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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_376/2022 vom 02.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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6B_376/2022
 
 
Urteil vom 2. Mai 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Ritter,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Einstellung (Tierquälerei); Nichteintreten,
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 10. Februar 2022 (AK.2021.457-AK [ST.2020.12063]).
 
 
Das präsidierende Mitglied zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Kantonale Untersuchungsamt St. Gallen eröffnete am 28. Oktober 2019 aufgrund einer Anzeige des Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Kantons St. Gallen (AVSV) ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts auf Tierquälerei in Bezug auf seine Noriker-Pferde "B.________" und "C.________".
 
Am 17. April 2020 liess der Beschwerdeführer seinerseits Strafanzeige wegen Tierquälerei u.a. gegen die für die Organisation und Durchführung des Pferdetransports verantwortlich zeichnende Angestellte des AVSV erheben. Es wurde namentlich geltend gemacht, der Transport der Tiere - im Wissen darum, dass beide Pferde schwer hufkrank (gewesen) seien, sie bereits beim Verlad gelitten hätten und ihnen ein Transport in einem zu kleinen Pferdeanhänger grosse Schmerzen bereiten werde - sei tierquälerisch gewesen.
 
Die Anklagekammer St. Gallen erteilte am 12. August 2020 die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die Beschuldigte. Am 9. September 2021 stellte das Kantonale Untersuchungsamt das Strafverfahren ein. Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat die Anklagekammer des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 10. Februar 2022 in einer Hauptbegründung nicht ein. In einer Eventualbegründung wies sie die Beschwerde als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den Entscheid der Anklagekammer aufzuheben, das Strafverfahren gegen die Beschuldigte weiterzuführen, das Verfahren abzuschliessen und sie wegen Tierquälerei zu verurteilen.
 
2.
 
Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche geltend gemacht. In jedem Fall muss sie indes im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
 
Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Es geht dabei in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1). Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 146 IV 76 E. 3 mit Hinweisen).
 
Die Person, die einen Strafantrag stellt, ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht (Art. 81 Abs. 1 lit b Ziff. 6 BGG).
 
3.
 
Die vom Beschwerdeführer beschuldigte Person hat die ihr vorgeworfenen angeblich strafbaren Handlungen in Ausübung ihrer Funktion als Tierschutzbeamtin begangen. Nach Art. 1 Abs. 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember 1959 (VG/SG; sGS 161.1) haften der Staat, die Gemeinden, die übrigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und die öffentlich-rechtlichen Anstalten des kantonalen Rechtes für den Schaden, den ihre Behörden und Angestellten in Ausübung dienstlicher Verrichtungen Dritten widerrechtlich zufügen. Der Geschädigte kann Behördemitglieder und Angestellte nicht unmittelbar belangen (Art. 1 Abs. 3 VG/SG). Allfällige Schadenersatz- und/oder Genugtuungsansprüche des Beschwerdeführers gegen die Beschuldigte richten sich mithin allein nach dem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz und sind damit öffentlich-rechtlicher Natur. Die vom Beschwerdeführer erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe können sich daher allenfalls auf Staatshaftungsansprüche, nicht aber auf Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 Ziff. 5 lit. b BGG auswirken. Dass sich die Verfahrenseinstellung allenfalls auf einen Staatshaftungsprozess auswirken könnte, begründet keine Beschwerdeberechtigung (vgl. BGE 146 IV 76). Der Beschwerdeführer ist folglich in der Sache nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert.
 
Beim zur Anzeige gebrachten Vorwurf der Tierquälerei gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a und Art. 26 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes (TSchG) handelt es sich im Übrigen nicht um ein Antragsdelikt. Eine Beschwerdelegitimation nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG, worauf sich der Beschwerdeführer ebenfalls beruft, fällt folglich von vornherein ausser Betracht, da es vorliegend nicht um das Strafantragsrecht als solches geht bzw. gehen kann.
 
4.
 
Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid mit einer Haupt- und einer Eventualbegründung. Enthält ein Entscheid mehrere Begründungen, die je für sich den Ausgang der Sache besiegeln, müssen für die Gutheissung einer Beschwerde alle Begründungen das Recht verletzen (BGE 139 II 233 E. 3.2; 133 IV 119 E. 6.3).
 
Zur Anfechtung der Eventualbegründung, mit welcher die Vorinstanz die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft geschützt und die kantonale Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat, ist der Beschwerdeführer in der Sache aus den dargelegten Gründen nicht legitimiert (vgl. vorstehend E. 3), sodass darauf nicht einzutreten ist. Weil die Eventualbegründung folglich bestehen bleibt, muss nicht geprüft werden, ob die vorinstanzliche Hauptbegründung, mit welcher dem Beschwerdeführer die Geschädigtenstellung abgesprochen wurde, im Einklang mit Bundesrecht steht. Zwar könnte der Beschwerdeführer die Frage nach der Geschädigtenstellung unbesehen seiner Legitimation in der Sache selbst rügen (vgl. sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1). Selbst wenn das Bundesgericht zum Schluss gelangen würde, die Vorinstanz habe die Geschädigtenstellung zu Unrecht verneint, käme es einem prozessualen Leerlauf gleich, wenn die Sache an diese zurückgewiesen würde, zumal der Beschwerdeführer vor Bundesgericht mangels Beschwerdelegitimation so oder anders mit Ausführungen zur Sache nicht zu hören wäre (vgl. Urteil 6B_21/2014 vom 8. August 2014 E. 1.2).
 
5.
 
Auf die Beschwerde ist damit im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Mai 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill