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Informationen zum Dokument  BGer 2C_287/2018  Materielle Begründung
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BGer 2C_287/2018 vom 21.09.2018
 
 
2C_287/2018
 
 
Urteil vom 21. September 2018
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
 
Gegenstand
 
Mehrwertsteuer; provisorischer Steuerbetrag und Beseitigung des Rechtsvorschlages,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
 
vom 22. Februar 2018 (A-1047/2018).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Rechtsanwalt A.________ betreibt in U.________ /BE eine Anwaltskanzlei. Aufgrund seiner unternehmerischen Tätigkeit ist er in dem von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) geführten Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen, wobei er nach der Methode der Saldosteuersätze vorgeht. Seine Abrechnung zum zweiten Semester 2016, die er erstellt und eingereicht hatte, wies eine Steuerforderung von Fr. 11'736.10 aus. Trotz Mahnung unterliess er die Überweisung an die ESTV, weshalb diese den provisorisch geschuldeten Steuerbetrag in Betreibung setzte (Art. 86 Abs. 2 MWSTG). Der Steuerpflichtige erhob gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag. Die ESTV beseitigte den Rechtsvorschlag mit Verfügung vom 9. Januar 2018 (Art. 86 Abs. 3 MWSTG). Am 19. Februar 2018 wies sie die dagegen gerichtete Einsprache ab (Art. 86 Abs. 4 Satz 1 MWSTG).
1
 
B.
 
Am 20. Februar 2018 erhob der Steuerpflichtige Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit einzelrichterlichem Entscheid A-1047/ 2018 vom 22. Februar 2018 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein. Es erwog im Wesentlichen, Art. 86 Abs. 4 Satz 2 MWSTG halte fest, dass derartige Einspracheentscheide grundsätzlich endgültig seien. Eine Ausnahme sehe das Gesetz nur vor, soweit ein Anwendungsfall von Art. 86 Abs. 5 MWSTG vorliege, was jedoch bedinge, dass die ESTV den in Betreibung gesetzten provisorisch geschuldeten Steuerbetrag nach pflichtgemässem Ermessen festgelegt habe. Vorliegend habe der Steuerpflichtige die Steuerabrechnung eigenständig ausgefüllt, weshalb der Vorbehalt von Art. 86 Abs. 4 Satz 2 MWSTG nicht einschlägig sei. Die gesetzliche Anordnung erscheine als sachgerecht, zumal es sich lediglich um die Festsetzung des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags - und noch nicht um die definitive Steuerforderung (Art. 36 Abs. 2 MWSTG) - handle. Folglich könne mit dem Bezug auch kein unwiederbringlicher Nachteil einhergehen. Der Steuerpflichtige berufe sich auf eine Verletzung von Art. 13 und Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Zum angeblich verletzten Anspruch auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK) fehle von vornherein eine Begründung. Was Art. 6 Ziff. 1 EMRK betreffe, liege weder eine strafrechtliche Anklage noch ein zivilrechtlicher Anspruch vor. Sowohl Art. 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) als auch Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) seien aber akzessorischer Natur. Mangels eines aus Art. 6 bzw. Art. 8 EMRK herzuleitenden Anspruchs kämen die Art. 13 und 14 EMRK daher nicht zur Anwendung. Bei diesem Ergebnis erübrige es sich, dem Verhältnis von MWSTG und EMRK nachzugehen.
2
 
C.
 
Mit Eingabe vom 28. März 2018 und Ergänzung vom 8. April 2018 erhebt der Steuerpflichtige beim Bundesgericht "Rechtsverweigerungsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten". Er beantragt im Wesentlichen, der angefochtene Entscheid sei kostenfällig aufzuheben und die Sache zur materiellen Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 1 und 2 des Rechtsbegehrens); eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz, subeventualiter an die ESTV zurückzuweisen (Ziff. 3); der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Ziff. 4). Sodann stellt er verschiedene Ablehnungsbegehren (Ziff. 5 bis 7).
3
 
D.
 
Das Bundesgericht hat die Ausstandsbegehren mit Zwischenverfügung 2C_287/2018 vom 16. April 2018 teilweise abgewiesen und ist darauf teilweise nicht eingetreten. Am 18. April 2018 stellte der Steuerpflichtige ein weiteres Ausstandsgesuch. Auf dieses trat das Bundesgericht mit Zwischenverfügung 2C_287/2018 vom 7. Mai 2018 nicht ein.
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E.
 
Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]).
5
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unter Vorbehalt des Nachfolgenden zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83
6
1.2. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Nichteintretensentscheid. Dieser hat das Verfahren beendet, weshalb es sich um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG handelt (vgl. BGE 134 II 349 E. 1.3 und 1.4 S. 351 zu einer direktsteuerlichen Sicherstellungsverfügung nach dem Recht des Kantons Genf). In der Sache selbst geht es um den Bezug des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags (Art. 86 Abs. 2 ff. des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20]). Ein solcher entfaltet mit Blick auf das mehrwertsteuerliche Hauptsacheverfahren keine zwingende präjudizierende Wirkung, bleibt es der steuerpflichtigen Person doch unbenommen, aktiv zur Festsetzung der "endgültigen Steuerforderung" (so Art. 86 Abs. 7 Satz 1 MWSTG) beizutragen. Dementsprechend gehört der Bezug des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags verfahrensrechtlich dem Bereich der 
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1.3. Dies hat Auswirkungen auf die Prüfungsbefugnis: Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht, wozu das Mehrwertsteuerrecht zählt (Art. 130 BV), grundsätzlich von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 2.3 S. 23 f.) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236). Im Anwendungsbereich von Art. 98 BGG ist die Prüfungsbefugnis indes darauf beschränkt, ob der angefochtene Entscheid in verfassungsmässige Individualrechte der beschwerdeführenden Person eingreife. Im Unterschied zu Art. 95 lit. a BGG kann nicht jeder Verstoss gegen Verfassungsrecht gerügt werden, verschaffen doch nicht alle Verfassungsbestimmungen auch ein verfassungsmässiges Recht. Individualrechte verleihen die Grundrechte (Art. 7-33 BV), die politischen und Bürgerrechte (Art. 34 und 37 BV), ferner organisatorische Bestimmungen, die zugleich die Rechtsstellung der Einzelnen regeln, gleichsam auch die Rechte aus internationalen Menschenrechtskonventionen (HANSJÖRG SEILER, in: Hansjörg Seiler/Nicolas von Werdt/Andreas Güngerich/ Niklaus Oberholzer, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 17 ff. zu Art. 98 BGG; BERNARD CORBOZ, in: Bernard Corboz/Alain Wurzburger/ Pierre Ferrari/Jean-Maurice Frésard/Florence Aubry Girardin, Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 15 zu Art. 98 BGG).
8
1.4. Das Bundesgericht geht der angeblichen Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (unter Einschluss der Grundrechte) aber nur nach, falls eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit; BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286). In der Beschwerde ist daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 143 I 1 E. 1.4 S. 5).
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1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503).
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Erwägung 2
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob ein Einspracheentscheid der ESTV, den diese in Anwendung von Art. 86 Abs. 2 MWSTG erliess, ohne dass sie zuvor den provisorisch geschuldeten Steuerbetrag nach pflichtgemässem Ermessen zu schätzen hatte (Art. 86 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 5 MWSTG), entgegen Art. 86 Abs. 4 Satz 2 MWSTG an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen werden kann. Dabei ist zunächst die Rechtslage nach Landesrecht zu erörtern (E. 2.2 ff. und 3.2), ehe dem Konventionsrecht nachzugehen ist (hinten E. 3.3 ff.).
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Erwägung 2.2
 
2.2.1. Die mehrwertsteuerliche Inlandsteuer beruht auf dem Prinzip der (modifizierten) Selbstveranlagung (BGE 143 II 646 E. 2.2.1 S. 650). Die steuerpflichtige Person ist daher gehalten, gegenüber der ESTV innert 60 Tagen nach Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode unaufgefordert in der vorgeschriebenen Form über die Steuerforderung abzurechnen (Abrechnungspflicht; Art. 71 Abs. 1 MWSTG) und die Steuerforderung innerhalb derselben Frist zu begleichen (Zahlungspflicht; Art. 86 Abs. 1 MWSTG). Bei verspäteter Zahlung wird ohne Mahnung ein Verzugszins geschuldet (Art. 87 Abs. 1 MWSTG).
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2.2.2. Die Inlandsteuer wird jeweils für eine 
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2.2.3. Kommt die steuerpflichtige Person ihrer Zahlungspflicht (hinsichtlich der definitiven Steuerforderung, Zinsen, Kosten und Bussen) nicht oder nicht vollumfänglich nach, leitet die ESTV die (ordentliche) Betreibung ein und trifft sie alle zweckdienlichen zivil- und vollstreckungsrechtlichen Vorkehrungen (Art. 89 Abs. 1 MWSTG). Gegenstand dieser Vollstreckung ist die 
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2.2.4. Mit dem Mehrwertsteuerrecht von 2009 wurde die Betreibung des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags eingeführt (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 MWSTG). Inhalt dieser zeitnahen Vollstreckung, die aber eine Mahnung voraussetzt, ist nicht die Steuerforderung im technischen Sinn (verstanden als Differenz bzw. Produkt einer mathematischen Operation; Art. 36 Abs. 2 und Art. 37 Abs. 2 MWSTG), sondern der mutmassliche 
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1 Innert 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode hat die steuerpflichtige Person die in diesem Zeitraum entstandene Steuerforderung zu begleichen.
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2 Erbringt die steuerpflichtige Person keine oder eine offensichtlich ungenügende Zahlung, so setzt die ESTV den für die jeweilige Abrechnungsperiode provisorisch geschuldeten Steuerbetrag nach vorgängiger Mahnung in Betreibung. Liegt keine oder eine offensichtlich ungenügende Abrechnung der steuerpflichtigen Person vor, so bestimmt die ESTV den provisorisch geschuldeten Steuerbetrag vorgängig nach pflichtgemässem Ermessen.
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3 Durch Rechtsvorschlag eröffnet die steuerpflichtige Person das Verfahren um Rechtsöffnung. Für die Beseitigung des Rechtsvorschlages ist die ESTV im Verfügungs- und Einspracheverfahren zuständig.
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4 Die Verfügung betreffend den Rechtsvorschlag kann innert 10 Tagen nach der Eröffnung mit Einsprache bei der ESTV angefochten werden. Der Einspracheentscheid ist unter Vorbehalt von Abs. 5 endgültig.
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5 Hat die ESTV den in Betreibung gesetzten provisorisch geschuldeten Steuerbetrag nach pflichtgemässem Ermessen bestimmt, so kann gegen den Einspracheentscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde geführt werden. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Gericht ordne diese auf begründetes Ersuchen hin an. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig.
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6 Art. 85a SchKG ist nicht anwendbar.
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7 Der Einzug eines Steuerbetrags nach Abs. 2 berührt die Festsetzung nach den Art. 72, 78 und 82 der endgültigen Steuerforderung nicht. Unterbleibt die Festsetzung der Steuerforderung wegen Untätigkeit der steuerpflichtigen Person, insbesondere weil diese weder Mängel nach Art. 72 korrigiert noch eine Verfügung nach Art. 82 verlangt, so gelten mit Eintritt der Festsetzungsverjährung auch die von der ESTV nach Abs. 2 bestimmten Steuerbeträge als Steuerforderung.
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8 Anstelle einer Zahlung des Steuerbetrags kann die steuerpflichtige Person auch Sicherheiten gemäss Art. 93 Abs. 7 leisten.
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9 Unmittelbar nach Eingang der Zahlung oder der Sicherheitsleistung zieht die ESTV die Betreibung zurück."
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2.2.5. Der Bezug des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags findet zumindest direktsteuerlich kein entsprechendes Gegenstück und ist als präliminares 
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2.2.6. Der provisorische Charakter von Art. 86 Abs. 2 ff. MWSTG wird dadurch untermauert, dass die Einsprache gegen die "Betreibungsverfügung" (Art. 86 Abs. 3 Satz 2 MWSTG; dazu BAUMGARTNER/ CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10 N. 132) innerhalb einer Frist von lediglich zehn Tagen zu erklären und eine Beschwerde grundsätzlich ausgeschlossen ist (Art. 86 Abs. 4 Satz 1 und 2 MWSTG). Gegenstand des Einspracheverfahrens ist lediglich, ob der Rechtsvorschlag bundesrechtskonform beseitigt und der provisorisch geschuldete Steuerbetrag nach sachlichen Kriterien (zum Kriterium "more likely than not" 
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Erwägung 3
 
3.1. Streitbetroffen ist die Abrechnungsperiode des zweiten Semesters 2016. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 1.5) reichte der Steuerpflichtige die Abrechnung ein, wobei diese in eine Steuerforderung von Fr. 11'736.10 mündete. Nach erfolgloser Mahnung setzte die ESTV den ausstehenden Betrag in Betreibung und beseitigte sie den Rechtsvorschlag des Steuerpflichtigen durch Erlass einer Verfügung, welche sie mit einem Einspracheentscheid bestätigte (Art. 86 Abs. 2-4 MWSTG).
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3.2. Eine vorfrageweise (konkrete) Rechtsetzungskontrolle des Bundesgesetzes ist zwar nicht ausgeschlossen, doch herrscht ein Anwendungsgebot (Art. 190 BV; BGE 141 II 280 E. 9.2 S. 295 E. 9.2; 141 II 338 E. 3.1 S. 340). Der Steuerpflichtige macht weder geltend, Art. 86 MWSTG sei landesrechtswidrig ausgelegt und/oder angewendet worden, was nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte zu prüfen gewesen wäre (Art. 98 BGG; vorne E. 1.3), noch rügt er eine angebliche Verfassungswidrigkeit. Mangels einer derartigen Rüge erübrigt sich die Prüfung (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 1.4).
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Erwägung 3.3
 
3.3.1. Der Steuerpflichtige hält es indessen für konventionswidrig, dass ein Einspracheentscheid in der hier massgebenden Ausgestaltung (Art. 86 Abs. 4 Satz 2 MWSTG) vor keiner verwaltungsunabhängigen Gerichtsbehörde angefochten werden kann. Der Steuerpflichtige rügt eine Verletzung der Ansprüche aus Art. 6 Ziff. 1 (Recht auf ein faires Verfahren), Art. 8 Ziff. 1 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), Art. 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) und Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot). Was zunächst den Einwand betrifft, der angefochtene Entscheid verletzte Art. 8 Ziff. 1 EMRK (dazu BGE 142 I 195 E. 3.2 S. 200), begnügt der Steuerpflichtige sich mit dem blossen Hinweis auf die Norm, ohne seine Sichtweise auch nur ansatzweise zu erörtern. Die pauschale Bemerkung, der "Steuerbezug bzw. die Durchsetzung der Steuerschuld über die Zwangsvollstreckung [nehme] direkt in die Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt Einfluss", wie der Steuerpflichtige dies formuliert, vermag vor dem Hintergrund der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit von vornherein nicht zu bestehen (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 1.4).
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3.3.2. Hingegen bringt er in zwar knapper, aber vertretbarer Weise vor, einen Anspruch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu haben. Es liegt eine hinreichende Rüge ("grief défendable", "arguable claim") vor (Urteile des EGMR 
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3.3.3. Dieses Recht ist indessen nicht absolut. Es kann Einschränkungen unterworfen werfen, sofern und soweit es nicht geradezu in seinem Wesensgehalt ("dans sa substance même", "very essence of the right") betroffen wird (Urteile des EGMR 
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3.3.4. Grundvoraussetzung für dieses Recht auf Zugang zu einem Gericht ist damit, dass überhaupt eine zivilrechtliche Streitigkeit ("zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen") besteht. Die Auslegung des Konventionsrechts ist konventionsautonom vorzunehmen (BGE 137 I 284 E. 2.1 S. 288; OLIVIER BIGLER, in: Luc Gonin/Olivier Bigler, CEDH, Kommentar [nachfolgend: Comm. CEDH], 2018, N. 17 zu Art. 6 EMRK [volet civil]) und hat den Regeln von Art. 31 f. des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111) Rechnung zu tragen (BGE 139 I 16 E. 5.2.2 S. 30). Praxisgemäss gilt, dass der von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verwendete Begriff der "zivilrechtlichen" Ansprüche und Verpflichtungen ("droits et obligations de caractère civil" bzw. "civil rights") weiter greift als der Rechtsbegriff des Zivilrechts im Sinne des schweizerischen Rechts. Er bezieht sich nicht nur auf zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinn, sondern betrifft auch Verwaltungsakte einer hoheitlich handelnden Behörde, sofern diese massgeblich in Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur eingreift (Urteil des EGMR 
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3.3.5. Was abgaberechtliche Verpflichtungen betrifft, so liegen diese ständiger Praxis des EGMR zufolge ausserhalb des weiten Rahmens der "zivilrechtlichen Streitigkeit" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Vorbehältlich des abgaberechtlichen Strafrechts (Urteile des EGMR 
33
3.3.6. Der Steuerpflichtige will Art. 86 Abs. 2 ff. MWSTG dem Rechtsbegriff der "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" unterstellten. Er trägt vor, es liege hier, bei Lichte betrachtet, kein (abgaberechtliches) Veranlagungs- oder Nachsteuerverfahren, sondern gegenteils ein (zivilrechtliches) Vollstreckungsverfahren vor, das als solches von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erfasst werde. Dies äussere sich namentlich auch darin, dass Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen vor Bundesgericht mit der Beschwerde in Zivilsachen anfechtbar seien (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Dasselbe habe entsprechend für die Anwendungsfälle von Art. 86 Abs. 3 und 4 MWSTG zu gelten. Mit dieser Argumentation verficht er eine Zweiteilung, die darin besteht, dass das abgaberechtliche Veranlagungsverfahren zwar nicht, das abgaberechtliche Vollstreckungsverfahren (ebenso wie das Strafverfahren) aber durchaus unter Art. 6 Ziff. 1 EMRK falle.
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3.3.7. Für einen derartigen Dualismus finden sich in Praxis und Doktrin freilich keinerlei Anhaltspunkte. In Teilen der Lehre wird zwar die Meinung vertreten, die Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK erstrecke sich auch auf das Verfahren zur Vollstreckung einer Entscheidung über einen zivilrechtlichen Anspruch (CHRISTOPH GRABENWARTER/KATHARINA PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 24 N. 16 unter Bezugnahme auf das Urteil des EGMR 
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3.3.8. Hinzu kommt eine weitere Überlegung. Der Bezug des provisorisch geschuldeten Steuerbetrags hat landesrechtlich als vorsorgliche Massnahme zu gelten (vorne E. 2.2.5). Seit dem Urteil des EGMR 
36
3.3.9. Art. 86 Abs. 2 ff. MWSTG ist dem Bereich der Eingriffsverwaltung zuzuordnen. Wenn der Steuerpflichtige sich auf das Urteil des EGMR 
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3.3.10. Damit ergibt sich, dass Art. 86 Abs. 4 MWSTG mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist. Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.
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Erwägung 3.4
 
3.4.1. Der Steuerpflichtige sieht sich sodann in seinem konventionsrechtlichen Anspruch auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK; "droit à un recours effectiv", "right to an effective remedy") verletzt. Dieser Norm zufolge hat jede Person, die in ihren konventionsmässig anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine 
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3.4.2. Der Anspruch auf eine wirksame Beschwerde ist 
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3.4.3. Nach dem Gesagten verstösst Art. 86 Abs. 4 MWSTG - mangels Vorliegens zivilrechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen - nicht gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Der Steuerpflichtige beruft sich, wie schon vor Bundesverwaltungsgericht, auf Art. 13 EMRK. Die Vorinstanz hat das Vorliegen einer genügenden Rüge verneint. Der Steuerpflichtige hätte vor Bundesgericht aufzuzeigen gehabt, dass er in vertretbarer Weise die Verletzung eines Konventionsrechts geltend gemacht habe, was er aber unterlässt. Seine ausserordentlich knappen Darlegungen erfolgen in völlig ungenügender Form (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 1.4). Die Rüge ist nicht zu hören.
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3.5. Der Steuerpflichtige ruft schliesslich Art. 14 EMRK als verletzt an. Auch hierzu fehlt eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid. Es kann daher mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass auch das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot 
42
3.6. Damit erweist die Beschwerde sich als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.
43
 
Erwägung 4
 
4.1. Mit dem vorliegenden Entscheid wird das Gesuch um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG) gegenstandslos.
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4.2. Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen. Einzubeziehen sind die Kosten der Zwischenverfügungen vom 16. April 2018 (Abweisung) und 7. Mai 2018 (Nichteintreten), in welchen der Steuerpflichtige mit seinen Ausstandsgesuchen nicht durchdrang (Sachverhalt, lit. D).
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4.3. Der Eidgenössischen Steuerverwaltung, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).
46
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. September 2018
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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