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BGer 2C_692/2021 vom 23.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
2C_692/2021
 
 
Urteil vom 23. Mai 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Bundesrichter Donzallaz, Beusch, Hartmann, Bundesrichterin Ryter,
 
Gerichtsschreiber Seiler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Camill Droll,
 
gegen
 
Departement des Innern des Kantons
 
Solothurn, Migrationsamt,
 
Ambassadorenhof, 4509 Solothurn.
 
Gegenstand
 
Familiennachzug,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 11. August 2021 (VWBES.2020.503).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.A.________ (geb. 1962 in Kosovo) reiste am 14. Mai 1984 als Saisonnier erstmals in die Schweiz ein. Am 24. Oktober 1988 wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung erteilt. Seit dem 21. April 1995 ist er im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Am 18. September 2009 heiratete A.A.________ im Kosovo B.A.________, die Mutter seiner Söhne C.A.________ (geb. 1994) und D.A.________ (geb. 1996). Am 15. Oktober 2009 reichte er ein Familiennachzugsgesuch zugunsten der beiden Kinder ein. Aufgrund der fehlenden Mitwirkung wurde auf das Gesuch mit Verfügung vom 5. November 2010 nicht eingetreten.
Am 10. Januar 2013 reichte A.A.________ ein weiteres Familiennachzugsgesuch zugunsten seiner Ehefrau und seines jüngeren Sohns D.A.________ ein. C.A.________ war zu jenem Zeitpunkt bereits volljährig. Dieses Gesuch wurde mit Verfügung vom 21. Juni 2013 für die Ehefrau gutgeheissen, für den Sohn aber wegen der verpassten Nachzugsfrist abgewiesen. Es wurde ausgeführt, dass die Ehefrau und der Gesuchsteller sich entscheiden müssten, ob die Ehefrau unter diesen Umständen in die Schweiz einreisen oder aber mit dem Sohn D.A.________ im Kosovo verbleiben wolle. Die Ehefrau reiste damals nicht in die Schweiz ein.
Die beiden Söhne C.A.________ und D.A.________ reisten am 30. August 2018 bzw. am 7. Februar 2017 im Rahmen des Familiennachzugs zur jeweiligen Ehefrau in die Schweiz ein.
 
B.
 
Mit Gesuch vom 26. Juni 2020 (Posteingang beim Migrationsamt des Kantons Solothurn am 23. September 2020) ersuchte A.A.________ erneut um Nachzug seiner Ehefrau. Er begründete das Gesuch damit, dass seine Mutter verstorben sei und seine Ehefrau nun alleine im Kosovo lebe. Im Rahmen des weiteren Verfahrens machte A.A.________ unter anderem geltend, dass seine Ehefrau im Jahr 2013 den minderjährigen Sohn im Kosovo nicht habe zurücklassen können und deshalb damals nicht eingereist sei. Nachdem die beiden Söhne in den Jahren 2017 und 2018 in die Schweiz gezogen seien, sei seine Ehefrau im Kosovo verblieben, um sich um die pflegebedürftige Mutter von A.A.________ zu kümmern. Diese sei am 11. Juni 2020 verstorben.
Mit Verfügung vom 10. August 2020 wies das Migrationsamt des Kantons Solothurn das Familiennachzugsgesuch für B.A.________ ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 11. August 2021).
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. September 2021 beantragt A.A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 11. August 2021 sei aufzuheben und das Familiennachzugsgesuch sei gutzuheissen. Eventualiter beantragt er die Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz zur erneuten Beurteilung.
Das Verwaltungsgericht und das Migrationsamt beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde.
 
 
Erwägung 1
 
Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Niederlassungsbewilligung. Ein Anspruch auf Familiennachzug wird in vertretbarer Weise vorgebracht (Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [AIG; SR 142.20]). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 und Art. 90 BGG). Sie wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist- und Formerfordernisse (Art. 100 und 42 BGG) eingereicht. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
 
Erwägung 2
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2; 143 IV 241 E. 2.3.1; 140 III 115 E. 2). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Sie hat deshalb substanziiert darzulegen, weswegen diese Voraussetzungen gegeben sein sollen; wird sie dieser Anforderung nicht gerecht, bleibt es beim vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann die Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Motivsubstitution; BGE 141 V 234 E. 1; 139 II 404 E. 3). Die Verletzung von Grundrechten und kantonalem Recht überprüft das Bundesgericht allerdings nur, wenn eine konkrete Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (gesteigerte Rüge- und Substanziierungspflicht gem. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2; 138 I 274 E. 1.6).
 
Erwägung 3
 
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, es bedeute eine Verletzung von Art. 8 Abs. 2 BV (i.V.m. Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 BV) und Art. 14 EMRK (i.V.m. Art. 8 EMRK), dass Art. 43 AIG den Familiennachzug zwar für den ausländischen Ehegatten, nicht aber für den ausländischen Konkubinatspartner vorsehe, selbst wenn die Konkubinatspartner gemeinsame Kinder haben. Diese Diskriminierung der Lebensform des Konkubinats habe in seinem Fall dazu geführt, dass er seine Partnerin und seine Söhne zu keinem Zeitpunkt gemeinsam habe nachziehen können. Diese Rügen sind unbegründet.
3.1. Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, auf die sich der Beschwerdeführer beruft (Art. 8 Abs. 2, Art. 13 und Art. 14 BV), sind ihm vor Bundesgericht keine Hilfe. Der Gesetzgeber hat mit Art. 43 AIG die Entscheidung getroffen, den landesrechtlichen Anspruch auf Nachzug des Partners einer in der Schweiz niedergelassenen Person davon abhängig zu machen, dass die Paarbeziehung in der Form der Ehe (oder der eingetragenen Partnerschaft; vgl. Art. 52 AIG) gelebt wird. Selbst wenn darin eine verfassungsrechtlich bedenkliche Diskriminierung anderer Lebensformen zu sehen wäre, wäre das Bundesgericht an die Wertung des Gesetzgebers gebunden (Art. 190 BV; vgl. BGE 146 V 378 E. 3.2).
 
Erwägung 3.2
 
3.2.1. Art. 14 EMRK garantiert den Genuss der in der Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status. Das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot wirkt nicht absolut, sondern nur akzessorisch; es setzt voraus, dass der Anwendungsbereich eines der Artikel der Konvention oder ihrer Zusatzprotokolle eröffnet ist (BGE 143 I 1 E. 5.5 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Zudem ist nicht jede Ungleichbehandlung unzulässig; von einer konventionswidrigen Diskriminierung ist vielmehr nur auszugehen, wenn andere Personen oder Personengruppen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, besser behandelt werden und diese Unterscheidung nicht durch objektive und vernünftige Gründe gerechtfertigt ist (vgl. Urteile des EGMR
3.2.2. Wie das Bundesgericht in BGE 144 I 266 E. 2.5 erkannt hat, ist die Beschränkung des Familiennachzugs für Erwachsene aus Drittstaaten auf Ehegatten und Personen in eingetragener Partnerschaft mit Art. 8 Ziff. 1 EMRK vereinbar, weil eine Heirat bzw. Eintragung der Partnerschaft in der Regel möglich und zumutbar ist. Auch eine Verletzung von Art. 14 EMRK ist insoweit nicht auszumachen. Denn wenn der Schweizer Gesetzgeber der Ehe (und der eingetragenen Partnerschaft) als besonders enger Lebensgemeinschaft ein grösseres Gewicht beimisst als anderen Arten von Paarbeziehungen und sie deshalb bevorzugt behandelt, bewegt er sich in seinem konventionsrechtlichen Ermessensspielraum. Im Übrigen kommt der besondere Stellenwert der Ehe auch in der Konvention selbst zum Ausdruck (vgl. Art. 12 EMRK). Durch die internrechtliche Regelung des Familiennachzugs wird zudem nicht ausgeschlossen, dass sich Konkubinatspartner im Einzelfall unter gewissen Voraussetzungen direkt auf Art. 8 EMRK berufen können (vgl. zu diesen Voraussetzungen BGE 144 I 266 E. 2.5 mit Hinweisen). Ob der Beschwerdeführer und seine Partnerin, mit der er im Übrigen längst die Ehe geschlossen hat, einen solchen völkerrechtlichen Anspruch haben, ist zu prüfen, falls ihnen das Landesrecht keinen Anspruch auf Familiennachzug verleiht. Eine Diskriminierung im Sinne von Art. 14 EMRK liegt aber jedenfalls nicht vor.
 
Erwägung 4
 
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, er habe für seine Ehefrau innerhalb der Frist von fünf Jahren ein Familiennachzugsgesuch gestellt, das auch bewilligt worden sei. Die Ehefrau sei damals nur deshalb nicht in die Schweiz eingereist, weil das gleichzeitige Familiennachzugsgesuch für den minderjährigen Sohn abgewiesen worden sei und sie ihn nicht im Kosovo habe zurücklassen können. Man habe sich nie bewusst für ein getrenntes Familienleben entschieden. Die Trennung sei vielmehr die Folge dessen gewesen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der bewilligungsrechtlichen Situation zu keinem Zeitpunkt der Nachzug der gesamten Familie möglich gewesen sei.
4.1. Nach Art. 43 Abs. 1 AIG haben ausländische Ehegatten von Personen mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wenn die Voraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 lit. a-e AIG erfüllt sind. Zudem muss der Anspruch auf Familiennachzug innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden (Art. 47 Abs. 1 AIG). Wird diese Frist verpasst, steht der (nachträgliche) Nachzug des ausländischen Ehegatten unter der Voraussetzung, dass wichtige familiäre Gründe geltend gemacht werden können (Art. 47 Abs. 4 AIG).
4.2. Sind die Voraussetzungen gemäss Art. 43 Abs. 1 AIG erfüllt und ist die Frist von Art. 47 Abs. 1 AIG eingehalten, ist der Aufenthaltstitel nach Art. 43 AIG grundsätzlich zu erteilen, solange keine Erlöschensgründe gemäss Art. 51 Abs. 2 AIG vorliegen (vgl. BGE 136 II 78 E. 4.7). Die Frist für den Nachzug des Ehegatten eines Ausländers beginnt gemäss Art. 47 Abs. 3 lit. b AIG mit der Erteilung der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses, im Falle des ausländischen Ehegatten also der Eheschliessung. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 47 Abs. 1 AIG ist die Frist gewahrt, wenn das Gesuch um Familiennachzug vor ihrem Ablauf gestellt wird (BGE 136 II 497 E. 3.4; vgl. auch Art. 73 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; BGE 145 I 227 E. 2; MARC SPESCHA, in: OFK-Migrationsrecht, 5. Aufl. 2019, N. 2 zu Art. 47 AIG). Es ist für die Fristwahrung weder erforderlich noch für sich alleine genügend, dass die nachgezogene Person innerhalb der Frist einreist (vgl. Urteil 2C_513/2021 vom 18. November 2021 E. 3.3.2). Wird das Gesuch zwar rechtzeitig gestellt, jedoch abgewiesen, weil die in der Schweiz befindliche Person (z.B. mangels Niederlassungsbewilligung) keinen Anspruch auf Familiennachzug hat, kann auch nach Ablauf der Frist von Art. 47 Abs. 1 AIG erneut um Familiennachzug ersucht werden, wenn die in der Schweiz befindliche Person einen Anspruch auf Familiennachzug erwirbt (z.B. Erwerb der Niederlassungsbewilligung) und das zweite Gesuch wiederum fristgerecht gestellt wird (BGE 145 II 105 E. 3.10; 137 II 393 E. 3.3).
4.3. Nach Art. 61 Abs. 2 AIG erlischt eine bereits erteilte Aufenthaltsbewilligung, wenn der Ausländer oder die Ausländerin die Schweiz verlässt, ohne sich abzumelden. Dass der durch ein rechtzeitiges Nachzugsgesuch begründete Anspruch auf Familiennachzug untergeht, wenn er zu spät ausgeübt wird, sieht das Gesetz zwar nicht ausdrücklich vor. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ausübung keinerlei Schranken unterliegt. Denn wie das Bundesgericht hervorgehoben hat, beabsichtigte der historische Gesetzgeber beim Erlass von Art. 47 Abs. 4 AIG, die Integration durch einen möglichst frühen Nachzug der Familienmitglieder zu fördern (BGE 146 I 185 E. 7.1.1; Urteil 2C_323/2018 vom 21. September 2018 E. 8.2.2 mit Hinweis auf die parlamentarischen Arbeiten). Diesem Integrationszweck liefe es zuwider, wenn das Familiennachzugsgesuch nach Art. 47 Abs. 1 AIG zwar zunächst rechtzeitig gestellt wird, die nachzuziehende Person dann aber nicht innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne einreist und von ihrem Anspruch auf Aufenthalt Gebrauch macht.
4.4. Nach der Bewilligung des fristgerechten Familiennachzugsgesuchs am 21. Juni 2013 nahm die Ehefrau des Beschwerdeführers den daraus entstandenen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung während sieben Jahren nicht wahr. Erst am 26. Juni 2020 stellte der Beschwerdeführer ein neues Familiennachzugsgesuch. Aufgrund dieses äusserst langen Zeitablaufs muss der Anspruch aus dem seinerzeit fristgerechten Familiennachzugsgesuch als verwirkt betrachtet werden und kann die Ehefrau des Beschwerdeführers aus dem rechtzeitigen Familiennachzugsgesuch keinen Aufenthaltsanspruch mehr ableiten. Ist der Anspruch aus diesem Grund untergegangen, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers durch ihr Verhalten nicht ohnehin bereits konkludent auf den Anspruch verzichtet hat (vgl. zur Rechtsfigur des Verzichts im Verwaltungsrecht HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, N. 795; MOOR/POLTIER, Droit administratif, Vol. II, 3. Aufl. 2011, S. 109 f.; THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2. Aufl. 2018, N. 736).
 
Erwägung 5
 
Zu prüfen bleibt, ob die Ehefrau im Zusammenhang mit dem Familiennachzugsgesuch vom 26. Juni 2020 einen Aufenthaltsanspruch geltend machen kann. Dieses Gesuch ist unbestrittenermassen erst nach Ablauf der Frist von Art. 47 Abs. 1 AIG gestellt worden. Es ist demgemäss nur zu bewilligen, wenn wichtige familiäre Gründe vorgebracht werden können, zumal die Frist von Art. 47 Abs. 1 AIG auch auf ausländische Ehegatten Anwendung findet (vgl. BGE 146 I 185 E. 7.1.1). Die Vorinstanz hat solche wichtige familiäre Gründe verneint. Der Beschwerdeführer ist gegenteiliger Ansicht.
5.1. Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben. Die wichtigen familiären Gründe für den nachträglichen Familiennachzug sind dabei aber in Konformität mit Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV auszulegen (BGE 146 I 185 E. 7.1.1 mit Hinweisen; Urteile 2C_347/2020 vom 5. August 2020 E. 3.4; 2C_325/2019 vom 3. Februar 2020 E. 3.3; 2C_259/2018 vom 9. November 2018 E. 4.1). Der historische Gesetzgeber beabsichtigte beim Erlass von Art. 47 Abs. 4 AIG, die Integration durch einen möglichst frühen Nachzug der Familienmitglieder zu fördern, indessen nicht die Nachzugsgründe auf nicht vorhersehbare Ereignisse zu beschränken. Praxisgemäss geht das Bundesgericht davon aus, dass eine Familie, die freiwillig jahrelang getrennt gelebt hat, dadurch ihr beschränktes Interesse an einem ortsgebundenen (gemeinsamen) Familienleben zum Ausdruck bringt; in einer solchen Konstellation, in der die familiären Beziehungen während Jahren über die Grenzen hinweg besuchsweise und über die modernen Kommunikationsmittel gelebt werden, überwiegt regelmässig das der ratio legis von Art. 47 Abs. 4 AIG zugrunde liegende legitime Interesse an der Einwanderungsbeschränkung, solange nicht objektive, nachvollziehbare Gründe, welche von den Betroffenen zu bezeichnen und zu rechtfertigen sind, etwas anderes nahelegen (BGE 146 I 185 E. 7.1.1; Urteile 2C_323/2018 vom 21. September 2018 E. 8.2.2 mit Hinweisen auf die parlamentarischen Beratungen; 2C_386/2016 vom 22. Mai 2017 E. 2.3.1).
5.2. Nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK hat jede Person ein Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Art. 8 EMRK vermittelt jedoch keinen absoluten Anspruch an Familienmitglieder auf Einreise und Aufenthalt in der Schweiz und kein Recht auf Wahl des Familiendomizils (Urteil 2C_865/2021 vom 2. Februar 2022 E. 3.7 mit Hinweis auf BGE 142 II 35 E. 6.1; vgl. auch BGE 137 I 284 E. 2.1). Unter den Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK kann die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK eingeschränkt werden. Dazu ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen und das Interesse der betroffenen Person, im Land zu verbleiben, den entgegenstehenden Interessen gegenüberzustellen. Bei dieser Interessenabwägung steht den nationalen Behörden ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BGE 144 I 266 E. 3.7 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Dabei ist das Interesse an einer Kontrolle und Steuerung der Zuwanderung (Art. 121a BV) bzw. an der Erhaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen schweizerischer und ausländischer Wohnbevölkerung ein legitimes Interesse, das im Rahmen der Verhältnismässigkeit Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK rechtfertigen kann (BGE 144 I 266 E. 3.7; 138 I 246 E. 3.2.2; 137 I 247 E. 4.1.2; Urteile des EGMR
5.3. Die Vorinstanz hat erwogen, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau sich freiwillig dazu entschieden haben, die Kinder im Kosovo aufwachsen zu lassen, getrennt voneinander zu leben und erst spät zu heiraten, nämlich als die gemeinsamen Kinder bereits 13- und 15-jährig gewesen seien. Es hätte dem Beschwerdeführer, der seit 1995 im Besitz einer Niederlassungsbewilligung gewesen sei, oblegen, seine Familie innerhalb der auch nach altem Recht geltenden fünfjährigen Frist nachzuziehen und für einen genügenden Unterhalt der Familie zu sorgen. Das Ehepaar habe es sich selbst zuzuschreiben, dass die Ehefrau im Jahr 2013 aufgrund ihrer Betreuungspflichten für den noch minderjährigen Sohn nicht in die Schweiz habe einreisen können. Auch als der minderjährige Sohn im Jahr 2014 schliesslich volljährig geworden sei, hätte kein wichtiger familiärer Grund für den Nachzug der Ehefrau des Beschwerdeführers vorgelegen. Es sei daher nicht weiter relevant, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in den letzten Jahren auch noch die pflegebedürftige Schwiegermutter betreut habe. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten über Jahrzehnte ihre Beziehung über die lange Distanz zwischen dem Kosovo und der Schweiz gelebt. Es sei ihnen zumutbar, dies auch weiterhin zu tun.
Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist diese Würdigung nicht zu beanstanden. Wenn er sich zu seiner angeblich verbesserten finanziellen Situation äussert, übersieht er, dass darin kein wichtiger familiärer Grund im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG gesehen werden kann. Der Umstand, dass die Söhne zwischenzeitlich zu ihren Ehefrauen in die Schweiz gezogen sind und die Ehefrau des Beschwerdeführers als letztes Familienmitglied im Kosovo zurückgeblieben ist, stellt ebenfalls keinen wichtigen familiären Grund dar. Es sind demnach keine wichtigen familiären Gründe ersichtlich, die einen nachträglichen Nachzug der Ehefrau des Beschwerdeführers rechtfertigen könnten.
5.4. Auch bei einer konventions- und verfassungskonformen Auslegung von Art. 47 Abs. 4 AIG ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz keinen wichtigen familiären Grund angenommen hat. Ist die Auslegung und Anwendung von Art. 47 Abs. 4 AIG konventionskonform, kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Ehefrau einen Aufenthaltsanspruch aus Art. 8 EMRK haben soll, von vornherein kein Erfolg beschieden sein.
 
Erwägung 6
 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Mai 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler