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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_548/2022 vom 30.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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6B_548/2022
 
 
Urteil vom 30. Mai 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Gerichtsschreiberin Frey Krieger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28,
 
Postfach 157, 4502 Solothurn,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahmeverfügung (Unterlassen der Nothilfe, Gefährdung des Lebens usw.); Nichteintreten,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, vom 24. März 2022 (BKBES.2022.29).
 
 
Das präsidierende Mitglied zieht in Erwägungen:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer erstattete am 9. Mai 2021 Strafanzeige gegen Dr. med. B.________ wegen "Missbrauch seiner ärztlichen Position und Stellung, missbräuchlicher und falscher Gutachten und weiterer Vergehen im Sinne des Sachverhaltes der Anzeige mit widerrechtlichen Handlungen nach StGB". Am 8. Juni 2021 verfügte die Staatsanwaltschaft Solothurn, dass die Strafanzeige nicht an die Hand genommen werde. Diese Nichtanhandnahmeverfügung wurde vom Beschwerdeführer bis zum siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch nicht abgeholt. Die Vorinstanz geht davon aus, dass die Nichtanhandnahmeverfügung vom 8. Juni 2021 in Rechtskraft erwachsen ist.
 
Am 31. Januar 2022 erstattete der Beschwerdeführer erneut Anzeige gegen Dr. med. B.________ und zwar wegen Unterlassen der Nothilfe, Gefährdung des Lebens und weiterer Vergehen. Mit Verfügung vom 3. Februar 2022 nahm die Staatsanwaltschaft Solothurn die Strafanzeige in Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" nicht an die Hand. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn mit Beschluss vom 24. März 2022 ab.
 
Mit Beschwerde vom 2. Mai 2022 wendet sich der Beschwerdeführer an das Bundesgericht. Er beantragt, "die Verfügung" des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 24. März 2022 sei aufzuheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates. Mit Eingabe vom 12. Mai 2022 ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
2.
 
Es ist fraglich, ob der Beschwerdeführer unter dem Gesichtswinkel von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG überhaupt zur Beschwerde legitimiert ist. Dies kann indessen offenbleiben, weil sich das Bundesgericht bereits aus einem anderen Grund nicht mit seiner Beschwerde befassen kann.
 
 
3.
 
3.1. Die Beschwerde in Strafsachen muss ein Begehren und eine Begründung enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Für die Anfechtung des Sachverhalts und die Rüge der Verletzung von Grundrechten gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
3.2. Die Vorinstanz schützt die Nichtanhandnahmeverfügung vom 3. Februar 2022. Sie erwägt, in dieser sei zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die erneute Anzeige unter Beachtung des Grundsatzes "ne bis in idem" nicht an die Hand genommen werden könne. Dem Beschwerdeführer gehe es nach wie vor darum, dass er mit dem Gutachten von Dr. med. B.________, welches dieser im Rahmen des Ehescheidungsverfahren eingereicht habe, nicht einverstanden sei.
 
3.3. Unbestritten ist, dass Dr. med. B.________ im Rahmen des zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau hängigen Ehescheidungsverfahrens ein Gutachten erstellt hat. Mit diesem wurden offenbar Schlüsse zur Frage des Wohnortes bzw. der Obhut über den gemeinsamen Sohn gezogen bzw. die Grundlagen für solche geschaffen, wegen welcher der gemeinsame Sohn aktuell bei der Kindesmutter lebt. Sowohl aus den vorinstanzlichen Ausführungen als auch jenen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass letzterer bereits mit seiner Anzeige vom 9. Mai 2021 erklärt hatte, die vom Gutachter geschaffenen Grundlagen bzw. gezogenen Schlüsse als falsch zu erachten und er dem Gutachter damit einhergehend ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorwarf.
 
Mit seiner Beschwerde und seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege macht der Beschwerdeführer geltend, dass es bei seiner (ersten) Anzeige vom 9. Mai 2021 um den Missbrauch der ärztlichen Position und Stellung bzw. ein missbräuchliches und falsches Gutachten gegangen sei, während es sich bei seiner Anzeige vom 31. Januar 2022 um "Folgerungen nach dem falschen Gutachten" und damit um eine Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB) und Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB) handle. Die Fakten zeigten, was sein Sohn "nach der falschen Gutachtensbericht erleben muss". Das Wichtigste sei, zu erkennen und zu bestätigen, dass Dr. med. B.________ ein falsches Gutachten erstellt habe. Dass sein Sohn bei seiner Mutter leben müsse, basiere "exklusiv" auf diesem (falschen) Gutachten. Er, der Beschwerdeführer, sei für alles bereit, um beweisen zu können, dass das Gutachten falsch sei und sein Sohn C.________ eine Chance für eine "harmonische Entwicklung ohne Willkür der Mutter" habe.
 
Anhand dieser Ausführungen ergibt sich nicht, was an den vorinstanzlichen Erwägungen willkürlich oder bundesrechtswidrig sein könnte, im Gegenteil. Auch der Beschwerdeführer geht im Ergebnis davon aus, dass Grundlage seiner Anzeige bzw. der relevante Sachverhalt wiederum das aus seiner Sicht von Dr. med. B.________ "falsch erstellte" Gutachten ist bzw. sich der Gutachter wegen falsch gezogener Schlüsse bzw. hierfür geschaffener, falscher Grundlagen zu verantworten habe. Damit vermag er nicht aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Beschluss Recht verletzt bzw. in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in Bezug auf den Grundsatz "ne bis in idem" fehlerhaft sein könnte. Mithin genügt die Beschwerde nicht den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG.
 
3.4. Das Obergericht erwägt schliesslich, dass der Beschwerdeführer im Nachgang an seine (erste) Anzeige vom 9. Mai 2021 mit einer Zustellung habe rechnen müssen, weshalb die Nichtanhandnahmeverfügung vom 8. Juni 2021 gestützt auf Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt gelte und damit in Rechtskraft erwachsen sei. Auch wenn er gesundheitliche Probleme habe, wäre es ihm zuzumuten gewesen, den Briefkasten mehr als einmal pro Monat zu leeren oder allenfalls eine andere Person mit der Entgegennahme der Post zu beauftragen.
 
Die Formen der Zustellung sind in Art. 85 StPO geregelt. Die Zustellung erfolgt gemäss dieser Bestimmung unter anderem durch eingeschriebene Postsendung (Abs. 2). Die Zustellung einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Abs. 4 lit. a). Die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses verpflichtet die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten und unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akten zugestellt werden können, die das Verfahren betreffen. Sie haben ihre Post regelmässig zu kontrollieren, die Behörden über Abwesenheiten zu informieren und ihr gegebenenfalls einen Stellvertreter zu bezeichnen bzw. eine Zustelladresse anzugeben (BGE 141 II 429 E. 3.1; Urteil 1B_605/2021 vom 3. März 2022 E. 2.1; je mit Hinweisen).
 
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Erwägungen der Vorinstanz gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen. Er setzt sich nicht mit deren Erwägungen auseinander. Stattdessen macht er geltend, dass die Vorinstanz bezüglich der Frage, was ihm möglich sei, spekuliere und beruft sich wiederum auf seine fortgeschrittenen Bechterewerkrankung, wegen welcher er eine Rente der Invalidenversicherung (50 %) beziehe und nicht in der Lage gewesen sei, die Verfügung rechtzeitig in Empfang zu nehmen. Er legt damit nicht ansatzweise dar, weshalb es ihm entgegen den Ausführungen der Vorinstanz nicht zumutbar gewesen sein sollte, den Briefkasten häufiger als nur einmal pro Monat zu leeren. Dies tut er auch nicht damit, indem er sich pauschal auf die "Corona Pandemie" und damit einhergehend darauf beruft, dass er sich vorwiegend in die Isolation habe zurückziehen müssen.
 
Wie das Obergericht zu Recht erwägt, musste der Beschwerdeführer angesichts seiner Anzeigeerstattung mit der Zustellung eines Schriftstückes durch die Staatsanwaltschaft rechnen. Er hätte daher ab diesem Zeitpunkt dafür besorgt sein müssen, dass ihm oder aber einem Stellvertreter behördliche Akte zugestellt werden können. Angesichts dieser Pflicht, die Entgegennahme von gerichtlichen Sendungen zu gewährleisten, genügen deshalb auch die behaupteten Einwände, "im Kanton Aargau niemanden zu haben, der ihm bei Postabholungen helfen könne", nicht gewusst zu haben, wie schnell er eine Antwort erhalten würde und überdies nicht davon ausgegangen zu sein, dass eine solche "ernste Sache" nicht anhand genommen würde, nicht, um die Zustellfiktion von Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO dahinfallen zu lassen. Über ein allfälliges Fristwiederherstellungsgesuch im Sinne von Art. 94 StPO hat das Bundesgericht nicht erstinstanzlich zu befinden.
 
3.5. Da gestützt auf den Grundsatz "ne bis in idem" eine Nichtanhandnahmeverfügung ergangen ist, hat sich (im vorliegenden Verfahren) weder die Staatsanwaltschaft noch die Vorinstanz (noch einmal) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die in Frage kommenden Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO). Auf die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers ist damit im bundesgerichtlichen Verfahren nicht einzugehen.
 
3.6. Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer schliesslich mit seiner inhaltlichen Kritik an der Einstellungsverfügung vom 8. Juni 2021. Anfechtungsobjekt im bundesgerichtlichen Verfahren ist ausschliesslich der angefochtene Beschluss der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 24. März 2022 (Art. 80 Abs. 1 BGG).
 
4.
 
Auf die Beschwerde ist mangels einer tauglichen Begründung im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 106 Abs. 2 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. Mai 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger