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BGer 5A_707/2021 vom 19.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
5A_707/2021
 
 
Urteil vom 19. Mai 2022
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Buss.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kanton Zug,
 
handelnd durch das Obergericht des Kantons Zug,
 
Gerichtskasse,
 
Kirchenstrasse 6, Postfach 760, 6301 Zug,
 
Beschwerdegegner,
 
Betreibungsamt Root-Gisikon-Honau, Schulstrasse 14, 6037 Root.
 
Gegenstand
 
Pfändung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 16. August 2021 (2K 21 2).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Der Kanton Zug betrieb A.________ mit Zahlungsbefehl Nr. xxx/BA Risch vom 17. Januar 2018 für Fr. 22'200.-- nebst 5 % Zins seit 2. Dezember 2017. A.________ erhob Rechtsvorschlag. Nachdem der Einzelrichter des Kantonsgerichts Zug die definitive Rechtsöffnung erteilt hatte, stellte der Kanton Zug am 9. August 2018 beim Betreibungsamt-Root-Gisikon-Honau gestützt auf Art. 48 SchKG ein Begehren um Fortsetzung der Betreibung Nr. xxx/BA Risch am Aufenthaltsort des Schuldners. Das Betreibungsamt Root-Gisikon-Honau stellte daraufhin am 21. August 2018 und am 12. September 2018 eine Pfändungsankündigung bzw. Vorladung in der Betreibung Nr. yyy (Fortsetzung der Betreibung Nr. xxx/BA Risch) aus und sandte diese dem Schuldner zu. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde am 3. Januar 2019 vom Bezirksgericht Hochdorf als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde nach SchKG abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Der Beschwerde-Weiterzug nach Art. 18 SchKG blieb erfolglos (Entscheid des Kantonsgerichts Luzern als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 5. März 2019). Nachdem in der Folge ein Gesuch um polizeiliche Zuführung nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte, publizierte das Betreibungsamt Root-Gisikon-Honau in der Betreibung Nr. yyy eine weitere Pfändungsankündigung/Vorladung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und im Luzerner Kantonsblatt. Auf eine gegen die Publikation der Pfändungsankündigung gerichtete Beschwerde des Schuldners vom 28. November 2019 trat die untere Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 12. Mai 2020 nicht ein.
B.
Da sich der Schuldner zum angekündigten Pfändungsvollzug nicht einfand, vollzog das Betreibungsamt-Root-Gisikon-Honau die Pfändung am 26. November 2019 in dessen Abwesenheit. Die Pfändungsurkunde wurde am 12. Februar 2020 ausgestellt (Pfändung Nr. zzz). Diese wurde an den Schuldner per Einschreiben sowohl an die Adresse U.________strasse 16 in V.________ als auch an die Adresse W.________strasse 20 in X.________ versandt. Unter der Adresse in X.________ konnte der Empfänger nicht ermittelt werden. Die an die Adresse in V.________ versandte Pfändungsurkunde wurde dem Schuldner am 24. Februar 2020 mit einer Frist bis 2. März 2020 zur Abholung gemeldet, wobei die Frist durch den Schuldner bis 23. März 2020 verlängert und die Sendung schliesslich nicht abgeholt wurde. Mit Entscheid vom 10. Mai 2021 trat das Bezirksgericht Hochdorf als untere kantonale Aufsichtsbehörde nach SchKG auf die von A.________ am 15. März 2021 (Postaufgabe) erhobene Beschwerde betreffend die Betreibung Nr. yyy und die Pfändung Nr. zzz wegen Fristversäumnis nicht ein.
C.
Das Kantonsgericht Luzern als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs wies die von A.________ alsdann erhobene Beschwerde am 16. August 2021 ab, soweit es darauf eintrat.
D.
A.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 6. September 2021 an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt namentlich die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die umgehende Aufhebung sämtlicher Betreibungs- und Pfändungshandlungen.
Mit Präsidialverfügung vom 11. Januar 2022 wurde dem erneuten Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, in der Sache hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen unabhängig eines Streitwertes der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerde ist fristgerecht erhoben worden (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) und grundsätzlich zulässig.
1.2. Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens war ein Nichteintretensentscheid. Damit beschränkte sich die Frage vor der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde darauf, ob die untere kantonale Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde nach Art. 17 SchKG zu Recht nicht eingetreten ist. Streitgegenstand vor Bundesgericht ist deshalb grundsätzlich nur die Frage, ob die Vorinstanz den Nichteintretensentscheid der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde zu Recht bestätigt hat, und hierauf hat sich die Beschwerdebegründung zu beziehen und zu beschränken. Soweit die vom Beschwerdeführer gestellten Anträge und erhobenen Rügen über diesen Streitgegenstand hinausgehen, kann darauf von vornherein nicht eingetreten werden.
 
Erwägung 2
 
Anlass zur Beschwerde gibt die Frage, ob die Vorinstanz den Nichteintretensentscheid der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde zu Recht bestätigt hat.
2.1. Die Vorinstanz hat dazu erwogen, die untere Aufsichtsbehörde habe zutreffend gestützt auf die Empfangsbestätigung BMZ der Post ausgeführt, das Einschreiben mit der Pfändungsurkunde sei dem Beschwerdeführer am 24. Februar 2020 zur Abholung bis 2. März 2020 gemeldet worden und am 24. März 2020 mit dem Vermerk "nicht abgeholt" ans Betreibungsamt Root-Gisikon-Honau zurückgesandt worden, weshalb die Pfändungsurkunde gemäss der sog. Zustellungsfiktion - unabhängig von der konkreten durch die Post gewährten Abholungsfrist - am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt gelte. Nachdem der Beschwerdeführer gegen die Zustellung der Pfändungsankündigung in der Betreibung Nr. yyy/BA Root-Gisikon-Honau Beschwerde geführt habe, habe er offensichtlich Kenntnis davon gehabt, dass die Pfändung am 26. November 2019 vollzogen wurde und ihm in der Folge die Pfändungsurkunde zugestellt werden würde. Es sei damit erstellt, dass die untere Aufsichtsbehörde die am 15. März 2021 erhobene Beschwerde zu Recht als verspätet qualifiziert habe und in der Folge auf sie nicht eingetreten sei. Damit habe die untere Aufsichtsbehörde auch das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers nicht verletzt. Könnte bei einem zu Recht erfolgten Nichteintretensentscheid infolge verpasster Frist erfolgreich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt werden, würden sämtliche Fristen im Rechtsverkehr ad absurdum geführt.
2.2. Dieser vorinstanzlichen Beurteilung ist im Ergebnis ohne Weiteres beizupflichten. Gemäss Art. 34 Abs. 1 SchKG erfolgt die Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen und Entscheiden der Betreibungs- und Konkursämter sowie der Aufsichtsbehörden durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, sofern das Gesetz - was bezüglich der Zustellung von Pfändungsurkunden nicht der Fall ist - nicht etwas anderes vorschreibt (BGE 54 III 246 E. 1; Urteil 7B.17/2007 vom 6. Juni 2007 E. 3; JENT-SØRENSEN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 18 zu Art. 112 SchKG). Es handelt sich bei Art. 34 SchKG um eine Ordnungsvorschrift, die sicherstellen will, dass dem Beamten jederzeit der Beweis für die Mitteilung zur Verfügung steht (BGE 121 III 11 E. 1; Urteile 5A_590/2020 vom 12. April 2021 E. 3, in: BlSchK 2021 S. 109; 7B.75/2006 vom 6. Juli 2006 E. 2.2.2). Entgegen der gegenteiligen Behauptung des Beschwerdeführers ist diese Vorschrift vom Betreibungsamt vorliegend eingehalten worden, indem dieses die Zustellung der Pfändungsurkunde mittels eingeschriebenen Briefes vorgenommen hat. Nach den allgemeinen Grundsätzen gilt eine eingeschriebene Sendung, soweit der Adressat bei einer versuchten Zustellung nicht angetroffen und daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt wird, in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie bei der Post abgeholt wird; geschieht dies nicht innert der Abholfrist, welche sieben Tage beträgt, so gilt die Sendung (fiktiv) als am letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit der Zustellung hätte rechnen müssen (BGE 130 III 396 E. 1.2.3; 127 I 31 E. 2a/aa; 117 III 4; zit. Urteil 5A_590/2020 vom 12. April 2021 E. 3; BAERISWYL/MILANI/SCHMID, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], 4. Aufl. 2017, N. 17 zu Art. 34 SchKG). Diese sogenannte "Zustellungsfiktion" ist auch in dem von der Vorinstanz zur Anwendung gebrachten Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO verankert. Sie rechtfertigt sich, weil für die an einem Verfahren Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Pflicht besteht, dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akte eröffnet werden können. Die Zustellungsfiktion gilt nach der Rechtsprechung während eines hängigen Verfahrens, wenn die Verfahrensbeteiligten mit der Zustellung eines behördlichen oder gerichtlichen Entscheides oder einer Verfügung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit rechnen müssen (BGE 130 III 396 E. 1.2.3; Urteil 2C_364/2021 vom 5. August 2021 E. 3.3.2; NORDMANN/ONEYSER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 8b zu Art. 34 SchKG). Den vorinstanzlichen Erwägungen betreffend die Erfüllung der genannten Voraussetzungen im konkreten Fall vermag der Beschwerdeführer nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Der vom Bundesrat beschlossene Corona-Rechtsstillstand betraf lediglich den Zeitraum vom 19. März 2020 bis 4. April 2020 (Verordnung über den Rechtsstillstand gemäss Artikel 62 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 18. März 2020; SR 281.241; AS 2020 839) und auch der Umstand, dass das Bezirksgericht Hochdorf als untere kantonale Aufsichtsbehörde nach SchKG über die am 28. November 2019 gegen die Publikation der Pfändungsankündigung/Vorladung erhobene Beschwerde im Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungsurkunde noch nicht entschieden hatte, ist kein Argument dafür, dass der Beschwerdeführer für die Entgegennahme seiner Post nicht hätte besorgt sein müssen.
3.
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Root-Gisikon-Honau und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2022
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Buss