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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 8C_292/2021 vom 21.04.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
8C_292/2021
 
 
Urteil vom 21. April 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 5. März 2021 (UV.2020.00097).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
A.________, geboren 1956, war als Inhaber und Angestellter der B.________ GmbH, bei der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Allianz) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 29. Oktober 2017 wurde er als Fussgänger von einem Auto angefahren und zog sich dabei ein komplexes Fusstrauma rechts mit diversen Frakturen zu. Mit Verfügung vom 18. Januar 2018 stellte die Allianz ihre Leistungen ein und sprach A.________ eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 15 % zu. An der Ablehnung eines Rentenanspruchs hielt sie nach Einholung eines Gutachtens der Gutachterstelle C.________ für interdisziplinäre Begutachtungen D.________ vom 10. Oktober 2019 mit Ergänzung vom 11. März 2020 auch auf Einsprache hin fest. Indessen erhöhte sie die Integritätsentschädigung unter Anerkennung einer Integritätseinbusse von 20 % (Einspracheentscheid vom 3. April 2020).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 5. März 2021 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihm ab 1. März 2017 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 27 % zuzusprechen.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Anspruch auf eine Invalidenrente ablehnte. Umstritten ist dabei zum einen die dem Beschwerdeführer noch verbleibende Restarbeitsfähigkeit und zum andern, ob das auf statistischer Basis ermittelte Invalideneinkommen um einen leidensbedingten Abzug zu kürzen sei.
3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente bei einer unfallbedingten Invalidität von mindestens 10 % (Art. 18 Abs. 1 UVG) sowie zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der bei der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachtenden Regeln (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a). Es wird darauf verwiesen.
Was den Einkommensvergleich betrifft, ist zu ergänzen, dass das Bundesgericht die Rechtsprechung zur Bemessung des anzurechnenden Invalideneinkommens jüngst mit Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022 (zur Publikation vorgesehen) bestätigt hat. Zu ermitteln ist der Verdienst, den die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität durch eine ihr zumutbare Tätigkeit verdienen könnte (vgl. erwähntes Urteil E. 6.2). Sofern keine konkreten Lohndaten vorhanden sind, weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, können mit Blick auf die Verdienstmöglichkeiten auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt, welches Konzept weiterhin massgeblich bleibt (E. 9.1), die Tabellenlöhne der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) herangezogen werden. Diese stützt sich auf umfassende und konkrete Daten aus dem effektiven Arbeitsmarkt. Auszugehen ist dabei jeweils vom sogenannten Zentralwert (Median) gemäss Tabelle TA1_tirage_skill_level (E. 6.2 und 9.2.1). Als Korrekturinstrumente für eine einzelfallgerechte Betrachtung stehen die Parallelisierung der beiden Einkommen (wenn der Versicherte als Gesunder aus invaliditätsfremden Gründen ein deutlich unterdurchschnittliches Erwerbseinkommen [Valideneinkommen] erzielt hat) sowie die Möglichkeit eines Abzugs vom Tabellenlohn zur Verfügung (E. 9.2.2). Ob ein solcher Abzug zu gewähren sei, ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 137 V 71 E. 5.1).
4.
Die Vorinstanz stellte fest, gestützt auf das Gutachten D.________ sei der Beschwerdeführer in einer leidensangepassten Verweistätigkeit (keine die Beine belastenden Arbeiten) seit März 2017 zu 90 % arbeitsfähig. Das Einkommen, welches er hypothetisch als Gesunder erzielen würde (Valideneinkommen), setzte das kantonale Gericht auf Fr. 63'139.- fest. Das Invalideneinkommen ermittelte die Vorinstanz gestützt auf die LSE-Tabellenlöhne. Sie zog dabei den Verdienst für einfache Hilfsarbeitertätigkeiten heran (Ausgangswert Fr. 5'340.-). Für das noch zumutbare 90 %-Pensum ergab sich ein Betrag von Fr. 60'353.-. Die Kürzung um einen leidensbedingten Abzug erachtete das kantonale Gericht als nicht angezeigt. Aus dem Vergleich der beiden Einkommen resultierte ein Invaliditätsgrad von 4 %.
5.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass gemäss Gutachten D.________ zusätzlich zum behinderungsbedingt reduzierten Arbeitspensum von 90 % noch ein erhöhter Pausenbedarf zu veranschlagen beziehungsweise dass er nur unter Einhaltung vermehrter Pausen (10 bis 15 Minuten alle 90 bis 120 Minuten) im Stande sei, das erwähnte Pensum zu erreichen, was die Vorinstanz übersehen habe Zudem habe das kantonale Gericht, anders als die Beschwerdegegnerin, die Gewährung eines leidensbedingten Abzuges zu Unrecht verweigert.
6.
