 
 
2C_415/2018
 
 
Urteil vom 15. Juni 2018
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann, Haag,
 
Gerichtsschreiberin Mayhall.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Yetkin Geçer,
 
gegen
 
Amt für Migration und Integration
 
des Kantons Aargau.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. März 2018 (WBE.2017.92).
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
A.________ (Jahrgang 1951) ist deutsche Staatsangehörige. Sie meldete sich am 16. Oktober 2014 auf der Einwohnerkontrolle Niederlenz zur Wohnsitznahme an, bevor sie am 16. November 2014 nach Lenzburg umzog. Das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau erteilte ihr am 22. April 2015 eine bis 31. März 2020 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Seit dem 12. Januar 2016 bezieht A.________ Sozialhilfe. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs widerrief das kantonale Migrationsamt die Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies sie unter Ansetzung einer Ausreisefrist aus der Schweiz weg. Mit Einspracheentscheid vom 23. Januar 2017 bestätigte das kantonale Migrationsamt seine Verfügung. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies die von A.________ gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Urteil vom 27. März 2018 ab. A.________ gelangt gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. März 2018 mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 8. Mai 2018 an das Bundesgericht und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei der Einspracheentscheid dahingehend kostenfällig aufzuheben, als dass das kantonale Migrationsamt anzuweisen sei, die Aufenthaltsbewilligung nicht zu widerrufen und sie nicht aus der Schweiz wegzuweisen sei. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
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Erwägung 2
 
2.1. Anfechtungsobjekt des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens kann nur das Urteil des Verwaltungsgerichts Aargau vom 27. März 2018 und nicht etwa der unterinstanzliche Einspracheentscheid vom 23. Januar 2017 sein (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Devolutiveffekt). Soweit sich die dem Bundesgericht eingereichte Eingabe inhaltlich gegen den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung richtet, kann sie als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegen genommen werden und ist sie wegen offensichtlicher Unbegründetheit mit summarischer Begründung sowie unter Verweis auf das zutreffende Urteil des Verwaltungsgerichts Aargau vom 27. März 2018 abzuweisen (Art. 109 lit. a BGG). Auf die (inhaltlich) gegen die Wegweisung gerichtete subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 83 lit. c Ziff. 4, Art. 113 ff. BGG) kann nicht eingetreten werden, weil der Beschwerdeführerin die Anrufung des Rügegrundes der Verletzung des konventions- und verfassungsrechtlich geschützten Privat- und Familienlebens (Art. 116 BGG in Verbindung mit Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV) deswegen verschlossen bleibt, weil sie das dafür notwendige Tatsachenfundament (die eheähnliche Lebenspartnerschaft) nicht substanziiert (vgl. angefochtenes Urteil, E. 2 S. 8) in das vorinstanzliche Verfahren eingebracht hat und Noven sowie neue Beweismittel im bundesgerichtlichen Verfahren nicht entgegen genommen werden können (Art. 99 Abs. 1 BGG). Dasselbe gilt, soweit sich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (inhaltlich) gegen die Verweigerung einer Bewilligung aus wichtigen Gründen (Art. 20 VEP) bzw. einer Härtefallbewilligung (Art. 30 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) richtet (siehe Urteil 2C_51/2018 vom 25. Januar 2018 E. 3), wird doch in der Beschwerdeschrift nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht, woraus sich das vorausgesetzte rechtlich geschützte Interesse (Art. 115 lit. b BGG) ergeben und inwiefern die Vorinstanz diesen Punkt betreffend verfassungsmässige Rechte (Art. 116 BGG) der Beschwerdeführerin verletzt hätte. Die gerügte Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) jedenfalls, welche sich gemäss der Beschwerdeführerin daraus ergeben solle, dass die Vorinstanz den Schriftenwechsel für abgeschlossen erklärt habe, bevor sie sich zu (lebensgefährlichen) gesundheitlichen Folgen einer Wegweisung nach Deutschland habe äussern können, erweist sich angesichts der vorinstanzlichen Erwägungen zu den gesundheitlichen Problemen der Beschwerdeführerin und zur Gleichwertigkeit der medizinischen Versorgung in Deutschland (angefochtenes Urteil, E. 2, S. 8) als haltlos.
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2.2. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil erwogen, die Beschwerdeführerin habe unbestrittenermassen seit ihrer Einreise in die Schweiz keine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, weshalb ihr die zu diesem Zweck erteilte Aufenthaltsbewilligung (Art. 12 Anhang I zum Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681]) in Anwendung von Art. 23 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (VEP; SR 142.203) zu widerrufen sei. Die in der Beschwerdeschrift vorgetragene Rüge, der in Art. 23 VEP vorgesehene Widerruf finde nur auf Konstellationen nachträglicher Fehlerhaftigkeit einer Bewilligung Anwendung, ist im Lichte der publizierten bundesgerichtlichen Praxis (BGE 141 I 1 E. 2.2.1 S. 4) unbegründet. Für alles weitere kann auf das zutreffende angefochtene Urteil (E. 2 S. 7) verwiesen werden.
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2.3. Angesichts der fehlenden (selbstständigen) Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil einen auf Art. 24 Anhang I FZA und Art. 18 Abs. 2 und Abs. 3 VEP gestützten Anspruch geprüft und verneint. Sie erwog, die Beschwerdeführerin verkenne, dass ein solches Aufenthaltsrecht ausreichende finanzielle Mittel voraussetze und ihre deutsche Monatsrente in Höhe von EUR 1'336.99 bei Weitem nicht ausreiche, um ihren Lebensunterhalt in der Schweiz bestreiten zu können, was gerade dadurch belegt werde, dass sie seit dem 12. Januar 2016 durchgehend Sozialhilfe in Anspruch nehme. Die Darstellung, wonach die Sozialhilfe per 31. Januar 2018 eingestellt worden ist, kann als unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 BGG) nicht in das bundesgerichtliche Verfahren eingebracht werden, weshalb auch die erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichten Beweismittel nicht abzunehmen sind (Art. 99 Abs. 1 BGG). Inwiefern die Vorinstanz sich ermessensfehlerhaft geweigert haben sollte, das Aufenthaltsrecht nach Art. 18 Abs. 2 VEP zu prüfen, wird in der Beschwerdeschrift nicht weiter ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerde auch in diesem Punkt unbegründet ist und für alles Weitere auf das angefochtene Urteil (E. 3.2) verwiesen werden kann.
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Erwägung 3
 
Wegen Aussichtslosigkeit der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 2018 kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 e contrario BGG). Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 BGG). Für eine Neuverlegung der vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen besteht kein Anlass.
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
4. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Juni 2018
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall
 
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