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BGer 1B_67/2022 vom 23.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
1B_67/2022, 1B_68/2022, 1B_69/2022,
 
 
1B_97/2022, 1B_99/2022
 
 
Verfügung vom 23. Mai 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Haag, als Einzelrichter,
 
Gerichtsschreiber Schurtenberger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1B_67/2022
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Hohler,
 
1B_68/2022, 1B_97/2022
 
B.________ GmbH,
 
Beschwerdeführerin,
 
1B_69/2022, 1B_99/2022
 
C.________ Limited,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Benjamin Leupi-Landtwing,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Qualifizierte Wirtschaftskriminalität und internationale Rechtshilfe,
 
Weststrasse 70, 8003 Zürich.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Entsiegelung,
 
Beschwerden gegen die Verfügung und die Teilurteile des Bezirksgerichts Zürich, Zwangsmassnahmengericht, Einzelrichter, vom 7. Januar 2022, 20. Januar 2022, 10. Februar 2022 und 11. Februar 2022.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich führte eine Strafuntersuchung gegen D.________ und E.________ wegen des Verdachts auf Veruntreuung und/oder ungetreuer Geschäftsbesorgung. Im Rahmen dieser Strafuntersuchung wurde am 9. Dezember 2021 eine Hausdurchsuchung in der Privatwohnung von A.________ sowie den Geschäftsräumlichkeiten der C.________ Limited und der B.________ GmbH durchgeführt. A.________ sowie die C.________ Limited und die B.________ GmbH, beides Gesellschaften, in deren Verwaltungsrat A.________ Einsitz hat, verlangten jeweils die Siegelung der anlässlich der Hausdurchsuchungen sichergestellten Gegenstände.
 
B.
 
Mit Verfügung und Teilurteil vom 7. Januar 2022 hiess das Bezirksgericht Zürich, Einzelgericht als Zwangsmassnahmengericht, das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft teilweise gut und gab ausgewählte Dokumente und Daten zur Durchsuchung frei. Bezüglich der restlichen Dokumente und Daten wurde das weitere Vorgehen im Entsiegelungsverfahren festgelegt. Mit drei inhaltlich weitgehend übereinstimmenden Eingaben vom 7. Februar 2022 erheben A.________ (Verfahren 1B_67/2022), die B.________ GmbH (Verfahren 1B_68/2022) und die C.________ Limited (Verfahren 1B_69/2022) Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen in erster Linie, den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts aufzuheben und das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft abzuweisen. Weiter werden zahlreiche Eventualanträge gestellt und die Gewährung der aufschiebenden Wirkung sowie die Anordnung vorsorglicher Massnahmen beantragt.
Das Zwangsmassnahmengericht hielt in seiner Vernehmlassung vom 21. Februar 2022 an seinem Entscheid fest. Die Staatsanwaltschaft reichte am 1. März 2022 eine Stellungnahme ein und schloss auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Mit Verfügungen vom 3. März 2022 gewährte das Bundesgericht den Beschwerden die aufschiebende Wirkung und wies den Antrag auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ab. Mit drei (weitgehend übereinstimmenden) Eingaben vom 30. März 2022 replizierten die Beschwerdeführer.
 
C.
 
Mit Teilurteilen vom 20. Januar 2022, 10. Februar 2022 und 11. Februar 2022 gab das Zwangsmassnahmengericht weitere Dokumente und Daten zur Durchsuchung frei. Auch dagegen erheben die B.________ GmbH (Verfahren 1B_97/2022) sowie die C.________ Limited (Verfahren 1B_99/2022) mit zwei (wiederum inhaltlich mehrheitlich übereinstimmenden) Eingaben vom 25. Februar 2022 Beschwerde in Strafsachen.
Das Zwangsmassnahmengericht verzichtete auf eine Vernehmlassung. Mit Stellungnahmen vom 22. März 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Beschwerden sowie die Vereinigung der Verfahren 1B_68/2022 und 1B_97/2022 einerseits sowie der Verfahren 1B_69/2022 und 1B_99/2022 andererseits. Mit Verfügung vom 22. März 2022 gewährte das Bundesgericht der Beschwerde 1B_99/2022 teilweise die aufschiebende Wirkung. Die Beschwerdeführer liessen sich nicht mehr vernehmen.
 
D.
 
Mit Schreiben vom 5. April 2022 informierte die Staatsanwaltschaft das Bundesgericht über den Rückzug des Entsiegelungsgesuchs aufgrund bevorstehender Einstellung des zugrundeliegenden Strafverfahrens. Sie beantragte die Abschreibung des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens unter Kostenauflage zulasten der Beschwerdeführer. Mit Verfügung vom 6. April 2022 wurde das Entsiegelungsverfahren vom Zwangsmassnahmengericht als gegenstandslos abgeschrieben, die Regelung der Kosten und Entschädigungsfolgen wurden dem Endentscheid der Staatsanwaltschaft vorbehalten. Mit Blick auf den Verfahrensausgang wurde auf die Einholung einer Vernehmlassung der Beschwerdeführer verzichtet.
 
 
Erwägung 1
 
Die Verfahren 1B_67/2022, 1B_68/2022, 1B_69/2022, 1B_97/2022 und 1B_99/2022 betreffen dasselbe Entsiegelungsverfahren und haben die gleichen Rechtsfragen zum Gegenstand. Die genannten Verfahren sind daher zu vereinigen und die Sache ist in einem einzigen Entscheid zu behandeln.
 
Erwägung 2
 
Angefochten ist ein Entscheid über die Entsiegelung von Datenträgern, die in einem strafprozessualen Untersuchungsverfahren in Anwendung von Art. 246 ff. StPO sichergestellt wurden. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden, weshalb die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen steht.
 
Erwägung 3
 
Mit dem Rückzug des Entsiegelungsgesuchs und der Abschreibung des kantonalen Entsiegelungsverfahrens ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer dahingefallen und das Beschwerdeverfahren gegenstandslos geworden, zumal der angefochtene Entscheid die Kosten für das (abgeschriebene) kantonale Entsiegelungsverfahren dem Endentscheid vorbehalten hat (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung stattfinden könnte (vgl. BGE 140 IV 74 E. 1.3.3.), stellen sich vorliegend nicht. Demzufolge ist das Verfahren vom Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32 Abs. 2 BGG) als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP).
 
Erwägung 4
 
Bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens entscheidet der Einzelrichter mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). In erster Linie ist somit auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelfall zu prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden (zum Ganzen BGE 142 V 551 E. 8.2; Urteil 1B_465/2020 vom 7. Dezember 2020 E. 2.1). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne Weiteres feststellen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (Urteile 1B_465/2020 vom 7. Dezember 2020 E. 2.1; 1B_261/2015 vom 25. November 2015 E. 2.1; 1B_325/2012 vom 7. August 2012 E. 3.1).
4.1. Nach der hiervor zitierten Rechtsprechung ist für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen nur dann auf den mutmasslichen Ausgang des Verfahrens abzustellen, wenn sich dieser ohne Weiteres feststellen lässt. Dies ist vorliegend nicht der Fall: Inwiefern die Rügen der Beschwerdeführer zu einer Gutheissung der Beschwerde geführt hätten, bedürfte einer eingehenden bundesgerichtlichen Prüfung und Abwägung.
4.2. Für die Bestimmung der Kostenfolgen ist demnach auf das Verursacherprinzip abzustellen. Vorliegend hatte die Staatsanwaltschaft das streitige Entsiegelungsgesuch gestellt und dieses, aufgrund der von ihr beabsichtigten Einstellung des zugrunde liegenden Strafverfahrens, sodann wieder zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft hat somit sowohl das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst als auch die Gründe zu verantworten, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben. Demnach sind ihr als Verursacherin die Verfahrenskosten zu überbinden (vgl. Urteil 1C_68/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 6, zur analogen Situation beim Rückzug eines Baugesuchs).
Die Staatsanwaltschaft handelte in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben sind (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indessen sind die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer A.________ (Verfahren 1B_67/2022) und C.________ Limited (Verfahren 1B_69/2022 und 1B_99/2022) vom Kanton Zürich angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG). Der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin B.________ GmbH (Verfahren 1B_68/2022 und 1B_97/2022) steht für das bundesgerichtliche Verfahren praxisgemäss keine Parteientschädigung zu.
 
Demnach verfügt der Einzelrichter:
 
1.
 
Die Verfahren 1B_67/2022, 1B_68/2022, 1B_69/2022, 1B_97/2022 und 1B_99/2022 werden vereinigt.
 
2.
 
Die Verfahren 1B_67/2022, 1B_68/2022, 1B_69/2022, 1B_97/2022 und 1B_99/2022 werden als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4. 
 
4.1. Der Kanton Zürich hat A.________ eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
 
4.2. Der Kanton Zürich hat der C.________ Limited eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
 
5.
 
Diese Verfügung wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Mai 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Einzelrichter: Haag
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger