Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 5A_345/2022 vom 19.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
5A_345/2022
 
 
Urteil vom 19. Mai 2022
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
c/o Pflegezentrum U.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, Hirschengraben 15, Postfach, 8021 Zürich,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Rechtsverweigerung etc. (fürsorgerische Unterbringung),
 
Beschwerde gegen das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer (PZ220022).
 
 
1.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) der Stadt Zürich stellte mit Beschluss vom 27. Januar 2022 unter anderem fest, dass die Voraussetzungen für die fürsorgerische Unterbringung der Beschwerdeführerin im Pflegezentrum U.________ weiterhin erfüllt seien, nahm davon Vormerk, dass die Zuständigkeit für die Entlassung bzw. für die Verlegung weiterhin bei der ärztlichen Leitung der Einrichtung liege, in der sich die Beschwerdeführerin aufhalte, und ersuchte die ärztliche Leitung des Pflegezentrums U.________ um umgehende Information über die Entlassung, eine allfällige Verlegung oder einen freiwilligen Aufenthalt der Beschwerdeführerin.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 11. Februar 2022 Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich. Sie verlangte die Aufhebung der fürsorgerischen Unterbringung, eventuell die Übertragung der Entlassungs-/Verlegungskompetenz an die KESB der Stadt Zürich und die Verpflichtung der KESB der Stadt Zürich, sie in eine andere geeignete Pflegeeinrichtung zu verlegen, sowie die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung. An der Anhörung/Hauptverhandlung vom 17. Februar 2022 zog die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde zurück. Mit Verfügung vom 23. Februar 2022 schrieb das Bezirksgericht das Verfahren als durch Rückzug erledigt ab. Es bewilligte der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege, bestellte ihr Rechtsanwältin B.________ als unentgeltliche Rechtsbeiständin und regelte Entschädigung und Kosten (Geschäfts-Nr. FF220030).
Gegen diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin am 4. März 2022 (Poststempel) sinngemäss Beschwerde beim Bezirksgericht. Das Bezirksgericht überwies die Eingabe zuständigkeitshalber dem Obergericht des Kantons Zürich. Mit Urteil vom 18. März 2022 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Geschäfts-Nr. PA220014-O/U).
Mit Schreiben vom 7. April 2022 (Poststempel 8. April 2022) gelangte die Beschwerdeführerin an das Obergericht. Mit Schreiben vom 14. April 2022 (Geschäfts-Nr. PZ220022) hielt das Obergericht fest, dass es das Schreiben der Beschwerdeführerin ohne Weiterungen bei sich ablegen werde, da darin keine konkreten Anträge erkennbar seien, die sich auf ein bestimmtes Verfahren bezögen. Ausserdem nahm das Obergericht davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin eine Vertretung durch Rechtsanwältin B.________ ablehne.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2022 (Poststempel 5. Mai 2022) gelangte die Beschwerdeführerin erneut an das Obergericht. Das Obergericht antwortete ihr mit Schreiben vom 6. Mai 2022 (Geschäfts-Nr. PZ220031).
Mit Eingabe vom 10. Mai 2022 (Postaufgabe 11. Mai 2022) hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesgericht "gegen das Obergericht" und "gegen die KESB" erhoben. Das Bundesgericht hat die wesentlichen, die Prozessgeschichte betreffenden Akten beigezogen.
2.
Die Beschwerdeführerin nennt kein Anfechtungsobjekt, gegen das sich ihre Beschwerde richtet.
2.1. Die Beschwerdeführerin erwähnt zwei Schreiben bzw. Beschwerden an das Bundesgericht, je vom 8. März 2022, wobei die eine von ihr persönlich unterzeichnet sein soll und es sich bei der anderen um eine von Rechtsanwältin B.________ unterzeichnete Kopie davon handeln soll. Dem Bundesgericht sind keine solchen Eingaben bekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, gegen welchen anfechtbaren Entscheid sich eine Beschwerde vom 8. März 2022 an das Bundesgericht hätte richten können. Gemäss Auskunft des Obergerichts des Kantons Zürich hat dieses nämlich während des in Betracht fallenden Zeitraums keinen Entscheid gefällt, der die Beschwerdeführerin betrifft.
2.2. Die Beschwerdeführerin bezieht sich auch nicht ausdrücklich auf das Urteil des Obergerichts vom 18. März 2022 (Geschäfts-Nr. PA220014-O/U). Insoweit wäre eine Beschwerde ohnehin verspätet. Die Beschwerdeführerin hat dieses Urteil am 21. März 2022 entgegengenommen, womit die dreissigtägige Beschwerdefrist, unter Berücksichtigung der Osterferien, am 5. Mai 2022 abgelaufen ist (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG).
2.3. Die Beschwerdeführerin erwähnt in ihrer Eingabe an das Bundesgericht allerdings die Verhandlung vom 17. Februar 2022 und die Verfügung vom 23. Februar 2022. Zudem bittet sie darum, ihr Schreiben vom 7. April 2022 nochmals zu lesen.
Es ist demnach zu prüfen, ob die Eingabe vom 7. April 2022 eine Beschwerde gegen das Urteil vom 18. März 2022 darstellt, die vom Obergericht an das Bundesgericht hätte weitergeleitet werden müssen, statt abgelegt zu werden (Art. 48 Abs. 3 BGG). Das Obergericht hat in seinem Schreiben vom 14. April 2022 denn auch festgehalten, dass die Beschwerdeführerin sich wahrscheinlich auf das bezirksgerichtliche Beschwerdeverfahren FF220030 beziehe. Dieses Beschwerdeverfahren liegt dem obergerichtlichen Urteil vom 18. März 2022 zugrunde.
In ihrem Schreiben vom 7. April 2022 bittet die Beschwerdeführerin darum, ihren Fall zu untersuchen. Sie erhebt Vorwürfe gegen Rechtsanwältin B.________, erwähnt die Hauptverhandlung vom 17. Februar 2022 und die Verfügung vom 23. Februar 2022 und sie schildert verschiedene Vorkommnisse, die teils schon längere Zeit zurückzuliegen scheinen. Ein klarer Wille, das Urteil vom 18. März 2022 anzufechten, geht daraus nicht hervor. Wenn das Obergericht diese Eingabe trotz der Erwähnung der Hauptverhandlung und der Verfügung nicht als Beschwerde gegen seinen eigenen Entscheid erachtet und weitergeleitet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Hätte es dies getan, wäre das Bundesgericht auf die Eingabe entweder mangels klaren Beschwerdewillens nicht eingetreten oder - falls es sie als Beschwerde entgegengenommen hätte - hätte es darauf mangels genügender Begründung, d.h. mangels Auseinandersetzung mit dem obergerichtlichen Urteil vom 18. März 2022, nicht eintreten können (Art. 42 Abs. 2 BGG).
2.4. Das Obergericht hat auf die Eingabe vom 7. April 2022 mit Schreiben vom 14. April 2022 geantwortet. Das Schreiben vom 14. April 2022 stellt keinen anfechtbaren Entscheid dar. Gegen das unrechtmässige Verweigern eines anfechtbaren Entscheids kann allerdings Rechtsverweigerungsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben werden (Art. 94 BGG). Es stellt sich mithin die Frage, ob das Obergericht gestützt auf die Eingabe vom 7. April 2022 hätte ein Verfahren eröffnen und einen anfechtbaren Entscheid fällen müssen.
Die Beschwerdeführerin legt vor Bundesgericht jedoch nicht dar, was für einen Entscheid sie vom Obergericht wünscht. Der blosse Wunsch, dass ihre Eingabe vom 7. April 2022 nochmals gelesen werde, zielt noch nicht auf die Eröffnung und den Abschluss eines formellen Verfahrens. Zwar bittet die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 7. April 2022 das Obergericht um eine Untersuchung ihres Falles, doch äussert sie sich dazu vor Bundesgericht nicht. Zudem macht die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht erneut geltend, dass sie Rechtsanwältin B.________ nicht mehr wolle, und sie erhebt Vorwürfe gegen sie. Davon hat das Obergericht in seinem Schreiben vom 14. April 2022 jedoch bereits Kenntnis genommen. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass sie diesbezüglich vom Obergericht konkrete Verfahrenshandlungen oder einen Entscheid fordern würde. Es ist demnach weder hinreichend dargetan noch ersichtlich (zum Inhalt des Schreibens vom 7. April 2022 oben E. 2.3), dass das Obergericht gestützt auf das Schreiben vom 7. April 2022 ein eigenes, formelles Verfahren hätte eröffnen und einen Entscheid fällen müssen.
2.5. In den Beilagen zur Beschwerde an das Bundesgericht findet sich schliesslich die Kopie des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 4. Mai 2022 an das Obergericht. Sie bittet darin um Einsetzung von Rechtsanwältin C.________. Das Obergericht hat ihr diesbezüglich am 6. Mai 2022 geantwortet, dass es ausserhalb eines hängigen Verfahrens am Obergericht keine Rechtsvertretung bestellen könne (Geschäfts-Nr. PZ220031). Die Beschwerdeführerin bezieht sich in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht weder auf ihr Schreiben vom 4. Mai 2022 noch auf die Antwort des Obergerichts darauf und sie macht nicht geltend, dass das Obergericht in dieser Hinsicht tätig werden müsste.
Fraglich ist allerdings, ob das Schreiben vom 4. Mai 2022 (Poststempel: 5. Mai 2022) nicht als (fristgerechte) Beschwerde im Hinblick auf das Urteil vom 18. März 2022 hätte entgegengenommen und weitergeleitet werden müssen. Die Beschwerdeführerin macht darin nämlich ausserdem geltend, sie habe das Verfahren (recte: die Beschwerde) nicht von sich aus zurückgezogen. Das Obergericht hat - wie aus dem Schreiben vom 6. Mai 2022 hervorgeht - erkannt, dass ein Bezug zum Urteil vom 18. März 2022 (Geschäfts-Nr. PA220014-O/U) bestehen könnte. Wäre das Schreiben vom 4. Mai 2022 als Beschwerde aufzufassen, so hätte ihr jedoch kein Erfolg beschieden sein können: Eine Auseinandersetzung mit den obergerichtlichen Erwägungen zum Klagerückzug und zur Revision (Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO) im Urteil vom 18. März 2022 fehlt. Im Übrigen hat das Obergericht in diesem Urteil darauf hingewiesen, dass das Bezirksgericht für die Behandlung eines Revisionsgesuchs zuständig wäre. Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht nicht geltend, dass das Schreiben vom 4. Mai 2022 als sinngemässes Revisionsgesuch an das Bezirksgericht hätte weitergeleitet werden müssen.
2.6. Soweit sich die Beschwerde gegen das Obergericht richtet, ist sie demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Soweit die Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen die KESB richtet, kann darauf von vornherein nicht eingetreten werden, und zwar auch nicht im Rahmen einer Rechtsverweigerungsbeschwerde, da die KESB nicht Vorinstanz des Bundesgerichts ist (Art. 75 und Art. 94 BGG).
3.
Aufgrund der Umstände ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, ihrer Beiständin, der KESB der Stadt Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2022
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Herrmann
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg