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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 1F_15/2022 vom 24.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
1F_15/2022
 
 
Urteil vom 24. Mai 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichter Chaix, Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________ und B.A.________,
 
Gesuchsteller,
 
gegen
 
1. Pro Natura Thurgau,
 
2. Pro Natura - Schweizerischer Bund für Naturschutz,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Humbert Entress,
 
Gesuchsgegnerinnen,
 
Politische Gemeinde Amlikon-Bissegg, Flugplatzstrasse 12, 8514 Amlikon-Bissegg,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Frank Zellweger,
 
Departement für Bau und Umwelt des
 
Kantons Thurgau, Generalsekretariat,
 
Promenade, 8510 Frauenfeld,
 
Amt für Raumentwicklung des Kantons
 
Thurgau, Verwaltungsgebäude,
 
Promenade, 8510 Frauenfeld,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
 
Gegenstand
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 23. März 2022 (1C_251/2021).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Am 7. Juni 2013 reichten C.A.________ und D.A._________ ein Baugesuch für den Neubau einer landwirtschaftlichen Siedlung ein. Das Thurgauer Amt für Raumentwicklung und die Politische Gemeinde Amlikon-Bissegg genehmigten das Gesuch am 16. August 2013 bzw. am 16. September 2013. Pro Natura Schweiz und Thurgau erhoben dagegen erfolglos Rekurs und Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit Urteil vom 16. Dezember 2015 hiess das Bundesgericht ihre Beschwerde im Wesentlichen gut und wies die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht zurück (Urteil 1C_17/2015). Dieses hiess am 29. März 2017 die Beschwerde von Pro Natura Schweiz und Thurgau gut und hob die Baubewilligungen auf. Die dagegen von den Eheleuten A.________ erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 20. November 2017 ab (Urteil 1C_301/2017).
B.
Bereits während des ersten bundesgerichtlichen Verfahrens hatten die Eheleute A.________ mit dem Bau eines Schopfs begonnen. Die Politische Gemeinde Amlikon-Bissegg verpflichtete die Eheleute A.________ mit Entscheid vom 5. Juli 2018, sämtliche nach dem Juni 2013 getroffenen baulichen Veränderungen innert sechs Monaten ab Rechtskraft des Entscheides rückgängig zu machen. Dagegen erhoben die Eheleute A.________ am 23. Juli 2018 Rekurs.
Am 20. September 2018 reichten A.A.________, Sohn der Eheleute A.________, und seine Ehefrau B.A.________ ein nachträgliches Baugesuch für das bereits erstellte Ökonomiegebäude ein. Dagegen erhoben Pro Natura Schweiz und Thurgau Einsprache. Das Thurgauer Amt für Raumentwicklung trat mit Entscheid vom 10. Januar 2019 auf das Baugesuch nicht ein. Die Politische Gemeinde Amlikon-Bissegg hiess am 25. Januar 2019 die Einsprache gut und wies das nachträgliche Baugesuch ab. Dagegen erhoben A.A.________ und B.A.________ Rekurs.
Das Departement für Bau und Umwelt wies beide Rekurse am 2. Oktober 2019 ab. Die dagegen erhobenen Beschwerden an das Verwaltungsgericht Thurgau blieben erfolglos.
C.
A.A.________ und B.A.________ erhoben am 6. Mai 2021 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 17. Februar 2021. Das Bundesgericht wies die Beschwerde am 23. März 2022 ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 1C_251/2021).
D.
Mit Eingabe vom 5. Mai 2022 ersuchen A.A.________ und B.A.________ um die Revision des Urteils 1C_251/2021 vom 23. März 2022 (zugestellt am 14. April 2022). Der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2021 sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht oder eventuell an die Gemeinde Amlikon-Bissegg zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragen sie, ihrem Revisionsgesuch sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
E.
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt (Art. 127 BGG).
 
