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BGer 1C_231/2021 vom 18.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
1C_231/2021
 
 
Urteil vom 18. Mai 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiber Bisaz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Radgenossenschaft der Landstrasse, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Melanie Aebli,
 
gegen
 
Politische Gemeinde Thal, Gemeinderat,
 
Kirchplatz 4, Postfach, 9425 Thal,
 
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Provisorischer Durchgangsplatz für Jenische und Sinti,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung I, vom 18. März 2021 (B 2020/74).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Das Grundstück Nr. 2630, Grundbuch Thal, mit einer Fläche von etwas mehr als 4'000 Quadratmetern steht im Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Departement für Bevölkerungsschutz und Sport). Es liegt im Gebiet "Fuchsloch" und ist gemäss Zonenplan der Politischen Gemeinde Thal vom 22. Dezember 1998 dem übrigen Gemeindegebiet zugeteilt. Am 18. Mai 2014 lehnten die Stimmberechtigten einen "Teilzonenplan Fuchsloch" ab, mit welchem das Grundstück Nr. 2630 einer lntensiverholungszone einerseits für einen Durchgangsplatz für Jenische und Sinti und andererseits für Freizeitnutzung hätte zugeteilt werden sollen. Mittlerweile enthält der Richtplan des Kantons St. Gallen die Festsetzung, dass der Kanton einen langfristigen Durchgangsplatz für Fahrende am Standort "Fuchsloch" errichtet (S43, erlassen von der Regierung am 17. Januar 2017, genehmigt vom Bundesrat am 1. November 2017).
Im Hinblick auf die Umsetzung des Richtplans und die Verpflichtung, langfristige Durchgangsplätze für Jenische, Sinti und Roma zu schaffen, suchte das Baudepartement des Kantons St. Gallen mit dem Gemeinderat der Politischen Gemeinde Thal in den Jahren 2018 und 2019 das Gespräch mit dem Ziel, auf dem Grundstück Nr. 2630 vorerst einen provisorischen, befristeten Durchgangsplatz einzurichten. Die Politische Gemeinde Thal und das Baudepartement des Kantons St. Gallen schlossen im Frühjahr 2019 mit der Eigentümerin des angrenzenden, der Industriezone zugeteilten Grundstücks Nr. 2351 eine Vereinbarung zur "gemeinsamen Weiterentwicklung" des Gebiets ab. Sie beinhaltet unter anderem "die Zustimmung aller Parteien für den Betrieb eines provisorischen Durchgangsplatzes für Fahrende auf der Parzelle Nr. 2630 für die nächsten drei bis maximal fünf Jahre" und die Durchführung eines Verfahrens zur Revision des Zonenplanes, nämlich einerseits die Zuweisung des Grundstücks Nr. 2630 zur lntensiverholungszone und andererseits eine "Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit der Industriezone". Der Gemeinderat der Politischen Gemeinde Thal genehmigte am 23. April 2019 die Vereinbarung und sicherte zu, die damit verbundenen Zusagen im Zusammenhang mit der laufenden Gesamtrevision der Orts- und Zonenplanung zu berücksichtigen. Am 29. April 2019 orientierten der Vorsteher des Baudepartements und der Gemeindepräsident die interessierte Öffentlichkeit insbesondere über die Details zu Errichtung und Betrieb des geplanten provisorischen Durchgangsplatzes auf dem Grundstück Nr. 2630.
Aufgrund einzelner Reaktionen aus der Bevölkerung entschied der Gemeinderat der Politischen Gemeinde Thal am 20. Mai 2019, das Projekt der Realisierung eines provisorischen Durchgangsplatzes - weiterhin - nur bei einstimmiger Zustimmung im Rat weiterzuverfolgen. Ein solcher einstimmiger Beschluss kam indessen nicht zustan-de.
 
B.
 
Auf entsprechendes Ersuchen stellte der Gemeinderat der Politischen Gemeinde Thal der Radgenossenschaft der Landstrasse am 19. Juni 2019 einen Auszug aus dem Protokoll seiner Sitzung vom 20. Mai 2019 zu und fasste die Gründe für seinen Entscheid zusammen. Die Radgenossenschaft der Landstrasse erhob gegen den Beschluss des Gemeinderates der Politischen Gemeinde Thal am 26. Juni 2019 Rekurs, eventuell Rechtsverweigerungsbeschwerde beim Baudepartement des Kantons St. Gallen im Wesentlichen mit den Anträgen, es seien die für die Errichtung eines provisorischen Durchgangsplatzes nötigen Massnahmen zu treffen. Da der Vorsteher des Baudepartements an den Verhandlungen zwischen dem Kanton und der Politischen Gemeinde Thal beteiligt gewesen war, entschied stellvertretend der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements über den Rekurs. Er trat am 6. April 2020 auf den Rekurs und die weiteren Begehren mangels zulässigen Beschwerdeobjekts und mangels Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin nicht ein.
Gegen diesen Entscheid erhob die Radgenossenschaft der Landstrasse am 4. Mai 2020 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Mit Entscheid vom 18. März 2021 wies dieses die Beschwerde ab.
 
C.
 
Dagegen erhebt die Radgenossenschaft der Landstrasse mit Eingabe vom 26. April 2021 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 18. März 2021 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Eventuell sei die Sache an das Baudepartement zurückzuweisen mit der Anweisung, auf den Rekurs einzutreten.
Der Kanton St. Gallen sowie die Gemeinde Thal beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 147 II 300 E. 1). Die beschwerdeführende Person hat aber darzulegen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, soweit dies nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1; 353 E. 1; Urteil des Bundesgerichts 1C_293/2018 vom 29. Januar 2019 E. 1.1).
1.2. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, mit welchem der Nichteintretensentscheid in einer Streitsache des öffentlichen Rechts bestätigt wird. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht nach Art. 82 ff. BGG offen.
1.3. Streitgegenstand ist einzig, ob das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Baudepartements zu Recht abwies. Unabhängig vom materiellen Entscheid sowie von der Legitimation in der Sache selbst kann eine Verfahrenspartei jedenfalls die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung bedeutet. Das erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der Sache selbst, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (BGE 138 IV 78 E. 1.3; 137 II 305 E. 2; 133 I 185 E. 6.2; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin ist daher in diesem Umfang zur Beschwerde berechtigt (vgl. Art. 89 Abs. 1 und Art. 94 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vorbehältlich zulässiger und genügend begründeter Rügen (vgl. die nachfolgenden E. 2.1 und 2.3) einzutreten.
 
Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann, von hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, insbesondere die Verletzung von Bundesrecht sowie die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden (Art. 95 lit. a und Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Verhältnis zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten subsidiär (Art. 113 BGG). Weil vorliegend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist, ist auf die gleichzeitig erhobene Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten. Soweit die Beschwerdeführer in genügender Weise begründen, inwiefern ihre verfassungsmässigen Rechte verletzt worden seien (vgl. Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 95 BGG), ist darauf im Rahmen der von ihnen erhobenen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzugehen.
2.3. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1 mit Hinweisen). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 147 I 47 E. 3.1; 139 I 229 E. 2.2; je mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 I 26 E. 1.3; je mit Hinweisen).
 
Erwägung 3
 
Streitig ist, ob der Beschluss des Gemeinderats Thal vom 20. Mai 2019, das Projekt der Realisierung eines provisorischen Durchgangsplatzes nicht mehr weiterzuverfolgen, ein taugliches Beschwerdeobjekt sei.
3.1. Die Beschwerdeführerin bejaht dies gestützt auf Art. 29a BV. Soweit sie zusätzlich eine Verletzung von Art. 13 EMRK, Art. 14 UNO-Pakt II (SR 0.103.2), Art. 1 und 6 des Internationalen Übereinkommens vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (RDÜ; SR 0.104) geltend macht, geschieht dies in ungenügend substanziierter Weise (vgl. vorne E. 2.3), weshalb insoweit nicht darauf eingetreten werden kann.
Die Beschwerdeführerin führt aus, Voraussetzung für die Anwendung von Art. 29a BV sei das Vorliegen einer Rechtsstreitigkeit, die im Zusammenhang mit einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition stehe. Auch bei Nichtvorliegen eines Rechtsaktes müsse eine Anfechtungsmöglichkeit eingeräumt werden, wenn Anordnungen auf schützenswerte Rechtspositionen einwirken, die sich aus dem Verfassungs-, Gesetzes- oder Verordnungsrecht ergeben würden. Weil der Beschluss der Gemeinde vom 20. Mai 2019, das Projekt des provisorischen Durchgangsplatzes im "Fuchsloch" nicht weiterzuverfolgen, einen unmittelbaren Einfluss auf die Ausübung der grundrechtlich geschützen Lebensweise von Jenischen und Sinti habe und deren Rechte verletze, stehe gegen diesen Beschluss der Rechtsweg offen.
3.2. Die Vorinstanz legt in ihrem Entscheid dar, dass gemäss dem Gesetz des Kantons St. Gallen über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 (VRP/SG; sGS 951.1) Verfügungen und Entscheide mit einem Rechtsmittel angefochten werden können. Als Verfügungen würden die erstinstanzlichen Anordnungen, als Entscheide die Rechtsmittelentscheide bezeichnet. In Frage käme nur die Qualifikation als Verfügung, indessen regle der Beschluss offensichtlich kein Rechtsverhältnis in verbindlicher Weise in einem Einzelfall. Er bringe nur den politischen Willen des Gemeinderates zum Ausdruck, seinerseits das Projekt eines provisorischen und befristeten Durchgangsplatzes für Jenische, Sinti und Roma auf dem Grundstück Nr. 2630 mangels Einstimmigkeit nicht weiter zu verfolgen. Anschliessend prüft die Vorinstanz, ob nach Art. 29a BV ein Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde bestehe. Hierfür sei erforderlich, dass das Verwaltungshandeln in schützenswerte Rechtspositionen des Beschwerdeführers eingreife. Aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen und den individuellen Freiheitsrechten lasse sich kein Anspruch auf eine entsprechende positive staatliche Leistung ableiten, was jedoch auch nicht eine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen staatliches Handeln sei.
Die kommunale Nutzungsplanung müsse Zonen und Plätze vorsehen, die für den Aufenthalt von Fahrenden geeignet sind und deren traditioneller Lebensweise, die verfassungsrechtlichen Schutz geniesst, entsprechen. Der Kanton St. Gallen und die Gemeinde seien dieser Verpflichtung insoweit nachgekommen, als im kantonalen Richtplan für das Gebiet "Fuchsloch" in Thal die Einrichtung eines langfristigen Durchgangsplatzes für Jenische, Sinti und Roma festgesetzt wurde. Richtpläne seien gemäss Art. 9 Abs. 1 RPG für die Behörden verbindlich. Die Ortsplanung sei gestützt auf Art. 1 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons St. Gallen vom 5. Juli 2016 (PBG/SG; sGS 731.1) Sache der politischen Gemeinde. M angels entgegenstehender rechtlicher Verpflichtungen und insbesondere auch vor dem Hintergrund der Übereinkunft, für die Weiterführung des Projekts eines provisorischen Durchgangsplatzes im Rat Einstimmigkeit zu verlangen, habe der angefochtene Beschluss des Gemeinderats vom 20. Mai 2019 den Charakter eines politischen Grundsatzentscheides. Auch die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV verlange jedoch nicht, sogenannte "actes de gouvernement" der gerichtlichen Kontrolle zu unterstellen. Die Beschwerdeführerin könne keine schützenswerte Rechtsposition im Sinn der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV dartun, die ihr einen Anspruch auf inhaltliche gerichtliche Überprüfung einräumen würde. Sie könne auch aus der Vereinbarung vom März/April 2019 zwischen der Gemeinde, dem Baudepartement und der Eigentümerin des an das Grundstück Nr. 2630 angrenzenden Grundstücks keinen klagbaren Anspruch auf die weitere Verfolgung des Projekts eines - sei es langfristigen, sei es provisorischen - Durchgangsplatzes auf dem Grundstück Nr. 2630 ableiten.
 
Erwägung 4
 
4.1. Die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV vermittelt einen individualrechtlichen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz, mithin auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde mit voller Sachverhalts- und Rechtskontrolle, und zwar unter der Voraussetzung, dass eine Rechtsstreitigkeit vorliegt. Das Bundesgericht legt den Begriff der Rechtsstreitigkeit dahin aus, dass die Streitigkeit im Zusammenhang mit einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition stehen muss (BGE 147 I 333 E. 1.6.1; 144 I 181 E. 5.3.2.1; 143 I 336 E. 4.1; je mit Hinweisen).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine beanstandete Handlung als anfechtbarer Hoheitsakt einzustufen ist, ist zu berücksichtigen, wieweit das betreffende Verhalten geeignet ist, Grundrechte oder andere Rechtsschutzbedürfnisse zu verletzen, da die Anfechtbarkeit auch von der materiellen Rechtslage und den damit verbundenen Bedürfnissen nach gerichtlicher Kontrolle her konzipiert werden muss (Art. 29a BV; Art. 13 EMRK; BGE 145 I 121 E. 1.1.2 mit Hinweisen).
4.2. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Genossenschaft im Sinn von Art. 828 ff. OR (SR 220). Mit der Beschwerde macht sie in eigenem Namen die Interessen der Mehrheit oder einer Grosszahl ihrer Mitglieder geltend. Über ein schützenswertes Interesse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG verfügt sie, wenn eine Grosszahl ihrer Mitglieder zur Beschwerde legitimiert wären (vgl. zu solchen sog. "egoistischen Verbandsbeschwerden" BGE 142 II 80 E. 1.2.2.). Gemäss den Statuten vertritt die Beschwerdeführerin die Interessen der Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz, sowohl des fahrenden wie des sesshaften Teils dieser Minderheiten. Ihre zentrale Aufgabe ist es, eine politische Stimme dieser Minderheiten zu sein und deren Anliegen in der Öffentlichkeit und gegenüber Behörden zu vertreten. Sie fördert alle Bestrebungen, welche diese Minderheiten stärken, namentlich die Schaffung von Lebensraum durch Stand- und Durchgangsplätze. Mitglieder können Angehörige der Jenischen, Sinti und Roma und im Weiteren auch Freunde dieser Minderheiten werden, wobei letztere alle Rechte ausser der Nutzung der Stand- und Durchgangsplätze geniessen. Der Präsident soll ein Angehöriger der Minderheit sein (vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 8a der Statuten; www.radgenossenschaft.ch Über uns/Statuten, aufgesucht am 18. Februar 2021).
4.3. Fraglich ist, ob die Beschwerdeführerin über ein nach Art. 29a BV erforderliches schutzwürdiges Interesse verfügt, insbesondere ob sie die erforderliche Nähe zum angefochtenen Beschluss hat und von diesem genügend intensiv betroffen ist. Zur Anfechtung eines Akts im Rahmen einer egoistischen Verbandsbeschwerde müssten diese Voraussetzungen auf eine Mehrheit oder eine Grosszahl der einzelnen Mitglieder der beschwerdeführenden juristischen Person zutreffen. Die egoistische Verbandsbeschwerde dient nicht der Geltendmachung öffentlicher Interessen. Wie der Kanton St. Gallen zu Recht vorbringt, legt die Beschwerdeführerin jedoch nicht dar (vorne E. 1.1), dass eine Grosszahl ihrer Mitglieder ein schutzwürdiges Interesse am Beschluss betreffend den provisorischen Durchgangsplatz in Thal haben. Die geltend gemachte besondere Nähe betrifft vielmehr die von der Beschwerdeführerin vertretenen Minderheiten und das öffentliche Interesse an Beschlüssen über Durchgangsplätze. Der angefochtene Entscheid betrifft zudem nicht die Frage, ob am vorgesehenen Standort ein Durchgangsplatz eingerichtet werden soll, sondern, ob vorgängig zu einem langfristigen an jenem Standort ein provisorischer Durchgangsplatz - "sozusagen als Testbetrieb", wie es die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde formuliert - geschaffen werden soll. Dass der Beschluss über eine solche Staffelung des Vorgehens in eine schützenswerte Rechtsposition einer Grosszahl der Mitglieder der Beschwerdeführerin genügend intensiv eingreifen könnte, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt und ist auch nicht offensichtlich. Damit konnte die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich darlegen, dass sie über die notwendige Nähe zum angefochtenen Akt verfügt (vgl. E. 1.1), aufgrund welcher Art. 29a BV dessen gerichtliche Überprüfung ermöglichen würde.
4.4. Soweit einzelne Aussagen der Gemeinde dahingehend verstanden wurden, dass sie sich nicht verpflichtet fühle, einen dauerhaften Durchgangsplatz zu schaffen, hat die Vorinstanz dieser Auffassung zu Recht klar widersprochen. So hat die Vorinstanz namentlich ausgeführt, dass die Gemeinde planungsrechtlich verpflichtet sei, die für die Errichtung und den Betrieb eines langfristigen Durchgangsplatzes für Jenische, Sinti und Roma erforderliche Anpassung des Zonenplanes in die Wege zu leiten. Die Gemeinde sei verpflichtet, die Instrumente der Ortsplanung innert zehn Jahren seit Vollzugsbeginn des Planungs- und Baugesetzes am 1. Oktober 2017 an das neue Recht anzupassen (Art. 175 Abs. 1 PBG/SG). Eine allfällige Weigerung der Gemeinde, den entsprechenden Prozess an die Hand zu nehmen, würde nach Ansicht der Vorinstanz wohl eine im Sinn der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV geschützte Rechtsposition der Beschwerdeführerin betreffen.
4.5. Die Vorinstanz hat damit nicht gegen übergeordnetes Recht verstossen, indem sie das Nichteintreten der Erstinstanz auf die Beschwerde gegen den gemeinderätlichen Beschluss über den provisorischen Durchgangsplatz für rechtmässig befand.
 
Erwägung 5
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Politischen Gemeinde Thal, Gemeinderat, dem Baudepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. Mai 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Der Gerichtsschreiber: Bisaz