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Informationen zum Dokument  BGer 9C_34/2018  Materielle Begründung
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BGer 9C_34/2018 vom 04.12.2018
 
 
9C_34/2018
 
 
Urteil vom 4. Dezember 2018
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Attinger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Hübner,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung
 
(Rentenrückerstattung; Verwirkung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 9. Oktober 2017 (IV.2016.01189).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Mit Verfügung vom 17. März 2008 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem 1961 geborenen A.________ ab 1. August 2006 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene Beschwerde in dem Sinne gut, als es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache zur ergänzenden Abklärung an die Verwaltung zurückwies (Entscheid vom 28. Oktober 2008). Die monatliche Auszahlung der Viertelsrente lief weiter bis zur formlosen Einstellung per Ende März 2013. In der Folge sprach die IV-Stelle dem Versicherten mit Verfügungen vom 26. September 2016 von August 2006 bis Januar 2007 und von August 2012 bis März 2013 eine ganze Invalidenrente (einschliesslich Kinderrenten) zu und bestimmte die entsprechenden Nachzahlungsbeträge. In einer dritten Verfügung vom selben Datum (angezeigt bereits mit Vorbescheid vom 13. April 2016) verrechnete die IV-Stelle nachzuzahlende mit unrechtmässig bezogenen Renten und forderte einen Differenzbetrag von Fr. 22'363.- von A.________ zurück.
1
B. Das Sozialversicherungsgericht hiess die gegen sämtliche drei Verfügungen vom 26. September 2016 erhobene Beschwerde teilweise gut (Entscheid vom 9. Oktober 2017). Es änderte die angefochtenen Verwaltungsakte dahingehend ab, als den Rentennachzahlungen von gesamthaft Fr. 38'547.- (Fr. 20'052.- + Fr. 18'495.-) ein noch nicht verwirkter Rückerstattungsbetrag von Fr. 14'715.- gegenüberstehe, woraus ein Nachzahlungsanspruch des A.________ in Höhe von Fr. 23'832.- resultiere (Dispositiv-Ziff. 1 des vorinstanzlichen Entscheids).
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C. Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Bestätigung der Verfügung (recte: Verfügungen) vom 26. September 2016. Überdies sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherungen dazu nicht vernehmen lassen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten (Art. 25 Abs. 1 erster Satz ATSG [SR 830.1]). Gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG erlischt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei den genannten Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen (BGE 142 V 20 E. 3.2.2 S. 24; 140 V 521 E. 2.1 S. 525 mit Hinweisen). Im Invalidenversicherungsrecht werden die relative einjährige und die absolute fünfjährige Verwirkungsfrist durch den Erlass eines Vorbescheids im Sinne von Art. 73bis IVV (SR 831.201) gewahrt (BGE 119 V 431 E. 3c S. 434; SVR 2011 IV Nr. 52 S. 155, 8C_699/2010 E. 2). Die Frist von fünf Jahren beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die Leistung effektiv erbracht worden ist, und nicht etwa mit dem Datum, an welchem sie hätte erbracht werden sollen (BGE 112 V 180 E. 4a in fine S. 182; SVR 2010 ALV Nr. 4 S. 9, 8C_616/2009 E. 3.2 in fine; Sylvie Pétremand, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 96 zu Art. 25 ATSG).
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1.2. Nach Art. 50 Abs. 2 IVG findet für die Verrechnung Art. 20 Abs. 2 AHVG sinngemäss Anwendung. Gemäss dieser Bestimmung können mit Leistungen u.a. Forderungen aufgrund des IVG verrechnet werden (lit. a). Eine zeitliche Kongruenz der gegenseitigen Forderungen in dem Sinne, dass diese den gleichen Zeitraum beschlagen müssen, wird nicht verlangt. Wesentlich für die Zulässigkeit der Verrechnung ist somit nicht, dass Forderung und Gegenforderung im gleichen Zeitpunkt entstanden sind, sondern dass beide im Zeitpunkt der Verrechnung fällig sind (BGE 140 V 233 E. 3.2 in fine S. 235; 125 V 317 E. 4a S. 320). Die Verrechnung von Forderungen kann sich sowohl auf laufende Renten der ersatzpflichtigen Person beziehen wie auch auf Rentennachzahlungen (BGE 138 V 402 E. 4.2 S. 405; 136 V 286 E. 4.1 S. 288).
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2. Unter den Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner die - wie sich nachträglich zeigte - von Februar 2007 bis Juli 2012 zu Unrecht bezogene Viertelsrente an sich vollumfänglich zurückzuerstatten bzw. deren (teilweise) Verrechnung mit der nachzuzahlenden ganzen Invalidenrente zu gewärtigen hätte. Die Nichteinhaltung der einjährigen Verwirkungsfrist wird von keiner Seite geltend gemacht. Streitig ist hingegen, ob und inwieweit die Rückforderung der IV-Stelle zufolge Ablaufs der Fünfjahresfrist bereits verwirkt war, als der Vorbescheid vom 13. April 2016 erging.
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2.1. Das kantonale Gericht ermittelte für die Zeiträume von August 2006 bis Januar 2007 und August 2012 bis März 2013 die Differenzbetreffnisse zwischen der dem Versicherten tatsächlich zustehenden ganzen Invalidenrente und der seinerzeit ausgerichteten Viertelsrente. Den daraus resultierenden Nachzahlungsbetrag von insgesamt Fr. 38'547.- (Fr. 20'052.- + Fr. 18'495.-) verrechnete die Vorinstanz mit der vom Beschwerdegegner von Mai 2011 bis Juli 2012 unrechtmässig bezogenen Viertelsrente (total Fr. 14'715.- berücksichtigt), was einen Nachzahlungsanspruch des Versicherten in Höhe von Fr. 23'832.- ergebe. Die von Februar 2007 bis April 2011 zu Unrecht ausgerichtete Viertelsrente könne hingegen zufolge Verwirkung nicht zurückgefordert und deshalb mit dem genannten Nachzahlungsanspruch auch nicht verrechnet werden. Das Vorgehen des kantonalen Gerichts ist rechtens und bedarf nur insofern der Korrektur, als es die von Mai bis August 2011 für den Sohn B.________ bezogene Kinderrente (total Fr. 872.-) versehentlich nicht zur Verrechnung brachte, wie die IV-Stelle zutreffend geltend macht. Dies vermindert den Nachzahlungsanspruch des Beschwerdegegners auf insgesamt Fr. 22'960.-.
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2.2. Sämtliche übrigen Einwendungen der beschwerdeführenden IV-Stelle vermögen daran nichts zu ändern. Entgegen ihrer Auffassung beschränken die Abs. 1 und 2 von Art. 25 ATSG die Rückforderung keineswegs auf 
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3. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit dem heutigen Urteil gegenstandslos.
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4. Ausgangsgemäss hat die beschwerdeführende IV-Stelle die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Das geringfügige Obsiegen der Beschwerdeführerin bildet weder Anlass für eine andere Verteilung der Gerichtskosten noch für eine Reduktion der Parteientschädigung. Deren Höhe richtet sich - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners - nicht nach dem Streitwert (Art. 68 Abs. 2 BGG; Art. 6 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006 [SR 173.110.210.3]).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Oktober 2017 und die Verfügungen der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 26. September 2016 werden insoweit abgeändert, als bei Rentennachzahlungen von insgesamt Fr. 38'547.- und einer noch nicht verwirkten Rückforderung von Fr. 15'587.- ein Nachzahlungsanspruch des Beschwerdegegners von Fr. 22'960.- resultiert. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 4. Dezember 2018
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Attinger
 
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