1.
Die Revision eines Bundesgerichtsurteils kann nur aus einem der im Gesetz abschliessend genannten Gründe verlangt werden (Art. 121 bis Art. 123 BGG). In der Begründung des Revisionsgesuchs ist der geltend gemachte Revisionsgrund darzulegen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; DOMINIK VOCK, in: Spühler/Aemisegger/Dolge/Vock, Praxiskommentar BGG, 2. Aufl., N. 2 zu Art. 127).
2.
Die Gesuchsteller machen zunächst geltend, das Bundesgericht habe versehentlich das Schreiben ihres Anwalts vom 29. September 2021 nicht berücksichtigt. Dieser habe auf eine kurz zuvor erfolgte Bewil-ligung eines Milchviehstalls im (genau gleichen) Gebiet mit Vorrang Landschaft und Vernetzungsfunktion hingewiesen und die Einholung des entsprechenden Entscheids des Departements für Bau und Umwelt vom 8. Juli 2021 beantragt.
Die Gesuchsteller berufen sich damit auf den Revisionsgrund gemäss Art. 121 lit. d BGG. Danach kann die Revision eines Entscheids verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Wie im Folgenden darzulegen sein wird, wurde die Eingabe jedoch nicht übersehen, sondern konnte aus prozessualen Gründen nicht berücksichtigt werden (unten E. 2.1). Im Übrigen wären die darin geltend gemachten Tatsachen auch nicht entscheiderheblich gewesen (unten E. 2.2).
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereignet haben oder entstanden sind (sog. echte Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (BGE 143 V 19 E. 1.1 S. 23 mit Hinweisen).
Das Schreiben vom 29. September 2021 bezog sich auf einen Entscheid des Departements für Bau und Umwelt vom 8. Juli 2021 und ersuchte um dessen Beizug. Dieser Entscheid datiert nach dem angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts Thurgau vom 17. Februar 2021, d.h. es handelte sich insoweit um ein vor Bundesgericht unzulässiges echtes Novum.
Die Aussage in E. 8.2 des Entscheids 1C_251/2021 (pauschaler Hinweis auf eine vergleichbare Baute im Gebiet) bezieht sich denn auch nicht auf das Schreiben vom 29. September 2021, sondern auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift (Ziff. 15 S. 12 f.) zu einer im Beschrieb des Amts für Raumentwicklung des Kantons Thurgau abgebildeten Baute.
2.2. Im Übrigen erscheinen die im Schreiben vom 29. September 2021 geltend gemachten Tatsachen auch nicht wesentlich, d.h. nicht geeignet, zur Bewilligung des nachträglichen Baugesuchs der Gesuchsteller zu führen. Diese mussten sich das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger zurechnen lassen, die es vorgezogen hatten, ihre am Siedlungsrand gelegene und für die Aussiedlung geeignete Parzelle in Thundorf in eine Zone für Pferdehaltung umzonen zu lassen und zu veräussern, und damit ihre heutige Zwangslage selbst geschaffen hatten (vgl. E. 7.2 des Urteils 1C_251/2021). Zudem hatten sich die Gesuchsteller auch nicht selbst um Alternativstandorte in der Umgebung für ihr neues, redimensioniertes Vorhaben bemüht (vgl. E. 7.3 des zitierten Entscheids). Insofern war die Ausgangslage nicht vergleichbar mit derjenigen des Nachbarn, wo der Bewilligung nach eigenem Bekunden der Gesuchsteller eine intensive und vergebliche Suche nach Alternativstandorten vorausgegangen war. Insofern erscheint die Bewilligung des Baugesuchs des Nachbarn nicht geeignet, einen Anspruch auf Gleichbehandlung der Gesuchsteller zu begründen.
3.
Die Gesuchsteller kritisieren weiter die bundesgerichtlichen Erwägungen zur Berücksichtigung des Richtplaninhalts in der Interessenabwägung (E. 5.1 des Urteils 1C_251/2021). Sie legen jedoch nicht dar, inwiefern dies einen Revisionsgrund nach Art. 121 ff. BGG darstellt. Dies ist auch nicht ersichtlich.
4.
Nach dem Gesagten ist das Revisionsgesuch abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Damit wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Gesuchsteller kostenpflichtig (Art. 66 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Gesuchstellern auferlegt.
 
3.
 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Amlikon-Bissegg, dem Departement für Bau und Umwelt, dem Amt für Raumentwicklung und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Mai 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber