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Informationen zum Dokument  BGer 1C_321/2018  Materielle Begründung
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BGer 1C_321/2018 vom 27.11.2018
 
 
1C_321/2018
 
 
Urteil vom 27. November 2018
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Schoch.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Huber,
 
gegen
 
Verkehrsamt des Kantons Schwyz,
 
Gegenstand
 
Führerausweisentzug,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz,
 
Kammer III, vom 30. Mai 2018 (III 2018 62).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.________ ging am 8. März 2016 zu seinem Fahrzeug, welches auf einem Parkplatz an der Churerstrasse vor dem Restaurant "La Cucaracha" in Pfäffikon (SZ) stand. Dabei bemerkte er, dass sich die mit ihrem Mobiltelefon beschäftigte B.________ in der Nähe befand. A.________ sagte zu ihr, sie solle zur Seite gehen, stieg in sein Fahrzeug ein und fuhr rückwärts aus dem Parkplatz heraus. Zwei Tage später erschien B.________ auf dem Polizeiposten Siebnen und machte geltend, A.________ habe sie bei diesem Manöver berührt.
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Am 30. Januar 2018 sprach das Bezirksgericht Höfe A.________ aufgrund des Vorfalls vom 8. März 2016 der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügende Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer beim Rückwärtsfahren schuldig.
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Das Verkehrsamt des Kantons Schwyz beurteilte das betreffende Verhalten als mittelschwere Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz und ordnete deswegen am 28. März 2018 einen Führerausweisentzug für einen Monat gegenüber A.________ an.
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B.
 
Die Beschwerde von A.________ gegen die Administrativmassnahme des Verkehrsamts wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 30. Mai 2018 ab.
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C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht beantragt A.________ die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids.
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Das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund liegt nicht vor (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist als Inhaber des Führerausweises und direkter Adressat des angefochtenen Entscheids gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt, weshalb - unter Vorbehalt der folgenden Erwägung - auf die Beschwerde einzutreten ist.
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1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung können nur gerügt werden, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und für den Verfahrensausgang entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG). Bei der Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt ferner nicht der in Art. 106 Abs. 1 BGG verankerte Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen, sondern das strenge Rügeprinzip für Grundrechte; eine entsprechende Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 140 III 264 E. 2.3 S. 266; je mit Hinweisen).
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Die vorliegende Beschwerde enthält zwar eine eigene Sachverhaltsdarstellung, welche teilweise von den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheids abweicht und der Beschwerdeführer beanstandet verschiedentlich die vorinstanzliche Beweiswürdigung. In der Beschwerdeschrift ist jedoch weder eine ausdrückliche Willkürrüge zu finden noch legt er darin substantiiert dar, inwiefern der angefochtene Entscheid gegen das Willkürverbot verstösst. Auf die betreffenden Vorbringen ist deshalb nicht einzutreten.
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Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verletzte Art. 16a-c SVG in Verbindung mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 BV). Er habe nur eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen und ihm könne auch nur ein sehr leichtes Verschulden vorgeworfen werden. Deshalb handle es sich lediglich um eine leichte Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsregeln im Sinne von Art. 16a SVG.
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2.2. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG).
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Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Nach der Rechtsprechung sind diese Voraussetzungen kumulativ (BGE 135 II 138 E. 2.2.3 S. 141 f. mit Hinweisen).
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Gemäss Art. 16b SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a). Die mittelschwere Widerhandlung stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (BGE 136 II 447 E. 3.2 S. 452 mit Hinweisen).
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2.3. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe der in der Nähe des Fahrzeugs stehenden Frau beim Vorbeilaufen gesagt, sie solle weggehen und sei anschliessend davon ausgegangen, dass sie dieser Aufforderung Folge geleistet habe. Darauf sei er eingestiegen, habe in den linken Seitenspiegel geschaut und sei rückwärts losgefahren. Der Beschwerdeführer könne sich nicht mehr erinnern, ob er vorher auch in den Rückspiegel geschaut habe. Obwohl sein Fahrzeug mit einer Rückfahrkamera ausgestattet sei, mache er nicht geltend, diese benutzt zu haben. Unter den genannten Umständen sei insgesamt von einer erhöhten abstrakten Gefahr auszugehen. Weil der Beschwerdeführer sich vor dem Fahrmanöver nicht hinreichend vergewissert habe, ob die mit ihrem Mobiltelefon beschäftigte Frau sich aus dem Gefahrenbereich entfernt habe, habe er damit in Kauf genommen, diese zu berühren. Daher wiege sein Verschulden nicht leicht. Ein solches Verhalten dürfe nicht bagatellisiert werden.
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2.4. Der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt (Art. 36 Abs. 4 SVG). Nach Art. 17 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) hat der Fahrzeugführer sich vor dem Wegfahren zu vergewissern, dass er keine Kinder oder andere Strassenbenützer gefährdet (Satz 1). Bei Fahrzeugen mit beschränkter Sicht nach hinten ist zum Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beizuziehen, wenn nicht jede Gefahr ausgeschlossen ist (Satz 2).
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Der Beschwerdeführer hat diese Verkehrsregeln unbestrittenermassen verletzt. Unabhängig davon, ob es dabei zu einer Berührung mit der sich in der Nähe aufhaltenden Frau gekommen ist, hat er mit seinem Fahrmanöver zudem zumindest in Kauf genommen, eine Gefahr für deren Sicherheit und diejenige weiterer Strassenbenützer hervorzurufen. Insbesondere weil diese Gefahr durch die Benutzung seiner Rückfahrkamera mit geringem Aufwand hätte vermieden werden können, zeugt sein Verhalten sodann von einer vergleichsweise grossen Rücksichtslosigkeit. Daher ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz sein Verschulden als nicht mehr leicht beurteilte. Von untergeordneter Bedeutung ist bei dieser Sachlage, ob der Beschwerdeführer vor dem Wegfahren auch in den Rückspiegel geschaut hat. Somit sind nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG gegeben, weshalb eine mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG anzunehmen ist. Ob die vom Beschwerdeführer in Kauf genommene Gefahr nicht mehr als gering erscheint, kann offen bleiben.
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Aus seinem Vorbringen, aufgrund seines tadellosen Leumunds sei von der Anordnung einer Massnahme abzusehen, kann der Beschwerdeführer ferner nichts zu seinen Gunsten ableiten. So sind die Umstände des Einzelfalls gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG zwar zu berücksichtigen, die Mindestentzugsdauer darf dabei aber nicht unterschritten werden. Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) kommt in diesem Zusammenhang im Übrigen keine über die Bestimmungen des SVG hinausgehende Bedeutung zu. Mit seiner Gesetzmässigkeit erweist sich der angeordnete Warnungsentzug zugleich als geeignet, notwendig und für den Beschwerdeführer zumutbar, um das Ziel der Verkehrssicherheit zu erreichen (vgl. zum Verhältnismässigkeitsprinzip BGE 140 II 194 E. 5.8.2 S. 199 f.; zum Zweck des Warnungsentzugs BGE 141 II 220 E. 3.1.2 S. 224; je mit Hinweisen).
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Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht.
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Erwägung 3
 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verkehrsamt des Kantons Schwyz, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. November 2018
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Merkli
 
Der Gerichtsschreiber: Schoch
 
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