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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 9F_7/2022 vom 11.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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9F_7/2022
 
 
Urteil vom 11. Mai 2022
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Williner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokat Christoph Rudin,
 
Gesuchstellerin,
 
gegen
 
Pensionskasse B.________,
 
Gesuchsgegnerin.
 
Gegenstand
 
Berufliche Vorsorge,
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 1. März 2022 (9C_213/2021).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Mit Urteil vom 16. Dezember 2020 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt eine von A.________ gegen die Pensionskasse B.________ erhobene Klage gut und verpflichtete diese, der Klägerin eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge gemäss den gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen ab Oktober 2014 auszurichten. Soweit es darauf eintrat, hiess das Bundesgericht die dagegen von der Pensionskasse B.________ erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Klage ab (Urteil 9C_213/2021 vom 1. März 2022). A.________ hatte sich im Verfahren am 9. Februar 2022 vernehmen lassen.
B.
Mit Eingabe vom 14. April 2022 beantragt A.________, es sei das Urteil 9C_213/2021 aufzuheben und die Sache neu zu entscheiden. Es sei die Beschwerde abzuweisen und das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen, eventuell die Sache zu ergänzender Abklärung und neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem bundesgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Das Gesuch muss einen solchen anrufen oder zumindest Tatsachen nennen, die von einem gesetzlichen Revisionsgrund erfasst sind. Ob im konkreten Fall ein Grund zur Revision vorliegt, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung. Allerdings gelten auch für die Revision die in Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG genannten Anforderungen. Die Begehren sind demnach zu begründen, d.h., es ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern einer der in Art. 121 ff. BGG genannten Revisionsgründe bzw. eine entsprechende Rechtsverletzung vorliegen soll (Urteil 9F_2/2022 vom 22. Februar 2022 E. 1.1 mit Hinweis).
1.2. Zu betonen ist, dass die Revision als ausserordentliches Rechtsmittel nicht dazu dient, einen Entscheid, den eine Partei für unrichtig hält, umfassend neu beurteilen zu lassen. Sie soll vielmehr die Möglichkeit bieten, Mängel zu beheben, die so schwer wiegen, dass sie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinzunehmen sind. Welche Mängel als derart schwerwiegend zu betrachten sind, hat der Gesetzgeber in den Art. 121-123 BGG abschliessend umschrieben (Urteil 9F_2/2022 vom 22. Februar 2022 E. 1.2 mit Hinweis).
2.
Die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts kann u.a. verlangt werden, wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind (Art. 121 lit. c BGG) oder das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat (Art. 121 lit. d BGG). Weiter kann die Revision verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG).
2.1. Die Gesuchstellerin macht geltend, das Bundesgericht habe aus Versehen die Beurteilung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 31. Januar 2018 nicht berücksichtigt und nur auf ein psychiatrisches Teilgutachten abgestellt. Anders als diese Einwände suggerieren, stützte sich das Bundesgericht nicht auf eine einzelne bestimmte medizinische Expertise, sondern trug insgesamt dem Umstand Rechnung, dass für Jahre jegliche echtzeitlichen oder zumindest überzeugenden retrospektiven medizinischen Bestätigungen einer Arbeitsunfähigkeit fehlten. Dabei bezog es sich offensichtlich nicht nur auf die zwei im Urteil explizit erwähnten retrospektiven Gutachten der SMAB vom 4. Dezember 2014 und der Dr. med. C.________ vom 7. Juli 2017, sondern auf die gesamte Aktenlage inklusive der RAD-Stellungnahme vom 31. Januar 2018; es kann somit keine Rede davon sein, diese sei aus Versehen nicht berücksichtigt worden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ein Blick in die Stellungnahme genügte um zu erkennen, dass auch der RAD-Arzt - gefragt nach der medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit nach Eingang der Expertise der Dr. med. C.________ - auf die Widersprüche in der retrospektiven Einschätzung hinwies und eine Korrektur empfahl.
2.2. Selbst wenn aber ein Versehen laut Art. 121 lit. d BGG vorliegen würde, könnte dem Revisionsgesuch dennoch nicht entsprochen werden: Soweit das Bundesgericht eintrat, hiess es die Beschwerde auch mit der Begründung gut, die Gesuchstellerin habe bei Fehlen entsprechender echtzeitlicher medizinischer Aussagen volle zwei Jahre Arbeitslosentaggelder auf Basis einer vollen Vermittlungsfähigkeit bezogen. In Bezug auf diesen Begründungsstrang ist die retrospektive Einschätzung des RAD zum vornherein nicht von Belang. Mit Blick auf diesen zweiten Begründungsstrang liegt offensichtlich auch kein Revisionsgrund nach Art. 121 lit. c BGG vor: Wohl hat die Gesuchstellerin im Verfahren 9C_213/2021 vernehmlassend beantragt, es sei ein "Gutachten über Beginn der dauernden Arbeitsunfähigkeit in Auftrag zu geben". Eine solche Expertise könnte indessen ihrerseits bloss retrospektive Aussagen enthalten. Das Bundesgericht durfte den Beweisantrag deshalb ohne Weiteres - auch konkludent (vgl. Urteil 8F_5/2013 vom 9. Juli 2013 E. 3.1 mit Hinweisen) - abweisen. Mit Blick darauf kann offen bleiben, ob dem Antrag in der Vernehmlassung vom 9. Februar 2022 überhaupt hinreichend substanziierte Tatsachenbestreitungen zugrunde lagen.
2.3. Insofern die Gesuchstellerin Vermittlungsunfähigkeit behauptet und gestützt darauf einen Revisionsgrund nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG geltend macht, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Sie ruft weder neue Beweismittel noch erhebliche neue Tatsachen an. Im Übrigen hat sich das Bundesgericht ausdrücklich zur (verminderten) Bedeutung geäussert, die der Zeit des Taggeldbezugs bei der Beurteilung des zeitlichen Konnexes beizumessen ist. Darauf kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).
Die übrigen Einwände zielen allesamt auf eine unzulässige nochmalige Überprüfung der zugrunde liegenden Streitsache ab.
3.
Das offensichtlich unbegründete Revisionsgesuch wird analog zum vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - ohne Durchführung des Schriftenwechsels mit summarischer Begründung und unter Verweis auf das Urteil 9C_213/2021 vom 1. März 2022 (vgl. Art. 102 Abs. 1 und 109 Abs. 3 BGG) - erledigt.
4.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Damit ist das Gesuch um Befreiung der Gerichtskosten gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 11. Mai 2022
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Der Gerichtsschreiber: Williner