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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 5A_624/2021 vom 19.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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5A_624/2021
 
 
Urteil vom 19. Mai 2022
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Buss.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Betreibungsamt Emmental-Oberaargau, Dienststelle Emmental, Dunantstrasse 7C, 3400 Burgdorf.
 
Gegenstand
 
Zustellung eines Zahlungsbefehls,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
 
des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs-
 
und Konkurssachen, vom 21. Juli 2021 (ABS 21 187).
 
 
 
Erwägung 1
 
A.________ wird für ausstehende Krankenversicherungsprämien und Kostenbeteiligungen betrieben. Gemäss Zustellzeugnis auf den einschlägigen Betreibungsurkunden konnte ihm am 25. Mai 2021 persönlich der Zahlungsbefehl Nr. zzz des Betreibungsamtes Emmental-Oberaargau zugestellt werden.
A.________ erhob am 8. Juni 2021 Rechtsvorschlag. Mit Verfügung vom 9. Juni 2021 wies das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag in der erwähnten Betreibung als verspätet zurück.
Am 13. Juni 2021 gelangte A.________ an die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen des Kantons Bern. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die gültige Erfassung seines Rechtsvorschlages. Sodann verlangte er, dass ihm in Zukunft Zahlungsbefehle in einem neutralen Couvert per Einschreiben zugestellt werden und verlangte die Streichung der Zahlungsbefehlskosten. Mit Entscheid vom 21. Juli 2021 wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde und das Gesuch um Wiederherstellung ab.
Mit Eingabe vom 5. August 2021 (Postaufgabe) ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt darin die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und erneuert seine im kantonalen Verfahren gestellten Begehren. Die Vorinstanz und das Betreibungsamt haben auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet.
 
Erwägung 2
 
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheides massgeblichen Erwägungen aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden, wenn die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich (Art. 9 BV; BGE 135 III 127 E. 1.5 mit Hinweis) - ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
 
Erwägung 3
 
Die Vorinstanz hat erwogen, angefochten sei die Rückweisungsverfügung des Betreibungsamts vom 9. Juni 2021, die der Beschwerdeführer seiner Beschwerde beigelegt habe. Hingegen substanziiere der Beschwerdeführer nicht weiter, gegen welche anderen Handlungen des Betreibungsamts sich seine Beschwerde richte. Auf Rügen gegen nicht näher spezifizierte (frühere) Bedarfsrechnungen sei nicht einzutreten. Soweit die Beschwerde im Übrigen an die Hand zu nehmen sei, erweise sie sich als unbegründet. Die offene Übergabe des Zahlungsbefehls sei laut Gesetz nicht nur zulässig, sondern erforderlich, damit die ordnungsgemässe Zustellung bewiesen werden und der Schuldner sogleich gegenüber dem zustellenden Postbeamten Rechtsvorschlag erheben könne. Die offene Zustellung beruhe folglich auf sachlich begründeten Formvorschriften, weshalb sie vom Schuldner zu dulden sei und keine Verletzung von Persönlichkeitsrechten darstelle. Solche Unannehmlichkeiten lägen vielmehr im Wesen der Zwangsvollstreckung. Soweit der Beschwerdeführer eine andere Form der Zustellung wünsche (diskret, in neutralem Couvert), sei sein Begehren abzuweisen. Sodann komme der Zustellbescheinigung auf dem Zahlungsbefehl für ihren Inhalt solange volle Beweiskraft zu, als der Nachweis ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit nicht erbracht werden könne. Insofern statuiere das Gesetz eine Vermutung, welche nur durch den Beweis des Gegenteils im Sinne eines Hauptbeweises umgestossen werden könne. Vorliegend lägen den gesetzlichen Erfordernissen von Art. 72 Abs. 2 SchKG entsprechende Zustellzeugnisse vor und die Sendungsverfolgung der Schweizerischen Post lasse ebenfalls eine Zustellung am 25. Mai 2021 (15.10 Uhr) erkennen. Diesen Beweis vermöge der Beschwerdeführer nicht umzustossen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers würden sich in der unbelegten Behauptung erschöpfen, er sei zum Zeitpunkt der Zustellung abwesend gewesen und habe die Zahlungsbefehle im Briefkasten vorgefunden. Der Beschwerdeführer habe auch keine weiteren Beweismittel angeboten, mit denen eine fehlerhafte Zustellung dargetan werden könnte. Namentlich habe er nicht durch Zeugen oder Urkunden belegt, an welchem (anderen) Ort er sich zum Zeitpunkt der Zustellung aufgehalten habe. Eine fehlerhafte Zustellung sei damit nicht bewiesen. Nachdem keine Zustellmängel erkennbar seien, bleibe unerfindlich, warum das Betreibungsamt die Betreibungskosten übernehmen sollte.
 
Erwägung 4
 
Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten und das Bundesgericht dem Beschwerdeführer überdies bereits in einem früheren Verfahren erörtert hat, muss, wer die Zustellbescheinigung auf dem Zahlungsbefehl bestreitet, beweisen, dass diese inhaltlich unrichtig ist (Urteil 5A_418/2017 vom 31. Januar 2018 E. 3.2 mit Hinweisen). Erstmals vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer nun geltend, dass er am 25. Mai 2021 zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls Nr. zzz in Burgdorf gewesen sei und dort die Beschwerde in Sachen "Verspäteter Rechtsvorschlag in Betreibung Nr. xxx und yyy" bei der Post aufgegeben habe. Anhand der Sendungsnummer auf dem Couvert, welches sich in den Akten des Verfahrens ABS 21 187 (recte: ABS 21 161) befinde, könne dies ohne Weiteres überprüft werden. Dass die Zustellung am 25. Mai 2021 um 15.10 Uhr stattgefunden habe, habe er erst dem angefochtenen Entscheid entnehmen können, weshalb er seine Abwesenheit zu diesem Zeitpunkt nicht bereits im kantonalen Verfahren habe darlegen können. Mit dieser Argumentation betreffend die ausnahmsweise Zulässigkeit der neuen Vorbringen nach Art. 99 Abs. 1 BGG blendet der Beschwerdeführer aus, dass ihm - wie aus dem angefochtenen Entscheid hervorgeht und vom Beschwerdeführer auch ausdrücklich anerkannt wird - von der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Verfügung vom 1. Juli 2021 ein Doppel der Vernehmlassung des Betreibungsamts (samt Beilagen) zur freigestellten Äusserung zugestellt wurde. Unter den vom Betreibungsamt mit seiner Vernehmlassung vom 25. Juni 2021 eingereichten Beilagen befand sich neben der für den Gläubiger und für den Schuldner bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls Nr. zzz insbesondere auch der im angefochtenen Entscheid erwähnte Track & Trace-Auszug der Schweizerischen Post. Damit aber hätte der Beschwerdeführer allfällige Beweise, die seine Abwesenheit zum Zustellungszeitpunkt belegen sollen, sehr wohl bereits im vorinstanzlichen Verfahren benennen können. Das erstmals vor Bundesgericht angerufene Beweismittel und die hierzu gemachten Ausführungen sind daher unbeachtlich.
 
Erwägung 5
 
In seiner weiteren Beschwerdebegründung geht der Beschwerdeführer nicht auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid ein und zeigt nicht auf, inwiefern diese Bundesrecht verletzen sollen. Stattdessen schildert der Beschwerdeführer seine persönliche, gesundheitliche und finanzielle Situation. Insofern genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht (s. vorne E. 2).
 
Erwägung 6
 
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausnahmsweise rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Das sinngemässe Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird damit gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Emmental-Oberaargau und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2022
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied Der Gerichtsschreiber:
 
Escher Buss