VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8C_381/2018  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8C_381/2018 vom 05.11.2018
 
 
8C_381/2018
 
 
Urteil vom 5. November 2018
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Christos Antoniadis,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
AXA Versicherungen AG,
 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. März 2018 (UV.2016.00154).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1962, arbeitete seit 27 Jahren bei der B.________ und beabsichtigte, am 1. Oktober 2010 eine Stelle als Leiter Sicherheit im Zentrum C.________ anzutreten. Am 9. Juli 2010 zog er sich bei einem Motorradunfall (Kollision mit einem abbiegenden Personenwagen) eine Beckenringverletzung, eine Fraktur des fünften Halswirbelkörpers, eine Lungenkontusion sowie eine offene Nasenbeinfraktur zu. Die AXA Versicherungen AG (nachfolgend: AXA) erbrachte als Unfallversicherer die gesetzlichen Leistungen. A.________ konnte am 17. Januar 2011 mit einem Arbeitsversuch beim neuen Arbeitgeber beginnen und steigerte seine Arbeitstätigkeit bis auf ein 80%-Pensum. Gestützt auf ein Gutachten der Stelle für interdisziplinäre Begutachtungen D.________ vom 20. März 2014 schloss die AXA den Fall mit Verfügung vom 15. Dezember 2014 und Einspracheentscheid vom 20. Mai 2016 ab und sprach A.________ ab dem 1. Juli 2014 bis zum 31. Juli 2017 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 10 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 20 % zu.
1
B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. März 2018 nach Durchführung einer Parteiverhandlung teilweise gut und änderte den Einspracheentscheid vom 20. Mai 2016 dahingehend ab, als sie A.________ über den 31. Juli 2014 hinaus Heilbehandlung in Form von Physiotherapie bis höchstens zwei Mal pro Woche sowie eine unbefristete Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 10 % zusprach.
2
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es seien ihm die gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 22 % zuzusprechen. Eventualiter ersucht er um Rückweisung an die Vorinstanz beziehungsweise an die AXA zu weiteren Abklärungen, das heisst zur Befragung von Zeugen zum zumutbaren zeitlichen Pensum an seinem Arbeitsplatz.
3
Die AXA lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
4
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
5
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
6
2. Streitig ist, ob die vom kantonalen Gericht geschützte Bemessung des Invaliditätsgrades auf 10 % rechtens ist oder ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine höhere Rente für einen Invaliditätsgrad von 22 % beanspruchen kann. In Frage stehen dabei insbesondere die der Ermittlung des Invaliditätsgrades zugrunde liegende Arbeitsfähigkeit sowie das Valideneinkommen.
7
3. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf eine Invalidenrente nach Art. 18 Abs. 1 UVG, zur Ermittlung des Invaliditätsgrades durch einen Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG; BGE 128 V 29 E. 1 S. 30) beziehungsweise insbesondere durch einen Prozentvergleich (BGE 114 V 310 E. 3a S. 312 f.) sowie zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
8
4. Die Vorinstanz hielt nach Wiedergabe der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte sowie der von der AXA beauftragten Gutachter fest, dass der Heilungsverlauf nach dem Motorradunfall vom 9. Juli 2010 zu Beginn zwar (zuerst wegen eines Bruchs, danach wegen einer Lockerung des im Becken einge- und ersetzten Osteosynthesematerials) protrahiert, insgesamt aber günstig gewesen sei. Anfang 2011 sei der Versicherte an der neuen Stelle mit einem Pensum von 50 % wieder arbeitsfähig, wenn auch noch nicht für alle Aufgaben einsatzfähig gewesen. Ab März 2013 habe er als Sicherheitsbeauftragter ein 80%-Pensum versehen. Gestützt auf die Einschätzung der Gutachter der Begutachtungsstelle D.________ sei diese dem Leiden angepasste Tätigkeit auch ganztägig, mit einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit um 10 % für zusätzliche Pausen und Positionswechsel, zumutbar. Das kantonale Gericht schützte den von der AXA mit Hilfe eines Prozentvergleichs ermittelten Invaliditätsgrad von 10 %.
9
5. Den Einwand des Beschwerdeführers, dass er lediglich ein Pensum von 80 % versehen könne, entkräftete das kantonale Gericht mit der Begründung, die Einschätzung der Gutachter der Begutachtungsstelle D.________ sei mit Blick auf den günstigen Heilverlauf und die noch erhobenen Befunde nachvollziehbar. Sie hätten nicht nur die geklagten lumbosakralen Beschwerden, sondern auch die muskuläre Symptomatik in den Oberschenkeln berücksichtigt, obwohl sich dafür kein organisch-strukturelles Korrelat habe finden lassen. Das kantonale Gericht folgte der Auffassung der Gutachter, dass die dadurch bedingte verminderte Belastbarkeit bei einer wechselbelastenden, körperlich höchstens mittelschweren Tätigkeit und insbesondere auch im aktuell ausgeübten Beruf als Leiter Sicherheit die Arbeitsfähigkeit nur insoweit einschränke, als vermehrte Pausen und Positionswechsel erforderlich seien. Mit dem kurz gehaltenen Schreiben des behandelnden Arztes Prof. Dr. med. E.________, Spital F.________, vom 14. August 2014 und der darin erwähnten Zunahme der muskulären Beschwerden nach der zwischenzeitlich erfolgten Steigerung des Arbeitspensums von 80 auf 90 % lässt sich der Nachweis einer höheren Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen. Sein Zweck bestand vielmehr gerade darin, den Bedarf an weiteren Physiotherapiesitzungen zu begründen, nachdem die AXA damals in Aussicht gestellt hatte, die Übernahme weiterer Heilbehandlung abzulehnen. Spätere, von der Einschätzung der Gutachter der Begutachtungsstelle D.________ abweichende Stellungnahmen zur Arbeitsfähigkeit liegen nicht vor. Das kantonale Gericht durfte daher bundesrechtskonform darauf abstellen.
10
Der Beschwerdeführer rügt, dass die Verhältnisse am Arbeitsplatz, den der Arbeitgeber optimal angepasst habe an das ihm damals gemäss dem behandelnden Arzt zumutbare 80%-Pensum, nicht weiter abgeklärt worden seien. Seine Ausführungen lassen jedoch nicht erkennen, welche Erkenntnisse daraus zu gewinnen wären. Insbesondere wird nicht dargelegt, inwiefern das aktuelle Stellenprofil beziehungsweise die heute tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht derjenigen entspräche, welche er auch ohne Unfall verrichten würde, oder welche zusätzlichen, in einem ursprünglichen Stellenprofil und im 100%-Pensum vorgesehene Arbeiten er wegen der Unfallfolgen nicht zu bewältigen in der Lage wäre. Dass die Vorinstanz auf diesbezügliche Weiterungen verzichtet hat, ist nicht bundesrechtswidrig.
11
6. Beanstandet werden auch die vorinstanzlichen Feststellungen zu den erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er ohne Unfall eine bessere Lohnentwicklung hätte erreichen können. Den Akten ist zu entnehmen, dass mit Anstellungsverfügung vom 14. Juni 2010, datierend vor dem Unfall, ab dem 1. Oktober 2010 befristet bis zum 30. Juni 2011 eine Beschäftigung als Leiter Sicherheit und die Einreihung in Lohnklasse 16 mit einem Lohn von 103'428 Franken vorgesehen war. Gemäss Verfügung vom 2. April 2012, mit der die Anstellung bis zum 30. Juni 2013 verlängert wurde, belief sich der Lohn für ein 100%-Pensum wie bereits im Vorjahr auf 104'257 Franken. Am 1. Juli 2013 wurde der Beschwerdeführer unbefristet angestellt und in Lohnklasse 17 befördert. Der Lohn belief sich für ein 100%-Pensum auf 110'984 Franken (Verfügung vom 22. Mai 2013). Mit den Verfügungen vom 23. Oktober und 17. November 2015 wurden ihm ab dem 1. Januar 2015 für die Erweiterung des Aufgabengebiets und der Führungsfunktion beziehungsweise aufgrund der Neuorganisation im Zentrum C.________ bis auf Widerruf Zulagen von jährlich insgesamt 9'456 Franken zugesprochen (440 beziehungsweise 348 Franken pro Monat). Des Weiteren erhielt er für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015 einen Differenzausgleich von 5'280 Franken für ein 100%-Pensum (beziehungsweise 4'184 Franken für das 80%-Pensum), mit dem rückwirkend die Übernahme der neuen Funktion berücksichtigt wurde (Verfügung vom 10. April 2017). Damit ist ab dem 1. Januar 2015 von einem Lohn von 125'670 Franken für ein 100%-Pensum auszugehen. Ab dem 1. Januar 2016 erfolgte gemäss Verfügung vom 8. September 2016 eine Beförderung in Lohnklasse 18 mit einem Lohn von 116'214 Franken für ein 100%-Pensum. Mit den erwähnten Zulagen belief sich die Entlöhung damit weiterhin auf 125'670 Franken für ein 100%-Pensum.
12
Dass der Beschwerdeführer wegen des Unfalls statt im Jahr 2012 erst 2013 in Lohnklasse 17 befördert worden sei, erachtete die Vorinstanz mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht als überwiegend wahrscheinlich. Der Umbau des Zentrums C.________ habe sich massiv verzögert und die auf den Beschwerdeführer zugeschnittene Arbeitsstelle als Leiter Sicherheitsdienst sei dementsprechend später realisiert worden. Für die Lohnerhöhungen seien demnach betriebliche Gründe ausschlaggebend gewesen, die unabhängig vom Gesundheitszustand des Beschwerdeführers hätten abgewartet werden müssen. Inwiefern diese Erwägungen unrichtig wären, wird beschwerdeweise nicht geltend gemacht und ist auch nach Lage der Akten nicht erkennbar. Der Vorgesetzte des Beschwerdeführers erwähnte anlässlich von Besprechungen vom 21. April 2011 und 21. März 2012, dass sich die Bewilligung sowohl der baulichen Erweiterung des Zentrums C.________ als auch der Festanstellung (verbunden mit einer lohnmässigen Beförderung) verzögert habe. Im Übrigen finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer als Gesunder eine bessere finanzielle Karriere als die dargelegte Lohnentwicklung (von 103'428 Franken bei Stellenantritt im Oktober 2010 bis auf 125'670 Franken im Jahr 2016) hätte machen können. Daran vermag auch das Schreiben des Arbeitgebers vom 18. September 2014 aufgrund seiner ausdrücklichen Bezugnahme auf die Festanstellung und die gute bis sehr gute Leistungsbeurteilung nichts zu ändern. Folglich bleibt es bei der Annahme des jeweils gleichen Lohnniveaus im Gesundheitsfall wie auch unter Berücksichtigung der Gesundheitsschädigung, womit die vorinstanzliche Bestätigung des Prozentvergleichs der AXA mit Beachtung einer Einbusse um 10 % und entsprechendem Invaliditätsgrad als bundesrechtskonform zu bestätigen ist.
13
7. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
14
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 5. November 2018
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).