Gemäss Vorinstanz ist der Beschwerdeführer gestützt auf die gutachtliche Einschätzung bei einem vollzeitlichen Pensum zu 90 % leistungsfähig. Abgesehen von einem Bedarf an regelmässigen Pausen bestehe in einer leidensangepassten Tätigkeit keine weitergehende Einschränkung. Die Gutachter stellten dazu fest, dass der Beschwerdeführer in einem 100 %-Pensum zu 90 % leistungsfähig sei. Auf Rückfrage hin ergänzten sie am 11. März 2020, dass der Beschwerdeführer alle 90 bis 120 Minuten eine Pause von 10 bis 15 Minuten einlegen sollte, um die unfallbedingt auf 90 % eingeschränkte Leistungsfähigkeit zu erreichen. Angesichts der von den Gutachtern ausdrücklich bescheinigten Zumutbarkeit einer vollzeitlichen Präsenz lässt sich nicht ersehen, inwiefern sich die vom kantonalen Gericht angenommene 90%ige Arbeitsfähigkeit auch unter Beachtung des beschriebenen Pausenbedarfs zeitlich nicht realisieren liesse. Dass das kantonale Gericht mit der Anrechnung einer 90%igen Arbeitsfähigkeit unrichtige sachverhaltliche Feststellungen getroffen oder die zu beachten Beweiswürdigungsregeln verletzt haben sollte, ist nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer vermag mit seiner Argumentation nicht durchzudringen.
7.
Was den leidensbedingten Abzug betrifft, wird geltend gemacht, es sei gestützt auf das Rechtsgutachten des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS (Nutzung Tabellenmedianlöhne LSE zur Bestimmung der Vergleichslöhne bei der IV-Rentenbemessung) vom 8. Januar 2021 statistisch belegt, dass lediglich gesunde Personen die in der LSE ausgewiesenen Löhne erreichen könnten, gesundheitlich Beeinträchtigte jedoch 10 bis 15 % weniger verdienten. Seine behinderungsbedingten Einschränkungen, so der Beschwerdeführer weiter, seien bei der Bemessung des Invalideneinkommens indessen ebenso unberücksichtigt geblieben wie sein fortgeschrittenes Alter, dass er sich unfallbedingt beruflich völlig neu orientieren müsse und dass er als Ausländer weniger verdiene als ein Schweizer.
Mit Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022, zur Publikation vorgesehen, hat das Bundesgericht unter anderem mit Bezugnahme auf das BASS-Gutachten entschieden, dass im heutigen Zeitpunkt kein ernsthafter sachlicher Grund für die Änderung der Rechtsprechung besteht, wonach Ausgangspunkt für die Bemessung des Invalideneinkommens anhand statistischer Werte grundsätzlich die Zentral- beziehungsweise Medianwerte der LSE darstellen (oben E. 3; Urteil 8C_250/2021 vom 31. März 2022 E. 4.2.2 a.E.). Der leidensbedingten Einschränkung des Beschwerdeführers wurde im Rahmen des zeitlichen Pensums (90 %) Rechnung getragen. Inwiefern sich die mit der Fussverletzung verbundenen, vor allem bei Belastung durch Gehen und Stehen auftretenden Beschwerden im Rahmen einer vorwiegend sitzenden Hilfsarbeitertätigkeit finanziell weitergehend in dem Sinne auswirken könnten, dass der Beschwerdeführer gegenüber einer gesunden Person mit der gleichen Tätigkeit von vornherein eine lohnmässige Diskrimierung zu gewärtigen hätte, ist nicht erkennbar. Dass die Vorinstanz diesen Aspekt nicht noch zusätzlich mit der Gewährung eines leidensbedingten Abzuges von dem statistisch in einer entsprechenden Tätigkeit zu erzielenden Lohn berücksichtigt hat, ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt insoweit, als die Vorinstanz das vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Alter ausser Acht liess. Sofern dieses Merkmal in der obligatorischen Unfallversicherung grundsätzlich überhaupt einen Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen könnte, was das Bundesgericht bisher offen gelassen hat (SVR 2018 UV Nr. 15 S. 50, 8C_439/2017 E. 5.6.3 und 5.6.4; SVR 2016 UV Nr. 39 S. 131, 8C_754/2015 E. 4.3; Urteil 8C_878/2018 vom 21. August 2019 E. 5.3.1), bleibt zu beachten, dass gerade Hilfsarbeiten auf dem massgebenden ausgeglichenen Stellenmarkt altersunabhängig nachgefragt werden und dass sich das Alter bei Männern im Alterssegment von 50 bis 64/65 bei Stellen ohne Kaderfunktion gemäss den LSE-Erhebungen sogar eher lohnerhöhend auswirkt (BGE 146 V 16 E. 7.2.1 mit Hinweisen). Bei Heranziehen des statistischen Einkommens für Hilfsarbeitertätigkeiten ist praxisgemäss zudem auch der Faktor der fehlenden Dienstjahre zu vernachlässigen, sodass das Erfordernis der beruflichen Umstellung nicht ins Gewicht fällt (Urteile 8C_35/2019 vom 2. Juli 2019 E. 6.3; 8C_49/2018 vom 8. November 2018 E. 6.2.2.2; 8C_653/2016 vom 16. Januar 2017 E. 5.2). Was schliesslich den Einwand der von der Beschwerdegegnerin im Einspracheentscheid berücksichtigten ausländischen Herkunft betrifft, wird nicht dargetan und lässt sich nicht ersehen, inwiefern der seit über 40 Jahren in der Schweiz lebende Beschwerdeführer mit dem von der Vorinstanz für die Ermittlung des Invalideneinkommens herangezogenen Tabellenlohn von Fr. 5'340.- benachteiligt worden wäre (vgl. SVR 2017 IV Nr. 17 S. 45, 8C_482/2016 E. 5.4.3). Insgesamt ist damit nicht zu erkennen, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt haben sollte, indem sie keinen leidensbedingten Abzug gewährte. Im Ergebnis hat es somit sein Bewenden mit dem vom kantonalen Gericht ermittelten Invaliditätsgrad von 4 %.
8.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 21. April 2022
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo