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BGer 2C_291/2022 vom 18.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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2C_291/2022
 
 
Urteil vom 18. Mai 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Bundesrichter Beusch,
 
Bundesrichterin Ryter,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
Beschwerdeführer,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Frank Rutishauser,
 
gegen
 
Kantonale Steuerkommission/ Verwaltung für die direkte Bundessteuer des Kantons Schwyz,
 
Bahnhofstrasse 15, 6430 Schwyz.
 
Gegenstand
 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Schwyz und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2017,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, Kammer II, vom 21. Februar 2022 (II 2021 120).
 
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Eheleute A.________ (geb. 1967) und B.________ (geb. 1968) haben steuerrechtlichen Wohnsitz in U.________/SZ. Mit Verfügung vom 17. November 2020 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz (KSTV/SZ; nachfolgend: die Veranlagungsbehörde) die Eheleute für die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Schwyz und die direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2017. In Abweichung von der Steuererklärung würdigte sie, soweit hier interessierend, den Betrag von Fr. 258'400.-- als steuerbare Einkünfte. Die Veranlagungsbehörde erklärte dies folgendermassen: "Code 405: Der Erbvorbezug von Fr. 23'400.-- sowie die Erbschaft von Fr. 235'000.-- werden als Einkommen besteuert, da die Nachweise über die Zuteilungsnormen nicht erbracht wurden." Auf die Aufforderung der Veranlagungsbehörde vom 8. April 2020 zur Einreichung von Belegen hatten die Steuerpflichtigen, trotz Erinnerung und Mahnung, nicht reagiert.
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1. Die Veranlagungsbehörde versandte die Veranlagungsverfügung vom 17. November 2020 gleichentags im Verfahren "A-Post plus", worauf die Zustellung am 18. November 2020 erfolgte. Mit Eingabe vom 29. April 2021 erhoben die Eheleute Einsprache und stellten sie ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand. Sie machten geltend, sie hätten die Veranlagungsverfügung erst am 5. Februar 2021 zur Kenntnis nehmen können.
1.2.2. Zur näheren Begründung des Gesuchs brachten die Eheleute hauptsächlich vor, dass sie nach einem Aufenthalt in Deutschland erst am 25. November 2020 in die Schweiz zurückgekehrt seien. Die Ehefrau sei am folgenden Tag nach Brasilien gereist, wohin ihr der Ehemann am 23. Dezember 2020 gefolgt sei. Zu dieser Zeit habe der Ehemann an einer starken Erschöpfungsdepression gelitten. Zur Untermauerung der Krankheit legten die Eheleute ein Arztzeugnis vom 24. Februar 2021 vor, erstellt von einer Psychiaterin mit Praxis in Sao Paulo, die den Ehemann seit dem 28. Dezember 2020 behandelt hatte.
1.2.3. Mit Entscheid vom 15. Oktober 2021 trat die Kantonale Steuerkommission/Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer des Kantons Schwyz (StK/VdBSt/SZ; nachfolgend: die Einsprachebehörde) auf die Einsprache nicht ein. Sie erwog, das Arztzeugnis vom 24. Februar 2021 beziehe sich auf den Zeitraum vom 28. Dezember 2020 bis zum 24. Februar 2021 und damit nicht auf die 30-tägige Einsprachefrist, die vom 19. November bis zum 18. Dezember 2020 gedauert habe. Nichts anderes ergebe sich aus dem Schreiben der Psychiaterin, das diese am 8. Juni 2021 erstellt hatte.
1.3. Die Eheleute gelangten mit Rechtsschrift vom 18. November 2021 an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, das die Beschwerde abwies (Entscheid II 2021 120 vom 21. Februar 2021). Dieses kam beweiswürdigend zum Ergebnis, dass es sich bei den Schreiben der Psychiaterin vom 24. Februar 2021, 8. Juni 2021 und einem weiteren vom 17. November 2021 um Gefälligkeitsgutachten handle. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgereichte fachärztliche Stellungnahme eines deutschen Neurologen-Psychiaters aus Fürth (DE) sei als Parteistellungnahme zu würdigen. Dem Ehemann sei es misslungen, eine gesundheitliche Beeinträchtigung nachzuweisen, die ihn am rechtzeitigen Handeln hätte hindern können.
1.4. Mit Eingabe vom 11. April 2022 erheben die Eheleute beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Hierzu seien die Vorakten zu den Steuerperioden ab 2014 heranzuziehen. Die Eheleute rügen, dass die Vorinstanz auf den im vorinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag, die Veranlagungsverfügung vom 17. November 2020 sei nichtig zu erklären, gar nicht eingetreten sei. Dadurch sei die Vorinstanz gehörsverletzend vorgegangen.
1.5. Die Instruktionsrichterin (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat die vorinstanzlichen Akten zur Steuerperiode 2017 beigezogen, von weiteren Instruktionsmassnahmen, insbesondere von einem Schriftenwechsel gemäss Art. 102 Abs. 1 BGG, aber abgesehen.
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 146 DBG [SR 642.11] und Art. 73 StHG [SR 642.14]) sind gegeben. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.2. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 147 II 300 E. 1). Bei aller Rechtsanwendung von Amtes wegen werden, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), aber nur die geltend gemachten Rügen geprüft, es sei denn, die rechtlichen Mängel lägen geradezu auf der Hand (zum Ganzen: BGE 46 IV 88 E. 1.3.2).
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 147 V 124 E. 1.1).
 
Erwägung 3
 
3.1. Auf die verweigerte Wiedereinsetzung in den früheren Stand gehen die Eheleute im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr ein. Vielmehr rügen sie nunmehr eine Gehörsverletzung und begründen sie diese damit, dass die Vorinstanz die Nichtigkeit der Veranlagungsverfügung vom 17. November 2020, trotz gestellten Antrags, nicht untersucht habe. Wie aus den vorinstanzlichen Akten hervorgeht, die das Bundesgericht zufolge fehlender vorinstanzlicher Feststellung beiziehen kann (Art. 105 Abs. 2 BGG), hatten die Eheleute im damaligen Verfahren die Rüge der Nichtigkeit nicht vorgebracht. Dies ist für sich allein nicht schädlich, wie gleich zu zeigen ist.
3.2. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu berücksichtigen. Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel aber nur anfechtbar (und nicht nichtig). Entsprechend werden sie durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nichtigkeit herrscht nur, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er sich als offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar erweist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Materielle (inhaltliche) Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit. Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab formelle Mängel (funktionelle und sachliche Unzuständigkeit, krasse Verfahrensfehler) in Betracht (BGE 147 IV 93 E. 1.4.4).
 
Erwägung 3.3
 
3.3.1. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind im hier interessierenden Punkt verhältnismässig knapp ausgefallen. Letztlich entscheidend ist, dass der von den Eheleuten als steuerfrei deklarierte Betrag von Fr. 258'400.-- (Erbvorbezug von Fr. 23'400.-- sowie Erbschaft von Fr. 235'000.--) von der Veranlagungsbehörde in steuerbare Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit umqualifiziert wurde. Die Veranlagungsbehörde hielt die Aufrechnung für gerechtfertigt, weil die aus dem Ausland stammenden Mittel nicht hinreichend nachgewiesen worden seien. Sie hielt fest, dass "die Nachweise über die Zuteilungsnormen nicht erbracht worden" seien (vorne E. 1.1). Um welche Zuteilungsnormen es sich handeln könnte und inwiefern diese rechtserheblich sein könnten, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Gemäss Art. 24 lit. a DBG bleibt der Vermögensanfall infolge Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung oder güterrechtlicher Auseinandersetzung ohnehin steuerfrei. Dasselbe ergibt sich aus Art. 7 Abs. 4 lit. c StHG.
3.3.2. Insofern ist nicht auszuschliessen, dass der Veranlagungsbehörde ein Veranlagungsfehler unterlaufen sein könnte, sofern man mit Recht davon ausgehen könnte, dass ein Zufluss aus erbrechtlicher Quelle vorliegt. Zur Beanstandung eines derartigen Fehlers hätten die Eheleute innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Tagen Einsprache erheben können und müssen. Dass sie dies unentschuldigt unterlassen haben, haben sie selber zu vertreten. Die Frage der Wiedereinsetzung in den früheren Stand stellt sich im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr, nachdem keine dahingehende Rüge vorliegt.
3.3.3. Einen eigentlichen Nichtigkeitsgrund stellt die möglicherweise fehlerhafte Besteuerung des Vermögensanfalls infolge Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung oder güterrechtlicher Auseinandersetzung freilich nicht dar. Jedenfalls können die Steuerpflichtigen nicht mit Fug vorbringen, die Veranlagungsbehörde sei der ihr obliegenden Untersuchungspflicht nicht nachgekommen. Nichtigkeit ist auch abgaberechtlich nur mit einiger Zurückhaltung anzunehmen. Im diesbezüglich einschlägigen Urteil 2C_679/2016 vom 11. Juli 2017 hat das Bundesgericht die Nichtigkeit einzig bejaht, weil die Veranlagungsbehörde das steuerbare Einkommen im Verlauf mehrerer Steuerperioden systematisch und betraglich ansteigend veranlagt hatte, ohne hierzu irgendwelche Untersuchungs- oder Abklärungsmassnahmen getroffen zu haben (dortige E. 5.2 und 5.3).
3.3.4. So verhält es sich vorliegend aber nicht: Zur Diskussion steht lediglich die Steuerperiode 2017, wobei es um einen Vermögenszufluss aus ausländischer Quelle geht. Macht eine steuerpflichtige Person geltend, es seien
3.3.5. Die Eheleute räumen im bundesgerichtlichen Verfahren ein, dass sie die seitens der Veranlagungsbehörde gestellte Anfrage vom 8. April 2020 unbeantwortet gelassen hätten. Auf die Erinnerung und die Mahnung, die beide im Oktober 2020 ergingen, haben sie in gleicher Weise nicht reagiert Bei gehöriger Mitwirkung hätten sie wohl das nötige Licht in die Sache bringen können. Auch diese Unterlassung haben sie sich selber zuzuschreiben. Die Nichtigkeit, die sich angeblich auch deshalb einstellen soll, weil die Veranlagungsbehörde keinerlei Abklärungen getroffen habe, lässt sich allein auf diese Weise nicht herleiten. Die diesbezüglichen Überlegungen der Steuerpflichtigen verfangen nicht.
3.4. Die Beschwerde erweist sich mithin als offensichtlich unbegründet. Die Sache kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG entschieden werden.
 
Erwägung 3.5
 
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Eheleuten aufzuerlegen (Art. 65 in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG), wofür diese zu gleichen Teilen und solidarisch haften (Art. 66 Abs. 5 BGG). Dem Kanton Schwyz, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2017, wird abgewiesen.
 
2. Die Beschwerde betreffen die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Schwyz, Steuerperiode 2017, wird abgewiesen.
 
3. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. Diese tragen ihren Anteil zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer II, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. Mai 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher