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BGer 2C_932/2021 vom 12.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
2C_932/2021
 
 
Urteil vom 12. Mai 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichterin Ryter,
 
Gerichtsschreiber Zollinger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
2. B.________,
 
handelnd durch seinen Vater,
 
3. C.________,
 
handelnd durch seinen Vater,
 
4. D.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
5. E.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
6. F.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
7. G.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
8. H.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
9. I.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
10. J.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
11. K.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
12. L.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
13. M.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
14. N.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
15. O.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
16. P.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
17. Q.________,
 
handelnd durch seinen Vater,
 
18. R.________,
 
handelnd durch seinen Vater,
 
19. S.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
20. T.________,
 
handelnd durch seine Eltern,
 
21. A1.________,
 
handelnd durch seine Mutter,
 
22. B1.________,
 
handelnd durch ihre Mutter,
 
Beschwerdeführer,
 
alle vertreten durch Fürsprecher Philipp Kruse,
 
gegen
 
Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement des Kantons Graubünden (EKUD),
 
Quaderstrasse 17, 7000 Chur.
 
Gegenstand
 
Maskentragpflicht 5. und 6. Primarschulstufe,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 21. September 2021
 
(V 21 2).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Mit Beschluss vom 2. Dezember 2020 (Protokoll Nr. 1019/2020) ordnete die Regierung des Kantons Graubünden mit Geltung bis zum 23. Dezember 2020 an, dass an öffentlichen und privaten Schulen auf dem gesamten Schulareal für alle Personen eine Maskentragpflicht galt. Davon ausgenommen waren Schülerinnen und Schüler im Kindergarten und auf der Primarschulstufe sowie Personen, die nachweisen konnten, dass sie aus besonderen Gründen, insbesondere medizinischen, keine Gesichtsmasken tragen konnten. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 (Protokoll Nr. 1129/2020) verlängerte die Bündner Regierung die in der Volksschule geltenden Regelungen zur Maskentragpflicht ab dem 6. Januar 2021 bis auf Weiteres.
 
B.
 
Am 9. Februar 2021 dehnte die Regierung des Kantons Graubünden die Maskentragpflicht in der Volksschule mit Wirkung ab dem 11. Februar 2021 aus (Protokoll Nr. 118/2021). Die Erweiterung bestand darin, dass die Maskentragpflicht neu auch für die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Primarschulstufe galt.
B.a. Gegen den Beschluss vom 9. Februar 2021 erhoben 33 Schülerinnen und Schüler, vertreten durch deren Eltern oder Elternteile, am 11. März 2021 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Sie beantragten, der Beschluss vom 9. Februar 2021 sei aufzuheben, eventualiter - für den Fall, dass der Entscheid erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der angefochtenen Bestimmungen ergehe - sei der Beschluss vom 9. Februar 2021 für rechtswidrig - insbesondere für verfassungswidrig - zu erklären. Als weiteres Eventualbegehren - für den Fall, dass der Hauptantrag abgewiesen werde - verlangten sie, dass die Regierung innerhalb von zehn Tagen eine ausreichende Begründung für die getroffenen Anordnungen zu publizieren habe.
B.b. Am 6. April 2021 beschloss die Regierung des Kantons Graubünden (Protokoll Nr. 267/2021) die Aufhebung der Maskentragpflicht per 12. April 2021 für die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Primarschulstufe an Schulen und Institutionen, die sich an den Schultestungen beteiligten. Weiter wurde beschlossen, dass es allen Schülerinnen und Schülern der Volksschule - unabhängig davon, ob sich die Schule oder Institution an den Schultestungen beteiligte - erlaubt war, die Maske während den Pausen im Freien abzunehmen, wenn der Mindestabstand von 1.5 m eingehalten wurde.
B.c. Mit Urteil vom 21. September 2021 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Es verzichtete auf das Eintretenserfordernis des aktuellen Rechtsschutzinteresses und behandelte den Beschluss vom 9. Februar 2021 als Allgemeinverfügung.
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. November 2021 gelangen A.________, B.________, C.________, D.________, E.________, F.________, G.________, H.________, I.________, J.________, K.________, L.________, M.________, N.________, O.________, P.________, Q.________, R.________, S.________, T.________, A1.________ und B1.________, gesetzlich vertreten durch deren Eltern oder Elternteile, an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils vom 21. September 2021. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Sachverhaltsergänzung nebst Zulassung der Beweisanträge und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen.
Während das Bundesamt für Gesundheit und die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung verzichten, beantragt die Regierung des Kantons Graubünden die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde. Auf die Anzeige der Vernehmlassungsergebnisse hin haben die Beschwerdeführer nicht repliziert.
 
 
Erwägung 1
 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1).
1.1. Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen ein kantonal letztinstanzliches (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessendes (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da kein Ausschlussgrund vorliegt (Art. 83 BGG). Damit ist auf die sinngemäss erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten (Art. 113 BGG). Die Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch die Inhaber der elterlichen Sorge (vgl. Art. 304 Abs. 1 ZGB), sind bereits im vorinstanzlichen Verfahren als Parteien beteiligt gewesen und durch das angefochtene Urteil besonders berührt (Art. 89 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG).
1.2. Fraglich ist, ob die Beschwerdeführer an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Urteils noch einaktuelles schutzwürdiges Interesse haben (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG).
1.2.1. Das schutzwürdige Interesse besteht im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn die beschwerdeführende Person mit ihrem Anliegen obsiegt und dadurch ihre tatsächliche oder rechtliche Situation unmittelbar beeinflusst werden kann. Es muss daher grundsätzlich aktuell sein. Am aktuellen Interesse fehlt es, wenn der angefochtene Erlass inzwischen aufgehoben worden ist. Ausnahmsweise tritt das Bundesgericht unter Verzicht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses auf eine Beschwerde ein, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 147 I 478 E. 2.2; 146 II 335 E. 1.3; 139 I 206 E. 1.1).
Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache als gegenstandslos erklärt. Hat es bereits bei der Beschwerdeeinreichung gefehlt, ist auf die Eingabe nicht einzutreten (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 137 I 23 E. 1.3.1).
1.2.2. Vorliegend hob die Regierung des Kantons Graubünden am 6. April 2021 die Maskentragpflicht per 12. April 2021 für die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Primarschulstufe an Schulen und Institutionen auf, die sich an den Schultestungen beteiligten (vgl. Bst. B.b hiervor). Bereits die Vorinstanz erwog in diesem Zusammenhang, dass nach den Angaben der Regierung des Kantons Graubünden lediglich eine einzige Schulträgerschaft der öffentlichen Volksschule an den Schultestungen nicht teilnehme. Es bestehe angesichts dieser Sachlage grundsätzlich kein aktuelles und praktisches Interesse an der Beurteilung (vgl. E. 1.2.1 des angefochtenen Urteils). Die Vorinstanz verzichtete aufgrund der Umstände jedoch auf dieses Eintretenserfordernis.
Alsdann wurde per 9. Februar 2022 - mithin nach der Einreichung des bundesgerichtlichen Rechtsmittels - die Maskentragpflicht an den Primarschulen sowie an den Schulen der Sekundarstufe I und II unabhängig von den Schultestungen aufgehoben (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG). Damit sind die ursprünglich mit dem Beschluss vom 9. Februar 2021 angeordneten Massnahmen - unter anderem die vorliegend umstrittene Maskentragpflicht für die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Primarschulstufe - nicht mehr wirksam. Die Beschwerdeführer haben demzufolge an der Beurteilung der Angelegenheit vor Bundesgericht kein aktuelles schutzwürdiges Interesse mehr.
1.2.3. Zu prüfen bleibt, ob die Voraussetzungen vorliegen, damit auf das Erfordernis des aktuellen Interesses auch im bundesgerichtlichen Verfahren ausnahmsweise verzichtet werden kann.
Das Bundesgericht hat sich in materieller Hinsicht bereits einlässlich mit der Thematik der Maskentragpflicht an der Primarschule im Frühjahr 2021 befasst (vgl. Urteile 2C_183/2021 vom 23. November 2021, zur Publikation vorgesehen; 2C_228/2021 vom 23. November 2021). Es erwog unter anderem, dass die Maskentragpflicht ab dem 5. Schuljahr an der Primarschule angesichts der im massgebenden Zeitpunkt bestehenden Unsicherheiten über die Gefährlichkeit der neuen Virusvarianten und mit Blick auf das Ermessen, das den Behörden zukommt, gerechtfertigt und verhältnismässig war (vgl. Urteil 2C_183/2021 vom 23. November 2021 E. 7.4, zur Publikation vorgesehen). Insofern bestehen im Zusammenhang mit der materiellen Kritik der Beschwerdeführer an der Maskentragpflicht für die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Primarschulstufe im Frühjahr 2021 keine Fragen (mehr), deren Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse läge (vgl. auch Urteil 2C_1032/2021 vom 14. März 2022 E. 1.2).
Die Beschwerdeführer rügen in formeller Hinsicht im Weiteren eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 191c BV. Soweit diese formellen Beanstandungen betreffend, werfen die Beschwerdeführer keine Fragen auf, deren rechtzeitige Beantwortung im Einzelfall kaum je möglich wäre. Ausserdem fehlt es der vorliegenden Angelegenheit mit Blick auf diese formellen Rügen an grundsätzlicher Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund besteht in der vorliegenden Angelegenheit keine Veranlassung, auf das Erfordernis des aktuellen Interesses ausnahmsweise zu verzichten.
1.3. Da das aktuelle schutzwürdige Interesse während des hängigen bundesgerichtlichen Verfahrens (gänzlich) entfallen und auf dieses Erfordernis vorliegend nicht zu verzichten ist, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheit als gegenstandslos zu erklären.
 
Erwägung 2
 
Die Beschwerdeführer stellen in prozessualer Hinsicht einen Antrag auf Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels. Gemäss Art. 102 Abs. 1 BGG stellt das Bundesgericht die Beschwerde der Vorinstanz sowie den allfälligen anderen Parteien, Beteiligten oder zur Beschwerde berechtigten Behörden soweit erforderlich zu und setzt ihnen Frist zur Einreichung einer Vernehmlassung an. Ein weiterer Schriftenwechsel findet in der Regel nicht statt (vgl. Art. 102 Abs. 3 BGG). Die vor Bundesgericht eingegangenen Vernehmlassungsantworten wurden den Beschwerdeführern am 17. Februar 2022 zugestellt, woraufhin sie die Möglichkeit hatten, bis zum 4. März 2022 Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeit haben die Beschwerdeführer nicht wahrgenommen. Die Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels, damit sich die Beschwerdeführer äussern können, erscheint - auch im Lichte der Gegenstandslosigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens - nicht erforderlich. Der Verfahrensantrag ist abzuweisen.
 
Erwägung 3
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist infolge Wegfalls des schutzwürdigen Interesses als gegenstandslos abzuschreiben.
3.1. Erklärt das Bundesgericht einen Rechtsstreit als gegenstandslos, entscheidet es mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (vgl. BGE 142 V 551 E. 8.2; 125 V 373 E. 2a).
3.2. Angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Maskentragpflicht an der Primarschule im Frühjahr 2021 (vgl. Urteile 2C_183/2021 vom 23. November 2021, zur Publikation vorgesehen; 2C_228/2021 vom 23. November 2021) ist mutmasslich davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren unterlegen wären (vgl. auch Urteil 2C_1032/2021 vom 14. März 2022 E. 2.2). Somit tragen die gesetzlichen Vertreter im Sinne von Art. 304 Abs. 1 ZGB der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den gesetzlichen Vertretern der Beschwerdeführer zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Mai 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger