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Bearbeitung, zuletzt am 11.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_679/2021 vom 02.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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6B_679/2021
 
 
Urteil vom 2. Mai 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Schwander,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,
 
2. B.A.________,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Einstellung (einfache Körperverletzung, Tätlichkeiten),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, Beschwerdekammer, vom 4. Mai 2021 (BEK 2020 190).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz führte gegen B.A.________ eine Strafuntersuchung wegen einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten zum Nachteil ihrer Tochter A.A.________, begangen am 6. Dezember 2018. A.A.________ wirft ihrer Mutter vor, sie zu Hause mit Hilfe deren Lebenspartners C.________ gewürgt zu haben.
Die Staatsanwaltschaft stellte die Strafverfahren gegen B.A.________ wegen einfacher Körperverletzung an einer Schutzbefohlenen und Tätlichkeiten sowie gegen C.________ wegen Gehilfenschaft zur Körperverletzung mit Verfügung vom 15. November 2019 ein.
Die von A.A.________ gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Schwyz mit Beschluss vom 4. Mai 2020 in Bezug auf B.A.________ gut und hob die Einstellungsverfügung in den entsprechenden Dispositivziffern unter Vorbehalt der Verweisung der Zivilforderungen auf den Zivilweg auf.
Am 4. November 2020 stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen B.A.________ erneut ein.
B.
Die von A.A.________ gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2021 ab.
C.
A.A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den Beschluss des Kantonsgerichts vom 4. Mai 2021 aufzuheben und die Sache zur Ergänzung der Untersuchung bzw. zur Anklageerhebung an das Kantonsgericht bzw. die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Prozessual ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Zivilansprüche im Sinne der genannten Bestimmung gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1).
Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Indessen muss sie in jedem Fall im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
1.2. Die Vorinstanz wies das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege unter anderem mit der Begründung ab, die Privatklägerschaft habe Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nur für den Fall, dass im Strafverfahren konnexe privatrechtliche Ansprüche durchgesetzt werden sollen. Die Zivilansprüche der Beschwerdeführerin seien indessen bereits mit der ersten Einstellungsverfügung (vom 15. November 2019) rechtskräftig auf den Zivilweg verwiesen worden. Im Rückweisungsbeschluss vom 4. Mai 2020 führte die Vorinstanz mit Verweis auf den Bericht der Kantonspolizei Schwyz vom 21. September 2019 (U-act. 8.1.009) aus, die Beschwerdeführerin habe auf Zivilansprüche verzichtet, weshalb der Verweis der Zivilforderungen auf den Zivilweg explizit nicht aufzuheben sei.
1.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ein Verzicht auf Zivilansprüche könne, um gültig zu sein, nur schriftlich oder mündlich zu Protokoll gegeben werden (Art. 120 Abs. 1 StPO). Die Regeln der Protokollierung ständen in Art. 76 StPO. So etwas liege nicht vor und sie wolle auch nicht auf Zivilansprüche verzichten. Die von der Vorinstanz vorgenommene Abtrennung der Zivilansprüche sei rechtlich derart falsch, dass sie nichtig sei. Werde eine Einstellung des Strafverfahrens aufgehoben, betreffe dies auch die Zivilansprüche. Im Übrigen würden verschiedene UNO-Kinderkonventionen den Schutz von Kindern gegen Gewalt verlangen. Zusammengefasst sei die Beschwerdelegitimation gegeben, da sich das vorliegende Strafverfahren auf jeden Fall auf die zivilrechtlichen Folgen, namentlich auch die ihr zu Unrecht auferlegten Kosten des Beschwerdeverfahrens auswirken könne.
1.4. Fraglich erscheint, ob die Vorinstanz bei Annahme eines Verzichts der Beschwerdeführerin auf Zivilansprüche die staatsanwaltschaftliche Verweisung der Zivilforderungen auf den Zivilweg von der Aufhebung der Einstellungsverfügung hat ausnehmen dürfen, zumal ein gültiger Verzicht endgültig wäre (Art. 120 Abs. 1 Satz 2 StPO). Allfällige Zivilansprüche wären bei einem endgültigen Verzicht erloschen, sodass kein Raum für einen Verweis von Zivilansprüchen auf den Zivilweg verbliebe. Die Beschwerdeführerin legt indessen nicht hinreichend dar (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG), inwiefern kein gültiger Verzicht auf ihre Zivilansprüche vorliegen soll. Sie beschränkt sich auf die Negierung ihrer im Bericht der Kantonspolizei vom 21. September 2019 (U-act. 8.1.009) festgehaltenen Erklärung - sie mache keine Zivilforderungen geltend, es gehe ihr nicht darum, Geld zu erhalten, sondern dass die Wahrheit ans Licht komme - und in der Zitierung von Art. 120 Abs. 1 StPO in Verbindung mit einem Verweis auf Art. 76 StPO. Weder geht aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin hervor, weshalb sie mit der gegenüber der Polizei abgegebenen Erklärung nicht gültig auf ihre allfälligen Zivilansprüche verzichtet hat, noch inwiefern dem Bericht der Kantonspolizei Schwyz zum Abschluss der von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen delegierten Einvernahmen der Mutter der Beschwerdeführerin und deren Lebenspartner kein Protokollcharakter zukommen soll. Selbst wenn dieser Verzicht nicht gültig protokolliert worden wäre, hätte es angesichts dieses doch mündlich erklärten Verzichts an ihr gelegen, aufzuzeigen, welche Zivilansprüche sie nunmehr geltend machen will. Namentlich nennt sie lediglich die ihr auferlegten Kosten des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens. Dabei handelt es sich indessen nicht um einen Zivilanspruch, sondern um strafprozessual bedingte Kosten, die nicht auf dem Weg des Zivilverfahrens und damit auch nicht adhäsionsweise im Strafverfahren liquidiert werden können. An ihrer Obliegenheit zu hinreichender Begründung ihrer Legitimation ändert nichts, dass verschiedene UNO-Kinderrechtskonventionen den Schutz der Kinder gegen Gewalt beinhalten. Mangels hinreichender Begründung eines ihr allenfalls noch zustehenden Zivilanspruchs ist die Beschwerdeführerin in der Sache nicht zur Beschwerde legitimiert.
 
Erwägung 2
 
2.1. Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich in diesem Fall aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Zulässig sind aber nur Rügen formeller Natur, die von der Prüfung in der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; je mit Hinweisen). Ein in der Sache nicht legitimierter Beschwerdeführer kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren, noch kann er geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend (Urteil 6B_1391/2020 vom 1. Dezember 2021 E. 2.1.3 mit Hinweis). Soweit eine Rüge zulässig ist, ist klar und detailliert darzulegen, inwieweit das angerufene Recht verletzt worden sein soll (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.2. Die Beschwerdeführerin erhebt zwar die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, indem die Vorinstanz nicht dargelegt haben soll, warum die Mutter "klar straflos" sein soll. Diese Rüge und die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin bezwecken jedoch im Ergebnis die Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin unzureichend ist. Auf die Rüge und die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin ist daher nicht einzutreten.
3.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen der Beschwerdeführerin ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Mai 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini