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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 2C_151/2022 vom 02.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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2C_151/2022
 
 
Urteil vom 2. Juni 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Hänni,
 
Bundesrichter Hartmann,
 
Gerichtsschreiber Mösching.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich,
 
c/o Obergericht des Kantons Zürich,
 
Hirschengraben 13/15, 8001 Zürich.
 
Gegenstand
 
Entbindung von Anwaltsgeheimnis,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, vom 6. Januar 2022 (VB.2021.00686).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Am 2. Juli 2021 ersuchte Rechtsanwalt A.________ die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich (nachfolgend: Aufsichtskommission) um Entbindung vom Berufsgeheimnis in einem hängigen Zivilprozess, welcher von A.B.________, B.B.________, C.B.________ und D.B.________ vor dem Kantonsgericht Schaffhausen und den Rechtsmittelinstanzen gegen seine Person geführt werde. Daraufhin forderte die Aufsichtskommission A.________ mit Schreiben vom 7. Juli 2021 auf, darzulegen, zu welchem Zweck bzw. in welchem Zusammenhang um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis ersucht werde. Es seien sodann weitere Angaben und Unterlagen notwendig, welche insbesondere die Klientschaft bzw. Gesuchsgegnerschaft bezeichnen und das Mandatsverhältnis belegen würden. Daraufhin ersuchte A.________ um Sistierung des Verfahrens. Dieses Gesuch wies die Aufsichtskommission mit Verfügung vom 3. August 2021 ab. A.________ reichte am 5. August 2021 eine Stellungnahme ein und ersuchte darum, die Verfügung vom 3. August 2021 in Wiedererwägung zu ziehen.
 
B.
 
Mit Beschluss vom 2. September 2021 trat die Aufsichtskommission sowohl auf das Wiedererwägungsgesuch als auch auf das Gesuch um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis nicht ein. Die Verfahrenskosten wurden A.________ auferlegt. Daraufhin gelangte A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches seine Beschwerde mit Entscheid des Einzelrichters vom 6. Januar 2022 abwies.
 
C.
 
A.________ reicht mit Schreiben vom 11. Februar 2022 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ein. Er beantragt, der Beschluss der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich seien aufzuheben und der Beschwerdeführer sei vom Anwaltsgeheimnis zu entbinden.
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
 
Erwägung 1
 
Gegen letztinstanzliche kantonale Endentscheide bezüglich Entbindung vom Anwaltsgeheimnis steht die Beschwerde an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG; Urteil 2C_586/2015 vom 9. Mai 2016 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 142 II 307). Der im vorinstanzlichen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG), weshalb grundsätzlich auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 100 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 BGG).
Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des Entscheids der Aufsichtskommission beantragt, ist allerdings auf die Beschwerde nicht einzutreten, denn dieser wurde durch das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ersetzt (Devolutiveffekt); er gilt jedoch immerhin als inhaltlich mitangefochten (BGE 134 II 142 E. 1.4 mit Hinweis).
 
Erwägung 2
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2; 136 II 304 E. 2.5).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). Offensichtlich unrichtig bedeutet in diesem Zusammenhang willkürlich (BGE 137 I 58 E. 4.1.2). Eine Sachverhaltsrüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung geht das Gericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1; 140 III 16 E. 1.3.1; 137 V 57 E. 1.3; 137 I 58 E. 4.1.2).
 
Erwägung 3
 
Streitgegenstand bildet die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis.
3.1. Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufs von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist (Art. 13 Abs. 1 Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA; SR 935.61]; vgl. auch Art. 321 Ziff. 1 StGB). Verweigert der Mandant die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis, so hat sich der Anwalt mit einem entsprechenden Begehren an die Aufsichtsbehörde zu wenden (Vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BGFA und Art. 321 Ziff. 2 StGB; Urteile 2C_704/2016 vom 6. Januar 2016 E. 3.1; 2C_1127/2013 vom 7. April 2014 E. 3.1 mit Hinweisen).
3.2. Ob eine Entbindung vom Anwaltsgeheimnis vorzunehmen ist, beurteilt sich auf Grund einer Abwägung sämtlicher auf dem Spiel stehender Interessen, wobei angesichts der institutionellen und individualrechtlichen Bedeutung des anwaltlichen Berufsgeheimnisses nur ein deutlich überwiegendes öffentliches oder privates Interesse eine Entbindung als angemessen erscheinen lassen kann (BGE 142 II 307 E. 4.3.3; Urteil 2C_704/2016 vom 6. Januar 2017 E. 3.2).
 
Erwägung 4
 
4.1. Der Beschwerdeführer ersuchte die Aufsichtskommission am 2. Juli 2021 um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis im Zusammenhang mit einem Zivilprozess. Die anhängig gemachte Zivilklage steht im Zusammenhang mit seinem Willensvollstreckermandat für die verstorbene E.B.________. Der Beschwerdeführer führte aus, dass er um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis ersuche, um die Vorgänge über die Feindschaft bzw. die persönliche Animosität von Rechtsanwalt und Notar A.B.________ gegenüber dem Beschwerdeführer (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG) offenzulegen. Die Aufsichtskommission machte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Juli 2021 darauf aufmerksam, dass eine Entbindung vom Berufsgeheimnis nicht pauschal für einen Gerichtsprozess erfolgen könne, sondern nur gegenüber dem oder mehreren Klienten des Anwalts. Dem Gesuch des Beschwerdeführers fehle es jedoch an der Bezeichnung der Gegenpartei, weshalb es zu ergänzen sei. Daraufhin reichte der Beschwerdeführer am 5. August 2021 weitere Unterlagen ein, insbesondere eine Willensvollstreckerbestätigung. Zudem führte er aus, dass es eine von der Aufsichtskommission zu beantwortende Rechtsfrage sei, wer sein Klient sei und gegenüber wem er dem Berufsgeheimnis unterstehe; eine Gegenpartei müsse nicht genannt werden. In der Folge trat die Aufsichtskommission auf das Gesuch um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis nicht ein.
4.2. Die Vorinstanz erwog, aus dem Gesuch des Beschwerdeführers ergebe sich nicht mit hinreichender Klarheit, gegenüber wem er vom Anwaltsgeheimnis entbunden werden möchte. So führe er zwar aus, dass er davon ausgehe, dass die Erblasserin Geheimnisherrin sei. Andererseits mache er aber auch geltend, dass der Kläger und zugleich Vertreter der weiteren Kläger des Zivilprozesses, A.B.________, Versuche unternommen habe, Anwaltsklient des Beschwerdeführers zu werden. Ausserdem seien der Rechtsprechung der Aufsichtskommission zufolge auch die Vermächtnisnehmer seine Klienten gewesen. Nachdem die Aufsichtskommission den Beschwerdeführer am 7. Juli 2021 auf die Unklarheit bezüglich der gesuchsgegnerischen Person bzw. des Geheimnisherrn aufmerksam gemacht hatte, wäre es am Beschwerdeführer gewesen, diese namentlich zu bezeichnen. Gegenüber wem der Beschwerdeführer vom Anwaltsgeheimnis entbunden werden möchte, sei keine Rechtsfrage, welche von der Aufsichtskommission oder vom Verwaltungsgericht zu beantworten sei. Die Bezeichnung der betreffenden Person sei vielmehr Voraussetzung dafür, dass sein Gesuch überhaupt geprüft werden könne.
4.3. Der Beschwerdeführer erblickt in diesem Vorgehen eine Verletzung von Bundesrecht. Die Vorinstanz sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er nicht angegeben habe, von welchen Personen erim Rahmen seiner Berufsausübung Anvertrautes zu offenbaren beabsichtige. Er habe aber mit Eingabe an die Aufsichtskommission vom 2. Juli 2021 und mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht vom 29. September 2021 ausdrücklich dargelegt, dass seiner Auffassung nach die Erblasserin, welche ihn als Willensvollstrecker eingesetzt habe, einzige Geheimnisherrin sein könne. Darüber hinaus sei im öffentlichen Recht die Bestimmung der Gegenpartei eine Rechtsfrage und aufgrund des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen wäre die Vorinstanz verpflichtet gewesen, die Frage, wer Geheimnisherr ist, selbst zu klären. Dies gelte auch, wenn ein Anwalt ein Mandat zur Willensvollstreckung ausübe.
4.4. Wie die Vorinstanz verbindlich festgehalten hat, hat der Beschwerdeführer nicht nur ausgeführt, er gehe davon aus, dass die Erblasserin Geheimnisherrin sei, sondern auch geltend gemacht, A.B.________ habe Versuche unternommen, sein Anwaltsklient zu werden. Vertraulich sind auch Informationen, die ein Rechtssuchender dem Anwalt im Hinblick auf ein Mandat mitteilt. Solche Information sind auch geschützt, wenn kein Mandat zustande kommt (Kaspar Schiller, Schweizerisches Anwaltsrecht, 2009, Nr. 445). Aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers war somit unklar, ob er um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis bezüglich der ihm im Rahmen des Willensvollstreckermandats oder (auch) der ihm von A.B.________ offenbarten Informationen ersuchte. Nachdem er zudem ausführte, der Rechtsprechung zufolge seien auch die Vermächtnisnehmer seine Klienten gewesen, war des Weitern unklar, ob er (auch) bezüglich ihm von den Vermächtnisnehmern anvertrauter Informationen um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis ersuchte. Daran ändert nichts, wenn der Beschwerdeführer - wie er in der Beschwerde vorbringt - bloss die Rechtsprechung der Zürcher Aufsichtskommission zitierte, ohne sie sich zu Eigen zu machen.
Damit die Aufsichtsbehörde die gebotene Interessenabwägung vornehmen kann (vgl. E. 3.2) muss sie wissen, bezüglich von welcher Person offenbarter Informationen ein Anwalt um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis ersucht. Hierbei handelt es sich nicht um eine von Amtes wegen zu klärende Rechtsfrage. Die Angabe des Gesuchsgegners betrifft vielmehr den vom gesuchstellenden Anwalt zu bestimmenden Gegenstand des Entbindungsgesuchs. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die einschlägigen Gesetze des Kantons Zürich, nach welchen sich das Verfahren auf Entbindung vom Berufsgeheimnis richtet (vgl. Art. 34 BGFA), enthielten keine Regelung, wonach die Gegenpartei zu benennen sei, ändert das nichts daran, dass der Anwalt im Entbindungsgesuch anzugeben hat, was Gegenstand seines Gesuchs ist und damit auch, wer ihm die fraglichen Informationen offenbart hat.
Die Aufsichtskommission hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Juli 2021 darauf aufmerksam gemacht, seinem Gesuch fehle es an der Bezeichnung der Gegenpartei, weshalb es zu ergänzen sei. Nachdem der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 5. August 2021 ausgeführt hatte, eine Gegenpartei müsse nicht genannt werden, ist nicht zu beanstanden, dass die Aufsichtskommission auf sein Entbindungsgesuch nicht eingetreten ist.
 
Erwägung 5
 
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Juni 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Der Gerichtsschreiber: F. Mösching