Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Bearbeitung, zuletzt am 11.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 1G_1/2022 vom 03.02.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
1G_1/2022
 
 
Urteil vom 3. Februar 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichter Chaix,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiber Pfäffli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin
 
Kathrin Gruber
 
Gesuchsteller,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern,
 
Nordring 8, 3013 Bern,
 
Obergericht des Kantons Bern,
 
Beschwerdekammer in Strafsachen,
 
Gegenstand
 
Erläuterungsgesuch betreffend die Verfügung
 
1B_499/2021 des Schweizerischen Bundesgerichts vom
 
19. November 2021 (Beschluss BK 21 397).
 
 
 
Erwägung 1
 
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte am 26. Januar 2006 A.________ wegen Mordes, versuchter Vergewaltigung und Hausfriedensbruchs zu 19 Jahren Zuchthaus und 15 Jahren Landesverweisung.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern stellte am 19. Januar 2021 beim Obergericht des Kantons Bern das Gesuch um Revision und Aufhebung des Strafurteils sowie um Rückweisung an das Regionalgericht Bern-Mittelland zur nachträglichen Anordnung der Verwahrung sowie eventualiter einer stationären Massnahme. Das Obergericht hiess das Revisionsgesuch am 18. Mai 2021 gut, hob das Strafurteil betreffend die Nichtanordnung einer Massnahme auf und wies das Verfahren zur Prüfung der nachträglichen Verwahrung, eventualiter einer stationären Massnahme an das Regionalgericht Bern-Mittelland zurück. Dagegen erhob A.________ Beschwerde in Strafsachen (Verfahren 6B_698/2021).
 
Erwägung 2
 
Das Regionalgericht Bern-Mittelland beantragte am 31. Mai 2021 die Anordnung von Sicherheitshaft. Das Kantonale Zwangsmassnahmengericht ordnete mit Entscheid vom 2. Juni 2021 die Sicherheitshaft, befristet bis zum 4. Dezember 2021, an. Der Verurteilte wurde ab dem Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Strafvollzug (Strafende per 5. Juni 2021) direkt in Sicherheitshaft versetzt. Mit Entscheid vom 18. August 2021 wies das Zwangsmassnahmengericht ein Haftentlassungsgesuch von A.________ ab. Dagegen erhob A.________ am 30. August 2021 Beschwerde, welche die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern mit Beschluss vom 15. September 2021 abwies. A.________ erhob dagegen mit Eingabe vom 30. September 2021 Beschwerde in Strafsachen.
Das Bundesgericht hiess mit Urteil 6B_698/2021 vom 1. Oktober 2021 die Beschwerde von A.________ gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 18. Mai 2021 gut. Es hob den Beschluss auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurück. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 teilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern dem Bundesgericht mit, dass A.________ aufgrund des bundesgerichtlichen Urteils vom 1. Oktober 2021 mit Verfügung des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 14. Oktober 2021 aus der Sicherheitshaft entlassen worden sei. Das Verfahren sei als gegenstandslos geworden abzuschreiben. A.________ ersuchte mit Schreiben vom 25. Oktober 2021 ebenfalls um Verfahrensabschreibung infolge Gegenstandslosigkeit unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons Bern.
Mit Verfügung 1B_499/2021 vom 19. November 2021 schrieb das Bundesgericht das Verfahren als gegenstandslos geworden ab, erhob keine Kosten und verpflichtete den Kanton Bern, der Anwältin des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten.
 
Erwägung 3
 
A.________ gelangte mit Eingabe vom 17. Januar 2022 an das Bundesgericht und beantragte im Rahmen eines Erläuterungs- und Berichtigungsgesuchs gemäss Art. 129 BGG, dass die Kosten des kantonalen Verfahrens analog dem Verfahren 6B_698/2021 geregelt werden. Die bundesgerichtliche Abschreibungsverfügung habe sich zur Kostenregelung im kantonalen Verfahren nicht geäussert.
 
Erwägung 4
 
Gemäss Art. 129 Abs. 1 BGG nimmt das Bundesgericht die Erläuterung oder Berichtigung vor, wenn das Dispositiv eines bundesgerichtlichen Entscheids unklar, unvollständig oder zweideutig ist, seine Bestimmungen untereinander oder mit der Begründung im Widerspruch stehen oder es Redaktions- oder Rechnungsfehler enthält.
4.1. Gemäss Art. 32 Abs. 2 BGG entscheidet der Einzelrichter über die Abschreibung von Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit, Rückzugs oder Vergleichs. Gleichzeitig befindet er über die Gerichtskosten und eine allfällige Parteientschädigung, im Falle der Gegenstandslosigkeit aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds (Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 72 BZP). Im hier zugrunde liegenden Verfahren hat der Abteilungspräsident als Einzelrichter ausgeführt, dass aufgrund des bundesgerichtlichen Urteils 6B_698/2021 vom 1. Oktober 2021 der Grund für die Sicherheitshaft weggefallen sei. Dadurch sei der Kanton Bern grundsätzlich kostenpflichtig geworden. Entsprechend verpflichtete der Abteilungspräsident den Kanton Bern, der Anwältin des Beschwerdeführers eine Entschädigung auszurichten.
4.2. Zur Kostenverlegung des kantonalen Verfahrens äusserte sich die Abschreibungsverfügung nicht, und zwar bewusst, und nicht aus Versehen. Dies beruht darauf, dass gemäss Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG das Bundesgericht die Kosten des vorangegangenen Verfahrens nur modifizieren kann, wenn es auch den angefochtenen Entscheid abändert, was bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens gerade nicht der Fall ist (Urteil 1G_3/2019 vom 15. August 2019 mit weiteren Hinweisen). Es bleibt Sache des Obergerichts zu prüfen, ob es aufgrund des bundesgerichtlichen Urteils 6B_698/2021 vom 1. Oktober 2021 die Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens neu regeln kann.
4.3. Nach dem Gesagten besteht kein Anlass, die Verfügung vom 19. November 2021 zu erläutern oder zu berichtigen. Das Gesuch ist deshalb abzuweisen. Auf eine Kostenauflage ist zu verzichten.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Das Erläuterungs- und Berichtigungsbegehren wird abgewiesen.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird dem Gesuchsteller, der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Februar 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Der Gerichtsschreiber: Pfäffli