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Informationen zum Dokument  BGer 2C_720/2018  Materielle Begründung
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BGer 2C_720/2018 vom 11.09.2018
 
 
2C_720/2018
 
 
Urteil vom 11. September 2018
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG in Liquidation,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Weber,
 
gegen
 
Kantonales Steueramt Zürich, Dienstabteilung Recht, Bändliweg 21, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich, Steuerperiode 2014 (Revision),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 11. Juli 2018 (SB.2018.00038).
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die am 30. Mai 2012 gegründete A.________ AG in Liquidation (nachfolgend: die Steuerpflichtige) hat steuerrechtlichen Sitz in U.________/ZH. Einziges Mitglied des Verwaltungsrates ist B.________, der auch als Vizepräsident des Verwaltungsrates der C.________ AG (nachfolgend: die nahestehende Gesellschaft) mit Sitz am selben Ort wirkt. Beide Gesellschaften betätigen sich im Bereich der Heizungen. In der Steuererklärung zur Steuerperiode 2014 deklarierte die Steuerpflichtige einen Verlust von Fr. 10'188.-- und ein Eigenkapital von Fr. 500'000.--. Das Steueramt des Kantons Zürich (KStA/ ZH) ersuchte die Steuerpflichtige um weitere Auskünfte, worauf diese nicht reagierte. Nach erfolgloser Mahnung veranlagte das KStA/ZH die Steuerpflichtige am 9. März 2016 mit einem steuerbaren Reingewinn und einem steuerbaren Kapital von je Fr. 500'000.--. Die Veranlagungsverfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
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1.2. Am 10. Mai 2017 unterbreitete die Steuerpflichtige dem KStA/ZH das Gesuch um Revision der Veranlagungsverfügung vom 9. März 2016. Das KStA/ZH trat darauf nicht ein (Entscheid vom 25. Mai 2017) und wies die dagegen gerichtete Einsprache ab (Einspracheentscheid vom 26. Juli 2017). Es erwog, am Ende der Steuerperiode 2013 habe die Steuerpflichtige ein Warenlager von Fr. 468'000.--, mobile Sachanlagen von Fr. 48'400.-- und immobile Sachanlagen von Fr. 2'200.-- ausgewiesen, dies bei einem Warenertrag von rund Fr. 2,6 Mio. und einem Warenaufwand von rund Fr. 1,5 Mio. Gemäss dem Jahresabschluss 2014 lauteten das Warenlager und das Anlagevermögen dagegen je auf Fr. 0.--. Der Warenertrag erreiche lediglich noch Fr. 6'758.10 und der Warenaufwand betrage Fr. 0.--. Die Bruttomarge der Vorperiode (45,0 Prozent) könne unter diesen Umständen nicht herangezogen werden. Es müsse angenommen werden, dass die Positionen erfolgsneutral ausgebucht worden seien. Der Ermessenszuschlag von Fr. 500'000.-- sei angemessen.
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1.3. Das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich (Entscheid vom 20. März 2018) und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung (Entscheid SB.2018.00038 vom 11. Juli 2018), bestätigten dies. Das Verwaltungsgericht hielt namentlich fest, mit Blick auf das ausgebuchte Warenlager und Anlagevermögen von insgesamt gut Fr. 500'000.-- erscheine ein ermessensweise veranlagter Reingewinn von Fr. 500'000.--, trotz des Vorjahresverlustes von Fr. 197'731.36, weder als "abenteuerlich" noch als "pönal", wie die Steuerpflichtige dies glaube. Von Nichtigkeit könne nicht gesprochen werden.
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1.4. Mit Eingabe vom 27. August 2018 erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das KStA/ZH zur Veranlagung "unter Berücksichtigung der konkreten Umstände" zu verpflichten. Eventualiter sei die Sache zwecks Entscheids im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen zurückzuweisen.
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1.5. Das präsidierende Mitglied als Instruktionsrichter hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen (Art. 32 Abs. 2 BGG [SR 173.110]).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83
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2.2. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 2.3 S. 23 f.) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236).
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2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil grundsätzlich den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503). Die Anfechtung der vorinstanzlichen Feststellungen unterliegt der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit (BGE 144 V 50 E. 4.1 S. 52 f.).
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Erwägung 3
 
3.1. Die Steuerpflichtige erblickt krasse Verfahrensfehler insbesondere darin, dass die Vorinstanz die Vorjahresverluste, den Liquidationsvorgang, die Bruttogewinnmarge, die Veräusserung zum Buchwert und die Verbuchung der übertragenen Aktiven in der nahestehenden Gesellschaft unberücksichtigt gelassen habe. Die krassen Verfahrensfehler zögen die Nichtigkeit der Veranlagungsverfügung nach sich und berechtigten zur Revision (Art. 51 Abs. 1 lit. b StHG bzw. § 155 Abs. 1 lit. b des Steuergesetzes [des Kantons Zürich] vom 8. Juni 1997 [StG/ZH; LS 631.1]).
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Erwägung 3.2
 
3.2.1. Fehlerhafte Verfügungen und Entscheide sind praxisgemäss (nur) 
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3.2.2. In Fortführung dieser Grundsätze hat das Bundesgericht in seiner jüngeren Praxis umschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine direktsteuerliche Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen nicht nur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit anfechtbar (Art. 132 Abs. 2 DBG bzw. Art. 48 Abs. 2 StHG), sondern geradezu nichtig sei (Urteil 2C_679/2016 / 2C_680/2016 vom 11. Juli 2017 E. 5, in: ASA 86 S. 56, StE 2017 B 93.5 Nr. 33). Dieser Entscheid bezog sich freilich auf Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, was der nicht weiter spezifizierten Anwendung der Praxis auf Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Urteile 2C_252/2018 vom 27. April 2018 E. 3.4; 2D_42/2017 vom 28. November 2017 E. 2.5) und noch vielmehr auf Gewinne juristischer Personen von vornherein entgegensteht.
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3.2.3. In allen diesen Fällen darf als gemeinsame Basis angenommen werden, dass eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen (nur) nichtig ist, wenn die Veranlagungsbehörde das steuerbare Einkommen oder den steuerbaren Gewinn bzw. den Ermessenszuschlag 
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Erwägung 3.3
 
3.3.1. Nach den für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 2.3), die insoweit nicht bestritten werden, wies die Jahresrechnung 2014 weder einen Warenbestand noch ein Anlagevermögen aus, was im Vergleich zum Vorjahr zu einer Abnahme um rund Fr. 500'000.-- führte. Dem Abschluss kann sodann ohne Weiteres entnommen werden, dass die Ausbuchung erfolgsneutral erfolgt ist, ermässigten sich die Verbindlichkeiten gegenüber der nahestehenden Gesellschaft doch im entsprechenden Umfang und kam es weder zu einem Warenertrag noch zu einem Warenaufwand. Die Steuerpflichtige anerkennt dies ausdrücklich und spricht sich für die Aufrechnung eines "angemessenen" Gewinnzuschlags aus. Den Betrag von Fr. 500'000.--, welchen die kantonalen Behörden ermessensweise aufrechneten, hält sie indes für weit übertrieben, ohne konkret aufzuzeigen, welcher Ermessenszuschlag in ihren Augen betriebswirtschaftlich gerechtfertigt wäre. Sie scheint aber einer Bruttogewinnmarge von rund 45,0 Prozent, wie sie im Vorjahr herrschte (vorne E. 1.2), zuzustimmen, wobei dies nicht restlos klar wird. Davon wäre, wie sie wohl geltend macht, der rechtskräftige Verlustvortrag von rund Fr. 200'000.-- abzuziehen.
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3.3.2. Nichtigkeit liegt nach dem Dargelegten nur vor, wenn die Veranlagungsbehörde bei der ermessensweisen Veranlagung der juristischen Person den steuerbaren Gewinn bzw. den Ermessenszuschlag 
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3.3.3. Die angenommene Bruttogewinnmarge von netto gut 100 Prozent erscheint tatsächlich als eher hoch und dürfte den Marktverhältnissen nicht vorbehaltlos entsprechen, zumal zu bedenken ist, dass auch der Verlustvortrag abgedeckt wurde. Wie es sich damit im Einzelnen verhielt, wäre aber Sache des Unrichtigkeitsnachweises gewesen, der eine wesentlich feinere Betrachtung erlaubt als die behauptete Nichtigkeit. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Ermessenszuschlag eher grosszügig bemessen wird, hat die steuerpflichtige Person den ihr obliegenden Mitwirkungspflichten doch bis dahin noch gar nicht oder zumindest nicht vollumfänglich genügt. Darauf hat sie sich behaften zu lassen, zumal ihr die Möglichkeit bleibt, dies anhand des Unrichtigkeitsnachweises richtigzustellen. Nichtigkeit erfordert einen ins Auge springenden, materiell- und verfahrensrechtlich aussergewöhnlich schwerwiegenden Mangel (Urteile 2D_42/2017 vom 28. November 2017 E. 2.5). Ein möglicherweise zu grosszügig bemessener, unangefochten veranlagter Ermessenszuschlag, der nicht jeden Realitätsbezugs entbehrt, reicht hierfür nicht aus.
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3.4. Die Steuerpflichtige macht in recht allgemeiner Weise die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend. Dass und inwiefern sie dadurch in ihren verfassungsmässigen Individualrechten verletzt sein soll, bringt sie nicht vor. Sie verletzt dadurch die ihr obliegende Rüge- und Begründungsobliegenheit (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286). Darauf ist nicht näher einzugehen.
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3.5. Die Beschwerde erweist sich folglich als unbegründet. Sie ist abzuweisen.
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Erwägung 4
 
4.1. Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Steuerpflichtigen aufzuerlegen.
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4.2. Dem Kanton Zürich, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Entschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. September 2018
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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