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BGer 5A_461/2021 vom 07.04.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
5A_461/2021
 
 
Urteil vom 7. April 2022
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Monn.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Wohnlich,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt David Ackermann,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
vorsorgliche Massnahmen (Persönlichkeitsschutz),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
 
des Kantons Thurgau vom 20. April 2021 (ZBS.2021.7).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Die Konkubinatspartner A.A.________ und B.________ zogen am 1. April 2020 in eine gemeinsame Wohnung in U.________ (TG). Am 10. April 2020 kam ihre gemeinsame Tochter C.A.________ zur Welt. Am 19. August 2020 verliess B.________ die Wohnung und zog zu ihrem Vater nach V.________ (TG). Am 30. September 2020 verbot die Kantonspolizei Thurgau A.A.________ gestützt auf § 56 ff. des Polizeigesetzes des Kantons Thurgau (RB 551.1) den Kontakt zu B.________.
A.b. Mit Gesuch vom 1. Oktober 2020 gelangte B.________ an das Bezirksgericht Münchwilen und beantragte die Verlängerung des Kontaktverbots. Gleichentags verlängerte der Einzelrichter des Bezirksgerichts das Kontaktverbot bis zur rechtskräftigen Erledigung des zivilrechtlichen Verfahrens. Ausserdem setzte er A.A.________ Frist bis zum 23. Oktober 2020, um eine allfällige Stellungnahme einzureichen. Nach durchgeführtem Schriftenwechsel verbot der Einzelrichter am 9. Februar 2021 A.A.________, mit B.________ in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen; ferner wurde A.A.________ untersagt, sich im Umkreis von 50 Metern zur Wohnung von B.________ aufzuhalten. Die Verbote wurden mit der Strafandrohung nach Art. 292 StGB verknüpft. Schliesslich setzte der Einzelrichter B.________ Frist bis zum 8. Mai 2021, um die Klage in der Hauptsache einzureichen.
A.c. Gegen den Entscheid des Einzelrichters erhob A.A.________ am 22. Februar 2021 "Beschwerde" beim Obergericht des Kantons Thurgau und beantragte, es seien der angefochtene Entscheid sowie das bestehende Kontakt- und Rayonverbot mit sofortiger Wirkung aufzuheben; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung mit "Offizialanwalt". Das Obergericht nahm die Eingabe als Berufung entgegen und hiess diese mit Entscheid vom 20. April 2021 teilweise gut (Dispositiv-Ziff. 1). Neu umschrieb das Obergericht das Kontaktverbot wie folgt (Dispositiv-Ziff. 2) : "[A.A.________] wird verboten, mit [B.________] in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Wenn er mit ihr zwingend Kontakt aufnehmen muss, um den persönlichen Verkehr mit dem gemeinsamen Kind, C.A.________, geboren 10. April 2020, zu koordinieren, gilt das Verbot der Kontaktaufnahme nicht. Der Kontakt ist aber auf Belange bezüglich des gemeinsamen Kindes zu beschränken." An der Strafandrohung nach Art. 292 StGB hielt das Obergericht fest. Zusätzlich setzte es B.________ Frist bis zum 21. Juni 2021 zur Prosequierung der Klage, verbunden mit der Androhung, dass die vorsorglichen Massnahmen bei unbenutztem Ablauf dieser Frist dahinfallen.
 
B.
 
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 3. Juni 2021 wendet sich A.A.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts vom 20. April 2021 sowie desjenigen des Bezirksgerichts vom 9. Februar 2021 mit sofortiger Wirkung (Ziff. 1). Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziff. 2). Ferner stellt er den Antrag, die Kostenfolgen der vorinstanzlichen Verfahren neu zu regeln und ihm für das erstinstanzliche und das vorinstanzliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Ziff. 3). Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens seien von B.________ (Beschwerdegegnerin) zu tragen (Ziff. 4). Eventualiter sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und der die Beschwerde unterzeichnende Rechtsanwalt als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
 
Erwägung 1
 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 II 168 E. 1; 144 II 184 E. 1).
 
Erwägung 2
 
2.1. Das vorinstanzliche Urteil betrifft den vorläufigen Rechtsschutz im Persönlichkeitsrecht (Art. 28, 28a und 28b ZGB i.V.m. Art. 261 ff. ZPO). Das ist eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) nicht vermögensrechtlicher Natur (vgl. BGE 127 III 481 E. 1a). Die Vorinstanz ist ein oberes Gericht, das als letzte kantonale Instanz auf Rechtsmittel hin entschieden hat (Art. 75 BGG). Der angefochtene Entscheid heisst die Berufung des Beschwerdeführers nur teilweise gut, lautet teilweise also nach wie vor zum Nachteil des Beschwerdeführers (Art. 76 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).
2.2. Der Beschwerdeführer beantragt auch die Aufhebung des Entscheids des Bezirksgerichts (s. Sachverhalt Bst. B). Dies ist unzulässig. Anfechtungsobjekt ist im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren zum Vornherein nur der Entscheid des Obergerichts. Dieser trat an die Stelle des Entscheids des Bezirksgerichts (Devolutiveffekt; BGE 134 II 142 E. 1.4). Auf das entsprechende Rechtsbegehren ist nicht einzutreten.
 
Erwägung 3
 
Der angefochtene Entscheid beschlägt ein vorprozessual gestelltes Gesuch um vorsorgliche Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit.
3.1. Entscheide über vorsorgliche Massnahmen gelten nur dann als Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG, wenn sie in einem eigenständigen Verfahren ergehen. Selbständig eröffnete Massnahmeentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens bzw. nur unter der Bedingung Bestand haben, dass ein Hauptverfahren eingeleitet wird, stellen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG dar (BGE 144 III 475 E. 1.1.1; 138 III 76 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1; zum vorsorglichen Persönlichkeitsschutz Urteile 5A_824/2021 vom 25. Januar 2022 E. 3.1; 5A_373/2012 vom 11. Juli 2012 E. 2.1). Der angefochtene Massnahmeentscheid ist somit entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kein Endentscheid (Art. 90 BGG), sondern ein Zwischenentscheid. Er unterliegt dem in der Hauptsache zulässigen Rechtsmittel (vgl. BGE 137 III 261 E. 1.4) und damit der Beschwerde gemäss Art. 72 ff. (s. oben E. 2.1).
3.2. Abgesehen vom hier nicht einschlägigen Art. 92 BGG betreffend Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand kann ein selbständig eröffneter Vor- und Zwischenentscheid nur angefochten werden, wenn der Vorwurf der Rechtsverweigerung erhoben wird (BGE 143 III 416 E. 1.4; 137 III 261 E. 1.2.2) oder die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 Bst. a und b BGG erfüllt sind. Vorliegend fällt nur die Variante gemäss Buchstabe a in Betracht (vgl. BGE 134 I 83 E. 3.1). Demnach ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (s. dazu BGE 141 III 395 E. 2.5; 138 III 333 E. 1.3.1; 137 III 380 E. 1.2.1, 522 E. 1.3). Nach der Rechtsprechung obliegt es der Beschwerde führenden Partei darzutun, dass eine der beiden Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt ist (BGE 137 III 324 E. 1.1; 134 III 426 E. 1.2), es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu in die Augen (BGE 141 III 80 E. 1.2; 138 III 46 E. 1.2). Äussert sich die Beschwerde führende Partei aber überhaupt nicht dazu, weshalb ein selbständig anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG vorliegt, übersieht sie mithin diese Eintretensfrage schlechthin, so kann das Bundesgericht mangels hinreichender Begründung nicht auf die Beschwerde eintreten (Urteile 5A_824/2021 vom 25. Januar 2022 E. 3.2; 5A_715/2020 vom 28. September 2020 E 3.2; 5A_70/2020 vom 18. Juni 2020 E. 3.2; 4A_203/2019 vom 11. Mai 2020 E. 1.3.1, nicht publ. in: BGE 146 III 254; 5D_111/2015 vom 6. Oktober 2015 E. 2.2; 5A_620/2011 vom 16. November 2011 E. 3.2; 4A_250/2007 vom 12. September 2007 E. 2.1; vgl. zur Rechtsprechung unter der Herrschaft des OG BGE 118 II 91 E. 1a).
3.3. In der irrigen Annahme, angefochten sei ein Endentscheid (Art. 90 BGG), äussert sich der Beschwerdeführer nicht zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um auf einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG eintreten zu können. Namentlich äussert er sich nicht dazu, welchen nicht wieder gutzumachenden Nachteil er wegen des ihm auferlegten Kontaktverbots erleidet. Ein solcher Nachteil springt auch nicht in die Augen, nachdem die Vorinstanz mit ihrem Entscheid sicherstellte, dass das Kontaktverbot den Beschwerdeführer nicht am persönlichen Verkehr mit seiner Tochter hindert. Auf die Beschwerde kann deshalb nicht eingetreten werden. Dies gilt auch in Bezug auf den Antrag des Beschwerdeführers, die Kosten des erst- und vorinstanzlichen Verfahrens anders zu verteilen, als dies geschehen ist, und ihn für den Aufwand in diesen Verfahren zu entschädigen, denn diese Begehren wurden nicht unabhängig von der Sache gestellt.
 
Erwägung 4
 
Beim geschilderten Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er schuldet der Beschwerdegegnerin aber keine Parteientschädigung, da ihr mangels Einholens einer Vernehmlassung keine entschädigungspflichtigen Kosten entstanden sind (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen. Seine Beschwerde muss als zum Vornherein aussichtslos bezeichnet werden, nachdem er sich in der Qualifikation des angefochtenen Entscheids geirrt und eine elementare Eintretensvoraussetzung übersehen hat (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. April 2022
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Herrmann
 
Der Gerichtsschreiber: Monn