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BGer 2C_83/2022 vom 12.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
2C_83/2022
 
 
Urteil vom 12. Mai 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Hänni,
 
Bundesrichterin Ryter,
 
Gerichtsschreiber Zollinger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Fürsprecher Patrik Kneubühl,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Obwalden,
 
Rathaus, Postfach 1562, 6061 Sarnen 1.
 
Gegenstand
 
Ausführungsbestimmungen vom 23. November 2021 über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie, Nachtrag vom 7. Dezember 2021 (Maskentragpflicht ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Gemäss Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vom 23. Juni 2021 über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage; SR 818.101.26; Inkrafttreten: 26. Juni 2021 [AS 2021 379, S. 14]; Aufhebungsdatum: 17. Februar 2022 [AS 2022 97, S. 4]) galt in Schulen der Sekundarstufe II eine Pflicht zum Tragen einer Gesichtsmaske. Im Übrigen fielen Massnahmen im Bereich der obligatorischen Schule und der Sekundarstufe II in die Zuständigkeit der Kantone.
B.
In Ausführung von Art. 40 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG; SR 818.101) sowie von Art. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage änderte der Regierungsrat des Kantons Obwalden mit Nachtrag vom 7. Dezember 2021 Art. 4 Abs. 1 der kantonalen Ausführungsbestimmungen vom 23. November 2021 über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (GDB 810.512). Er beschloss, dass Lernende ab der 5. Klasse der Primarschule in Innenräumen von Bildungseinrichtungen eine Gesichtsmaske tragen mussten. Auf die Maskenpflicht konnte mit Zustimmung des Gesundheitsamts verzichtet werden, sofern mindestens 80 Prozent aller Lernenden und Lehrpersonen der entsprechenden Stufe am Schulstandort am repetitiven Testen teilnahmen. Die geänderte Ausführungsbestimmung trat am 10. Dezember 2021 in Kraft und wurde umgehend im Internet sowie am 16. Dezember 2021 im kantonalen Amtsblatt publiziert.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. Januar 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt, Art. 4 Abs. 1 der kantonalen Ausführungsbestimmungen vom 23. November 2021 über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (GDB 810.512) sei aufzuheben und durch eine bundesrechtskonforme Regelung zu ersetzen.
Während der Regierungsrat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. Die Beschwerdeführerin repliziert mit Eingabe vom 22. März 2022.
In Erwägung, dass der Regierungsrat mit Beschluss vom 4. Februar 2022 (Nr. 332) mit Wirkung ab dem 7. Februar 2022 die Maskentragpflicht für die Primarschule und die Sekundarstufe I ersatzlos aufgehoben hat, hat die Abteilungspräsidentin mit Verfügung vom 14. Februar 2022 das Gesuch um aufschiebende Wirkung und um Anordnung vorsorglicher Massnahmen als gegenstandslos abgeschrieben.
 
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1).
1.1. Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen kantonale Erlasse (Art. 82 lit. b BGG; sogenannte hauptfrageweise oder abstrakte Normenkontrolle; vgl. BGE 143 I 1 E. 1.1). Vorliegend richtet sich die Beschwerde gegen einen einzelnen Artikel eines kantonalen Erlasses (Art. 4 Abs. 1 der kantonalen Ausführungsbestimmungen vom 23. November 2021 über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie). Dies ist zulässig, da es sich um eine Bestimmung eines kantonalen Erlasses im Sinne von Art. 82 lit. b BGG handelt (vgl. Urteil 2C_604/2020 vom 9. November 2020 E. 1.1).
1.2. Die Kantone sind weder durch die Bundesverfassung noch durch ein Bundesgesetz verpflichtet, kantonale Instanzen zur hauptfrageweisen (abstrakten) Überprüfung der Verfassungsmässigkeit ihrer Erlasse einzusetzen. Verzichtet ein Kanton - wie der Kanton Obwalden - auf die Möglichkeit der innerkantonalen abstrakten Normenkontrolle, entfällt dadurch die Pflicht, den innerkantonalen Instanzenzug zu durchlaufen. Diesfalls ist vor Bundesgericht unmittelbar der kantonale Erlass Anfechtungsobjekt (Art. 87 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 143 I 1 E. 1.2; 142 V 395 E. 1.1). Vorliegend steht daher unmittelbar die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen.
1.3. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter zweier Kinder im schulpflichtigen Alter, wobei die jüngere Tochter die 5. Klasse einer Primarschule und die ältere Tochter die 8. Klasse einer Sekundarschule (Stufe I) im Kanton Obwalden besucht. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der elterlichen Sorge. Ihr steht die Vertretung ihrer Töchter von Gesetzes wegen zu (vgl. Art. 304 Abs. 1 ZGB). Sie ist damit zur Ergreifung dieses Rechtsmittels im eigenen Namen berechtigt (vgl. Urteil 2C_1137/2018 vom 14. Mai 2019 E. 1.1).
1.4. Fraglich ist, ob die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Angelegenheit an der abstrakten Kontrolle und Aufhebung des angefochtenen Artikels noch ein aktuelles schutzwürdiges Interesse hat (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG).
1.4.1. Das schutzwürdige Interesse besteht im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn die beschwerdeführende Person mit ihrem Anliegen obsiegt und dadurch ihre tatsächliche oder rechtliche Situation unmittelbar beeinflusst werden kann. Es muss daher grundsätzlich aktuell sein. Das gilt auch für die abstrakte Normenkontrolle (vgl. Urteil 2C_793/2020 vom 8. Juli 2021 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 147 I 393). Am aktuellen Interesse fehlt es, wenn der angefochtene Erlass oder Artikel inzwischen aufgehoben worden ist. Ausnahmsweise tritt das Bundesgericht unter Verzicht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses auf eine Beschwerde ein, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 147 I 478 E. 2.2; 146 II 335 E. 1.3; 139 I 206 E. 1.1).
Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache als gegenstandslos erklärt. Hat es bereits bei der Beschwerdeeinreichung gefehlt, ist auf die Eingabe nicht einzutreten (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 137 I 23 E. 1.3.1).
1.4.2. Mit Beschluss vom 4. Februar 2022 (Nr. 332) - mithin nach der Einreichung des bundesgerichtlichen Rechtsmittels - hob der Regierungsrat mit Wirkung ab dem 7. Februar 2022 die Maskentragpflicht für die Primarschule und die Sekundarstufe I ersatzlos auf. Damit sind die mit dem Nachtrag vom 7. Dezember 2021 angeordneten Massnahmen - unter anderem die vorliegend umstrittene Maskentragpflicht für die Schülerinnen und Schüler ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule - nicht mehr wirksam. Die Beschwerdeführerin, deren Töchter die 5. Klasse einer Primarschule sowie die 8. Klasse einer Sekundarschule (Stufe I) im Kanton Obwalden besuchen, hat demzufolge an der abstrakten Kontrolle und allfälligen Aufhebung des angefochtenen Artikels kein aktuelles Interesse mehr.
1.4.3. Zu prüfen bleibt, ob die Voraussetzungen vorliegen, damit auf das Erfordernis des aktuellen Interesses ausnahmsweise verzichtet werden kann.
Das Bundesgericht hat sich bereits einlässlich mit der Thematik der Maskentragpflicht für die Schülerinnen und Schüler ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule befasst (vgl. Urteile 2C_183/2021 vom 23. November 2021, zur Publikation vorgesehen; 2C_228/2021 vom 23. November 2021). Es erwog unter anderem, dass die Maskentragpflicht ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule angesichts der im massgebenden Zeitpunkt bestehenden Unsicherheiten über die Gefährlichkeit der neuen Virusvarianten und mit Blick auf das Ermessen, das den Behörden zukommt, gerechtfertigt und verhältnismässig war (vgl. Urteil 2C_183/2021 vom 23. November 2021 E. 7.4, zur Publikation vorgesehen).
Diese bundesgerichtliche Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Maskentragpflicht für Schülerinnen und Schüler ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule bezieht sich auf das Frühjahr 2021 (vgl. auch Urteil 2C_1032/2021 vom 14. März 2022 E. 1.2.3). Allerdings ist nicht ersichtlich und die Beschwerdeführerin zeigt auch nicht auf, inwiefern sich die Ausgangslage im vorliegend massgebenden Zeitpunkt im Dezember 2021 mit Blick auf die bestehenden Unsicherheiten über die Gefährlichkeit der wiederum neuen und noch ansteckenderen Virusvariante sowie unter Berücksichtigung des Ermessens, das den Behörden zukommt, derart verändert haben sollte, dass sich eine neuerliche Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Maskentragpflicht an den Schulen aufdrängt. Die Beschwerdeführerin nimmt zwar an einigen Stellen der Beschwerde Bezug auf das zur amtlichen Publikation vorgesehene Bundesgerichtsurteil 2C_183/2021 vom 23. November 2021. Indessen erschöpft sich ihre neu vorgetragene Kritik im Wesentlichen darin, zu behaupten, dass trotz der mittlerweile verstrichenen Zeit und der anhaltenden besonderen Lage "offensichtlich" keine Anstrengungen seitens der Behörden unternommen worden seien, um den äusserst dürftigen Wissensstand bezüglich der Eignung einer Maskentragpflicht zu erweitern.
Die Beschwerdeführerin wirft mit ihrer Kritik an der Verhältnismässigkeit der Maskentragpflicht für die Schülerinnen und Schüler ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule keine Fragen auf, deren (neuerliche) Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse läge (vgl. auch Urteil 2C_1032/2021 vom 14. März 2022 E. 1.2). Vor diesem Hintergrund besteht in der vorliegenden Angelegenheit keine Veranlassung, auf das Erfordernis des aktuellen Interesses ausnahmsweise zu verzichten.
2.
Da das aktuelle Interesse während des hängigen bundesgerichtlichen Verfahrens entfallen und auf dieses Erfordernis vorliegend nicht zu verzichten ist, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als gegenstandslos abzuschreiben.
2.1. Erklärt das Bundesgericht einen Rechtsstreit als gegenstandslos, entscheidet es mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (vgl. BGE 142 V 551 E. 8.2; 125 V 373 E. 2a).
2.2. Angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Verhältnismässigkeit der Maskentragpflicht für Schülerinnen und Schüler ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule (vgl. Urteile 2C_183/2021 vom 23. November 2021, zur Publikation vorgesehen; 2C_228/2021 vom 23. November 2021) ist mutmasslich davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren unterlegen wäre (vgl. auch Urteil 2C_1032/2021 vom 14. März 2022 E. 2.2). Somit trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesamt für Gesundheit mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Mai 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger