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Informationen zum Dokument  BGer 9C_379/2018  Materielle Begründung
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BGer 9C_379/2018 vom 12.07.2018
 
 
9C_379/2018
 
 
Urteil vom 12. Juli 2018
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 26. März 2018 (IV.2017.01319).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1974 geborene A.________, Mutter zweier Kinder, zuletzt teilzeitlich als Reinigungskraft in verschiedenen Betrieben tätig, meldete sich am 28. Oktober 2015 unter Hinweis auf eine Depression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle traf erwerbliche und medizinische Abklärungen und liess die Versicherte psychiatrisch begutachten (Expertise des Dr. med. B.________ vom 2. Mai 2017). Mit der Begründung, dass A.________ voll arbeitsfähig sei, lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich das Leistungsgesuch am 6. November 2017 verfügungsweise ab.
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B. A.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag, es seien ihr eine Invalidenrente, eventuell Eingliederungsmassnahmen, zuzusprechen. Mit Eingabe vom 7. März 2018 reichte sie einen Bericht der Klinik C.________ vom 28. Dezember 2017 ein. Mit Entscheid vom 26. März 2018 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Vorinstanz hat die medizinischen Unterlagen eingehend gewürdigt. Sie hat auf das Gutachten des Psychiaters Dr. med. B.________ vom 2. Mai 2017 abgestellt. Dieser vermochte keine psychiatrischen Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit zu stellen und verneinte das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit, indem er zusammenfassend darlegte, dass sich weder in den Vorakten noch im Rahmen der aktuellen gutachterlichen Untersuchung klare Hinweise auf einen relevanten psychischen Gesundheitsschaden fänden, der die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin langfristig einschränken würde. Gestützt auf diese fachärztlichen Angaben, welche die Anforderungen an den Beweiswert eines medizinischen Gutachtens erfüllten, stellte das kantonale Gericht fest, dass die von Dr. med. B.________ diagnostizierte Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion bei psychosozialer Belastungssituation sich den Ausführungen des Psychiaters entsprechend keine Folgen für die Arbeitsfähigkeit habe. Der Versicherten sei die zuletzt ausgeübte Arbeit oder eine Verweisungstätigkeit uneingeschränkt zumutbar. Es fehle somit an einer Invalidität oder einer drohenden Invalidität im Rechtssinne, woran die Einschätzung der Ärzte der Klinik C.________ vom 28. Dezember 2017, worin nebst einer Persönlichkeitsstörung eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, diagnostiziert wurde nichts ändere; diese Stellungnahme sei nach dem für die gerichtliche Beurteilung in zeitlicher Hinsicht massgebenden Datum des Erlasses der Verwaltungsverfügung (vom 6. November 2017) abgegeben worden.
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2.2 Die Beschwerdeführerin wendet ein, der Bericht der Klinik C.________ stehe in einem engen Sachzusammenhang zum Gutachten des Dr. med. B.________ und sei deshalb mit zu berücksichtigen. Weiter kritisiert sie das psychiatrische Gutachten. Dieses setze sich nicht mit früheren abweichenden psychiatrischen Berichten auseinander. Bei Vorliegen fachlicher Divergenzen hätte die Vorinstanz beim Gutachter nachfragen oder weitere Abklärungen treffen müssen. Ferner beruft sie sich auf die Qualitätsleitlinien für eine Begutachtung sowie darauf, dass die Verwaltung sich nicht an die Vorgaben des Kreisschreibens des Bundesamtes für Sozialversicherungen gehalten und es daher versäumt habe, aktuelle Arztberichte einzuholen.
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Erwägung 3
 
3.1. Während Administrativgutachter Dr. med. B.________ - wie erwähnt - kein psychisches Leiden mit Krankheitswert festgestellt hat, leidet die Beschwerdeführerin laut Bericht der Klinik C.________ an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie an einer Persönlichkeitsstörung und ist zu 50 % arbeitsunfähig. Diese fachärztliche Stellungnahme kann in die Beurteilung miteinbezogen werden, da sie nur wenige Wochen nach Verfügungserlass erstattet wurde und sich daraus Rückschlüsse für den Zeitraum bis Verfügungserlass ergeben können (vgl. BGE 130 V 138 E. 2.1 S. 140, 121 V 362 E. 1b S. 366; Urteil 8C_674/2014 vom 5. Mai 2015).
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Indessen ist der Bericht der Klinik C.________ nicht geeignet, die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindliche Feststellung des medizinischen Sachverhalts durch die Vorinstanz (E. 1 hievor) zu erschüttern. Zwar stellen die Ärzte der Klinik C.________ im Gegensatz zum Gutachter Dr. med. B.________ eine Diagnose und attestieren der Versicherten damit verbunden eine Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit von 50 %. Dabei ist jedoch nicht zu verkennen, dass die Klinik C.________ betreffend die depressive Störung zumindest teilweise auf die subjektiven Angaben der Beschwerdeführerin abstellt, worauf sie im Bericht selbst hinweist, indem sie die objektiven fachlichen Einschätzungen des Gutachters Dr. med. B.________ erwähnt, alsdann jedoch die Angaben der Versicherten zur Entwicklung der depressiven Symptomatik in den Vordergrund stellt. Dass aus der Beurteilung des Gesundheitszustandes und der Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit durch die Klinik C.________ auf eine im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG offensichtlich unrichtige (willkürliche: BGE 140 V 22 E. 7.3.1 S. 39, 135 II 145 E. 8.1 S. 153) oder anderweitig bundesrechtswidrige (Art. 95 lit. a BGG) Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz geschlossen werden müsste, vermag die Versicherte nicht hinreichend zu begründen und lässt sich auch nicht erkennen.
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3.2 Ferner nimmt die Versicherte Vergleiche zwischen Gutachten und Bericht der Klinik C.________ vor, kritisiert die Darlegungen des Psychiaters Dr. med. B.________ und die gestützt darauf im angefochtenen Entscheid getroffenen Feststellungen tatsächlicher Natur. Insoweit erschöpfen sich die Vorbringen in der Beschwerde in einer im Rahmen der dem Bundesgericht zustehenden Überprüfungsbefugnis (E. 1 hievor) unzulässigen Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz, weshalb darauf nicht einzugehen ist. Nach der Rechtsprechung ist sodann ein Experte oder eine Begutachtungsstelle nicht verpflichtet, nach den in der Beschwerde genannten Qualitätsleitlinien für eine Begutachtung vorzugehen, was auch die Versicherte anerkennt.
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Weitere Einwendungen betreffen ebenfalls das Gutachten des Dr. med. B.________ indem diesem vorgeworfen wird, bei der Abklärung der Versicherten und Abfassung der Expertise nicht lege artis vorgegangen zu sein. Der Vorinstanz wird Willkür entgegengehalten, weil sie darüber hinweg gesehen habe, dass der Experte sich nicht ausdrücklich mit den ihm vorgelegenen medizinischen Akten auseinandergesetzt hat. Wenn das kantonale Gericht zum Schluss kommt, der Gutachter habe über Angaben zur Krankengeschichte verfügt und diese in seine Beurteilung einbezogen, ohne im Einzelnen festzuhalten, um welche Unterlagen es sich handelt, kann nicht von einer willkürlichen Beweiswürdigung gesprochen werden. Frühere Stellungnahmen anderer Ärzte sind in Bezug auf den Grad der Arbeitsunfähigkeit nur bedingt von Interesse und vermögen das Abstellen der Vorinstanz auf die Einschätzung des Administrativgutachters Dr. med. B.________ jedenfalls nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
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Bei der Annahme der Klinik C.________, die Beschwerdeführerin sei lediglich im Ausmass von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung arbeitsfähig, handelt es sich um eine abweichende Einschätzung, die nicht unabhängig von subjektiven Gesichtspunkten erfolgt ist, da sie von den gegenwärtigen Verhältnissen ausgeht (Arbeit in einem Kiosk und für eine Reinigungsfirma mit einem Pensum von insgesamt rund 40 %). Wenn im Bericht der Klinik C.________ abschliessend mit Rücksicht auf die kombinierte Persönlichkeitsstörung der Versicherten eine lediglich hälftige Arbeitsfähigkeit attestiert wird die abhängig vom Krankheitsverlauf langsam gesteigert werden könne, kann daraus nicht auf eine willkürliche oder anderweitig bundesrechtswidrige Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts geschlossen werden, welches dem Gutachten des Dr. med. B.________ den Vorzug gegeben hat. Ein Verstoss gegen Bundesrecht kann umso mehr ausgeschlossen werden, als gerade bei diagnostisch kaum oder nur mit Mühe zu erfassenden psychischen Beschwerdebildern die fachärztlichen Schätzungen der Arbeits- und Leistungsfähigkeit zwischen Gutachtern, behandelnden Psychiatern und andern beteiligten Fachärzten erfahrungsgemäss häufig divergieren. Schliesslich ist der Hinweis in der Beschwerde auf ein offenbar unbeachtet gebliebenes Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen schon deswegen unbehelflich, weil Verwaltungsverordnungen für die Gerichte nicht verbindlich sind (vgl. BGE 119 V 255 E. 3a S. 259 mit Hinweisen).
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4. Der Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf Zusprechung von Eingliederungsmassnahmen wird mit keinem Wort begründet, weshalb darauf nicht einzutreten ist.
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5. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 12. Juli 2018
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer
 
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