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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 2C_443/2022 vom 03.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
2C_443/2022
 
 
Urteil vom 3. Juni 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Gerichtsschreiberin Ivanov.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern,
 
Rechtsabteilung, Münsterplatz 3a, 3011 Bern.
 
Gegenstand
 
Massnahmen Hundehaltung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 27. April 2022 (100.2021.5U).
 
 
 
Erwägung 1
 
1.1. A.________ ist Halterin des Hundes "B.________", eines Labrador-Boxer-Mischlings. Sie hat den Hund im März 2018 aus dem Tierheim U.________ übernommen. Aufgrund der problematischen Vorgeschichte, die zu Verhaltensauffälligkeiten des Tieres geführt hatten, ordnete der Veterinärdienst des Kantons Bern (VeD; heute: Amt für Veterinärwesen [AVET]; nachfolgend: Veterinärdienst) mit Verfügung vom 23. Juli 2018 verschiedene Massnahmen, die jedoch am 19. November 2018 wieder aufgehoben wurden, weil sie nicht mehr erforderlich schienen.
Nachdem der Veterinärdienst Kenntnis von zwei Bissvorfällen erlangt hatte, ordnete er mit Verfügung vom 23. Oktober 2019 vorsorglich an, dass der Hund "B.________" ausserhalb des Wohnbereichs an einer kurzen Leine geführt werden, einen gut sitzenden Maulkorb tragen und bei Besuch von Dritten in der Wohnung weggesperrt werden müsse. Diese Verfügung blieb unangefochten.
1.2. Mit Verfügung vom 21. Februar 2020 ordnete der Veterinärdienst die folgenden definitiven Massnahmen: Der Hund "B.________" müsse ausserhalb des privaten Wohnbereichs generell an der Leine geführt werden, wobei in bewohntem Gebiet die Leine kurzgehalten werden müsse (Dispositiv-Ziff. 1); der Hund müsse ausserhalb des privaten Wohnbereichs generell einen gut sitzenden Maulkorb tragen (Dispositv-Ziff. 2) und es müsse mit ihm eine Verhaltenstherapie unter fachkundiger Anleitung besucht werden (Dispositiv-Ziff. 3). Die Anordnungen unter Ziff. 1 und 2 erfolgten unter Androhung der Ersatzvornahme oder der Beschlagnahmung des Hundes (Dispositiv-Ziff. 4). Einer allfälligen Beschwerde gegen die Anordnung unter Ziff. 1 und 2 wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Die Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern (nachfolgend: Direktion) bestätigte diese Verfügung mit Entscheid vom 7. Dezember 2020. Mit Urteil vom 27. April 2022 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, die dagegen erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
1.3. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 31. Mai 2022 (Postaufgabe) an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie sämtlicher angeordneter Massnahmen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann stellt sie verschiedene Anträge betreffend die vom Veterinärdienst angedrohte Beschlagnahme des Hundes bzw. die Ersatzvornahme. Soweit verständlich beantragt sie vor Bundesgericht, es sei dem Veterinärdienst zu untersagen, die Beschlagnahme des Hundes anzudrohen und es sei diese Androhung als unverhältnismässig einzustufen. Zudem sei "die verfassungsmässig garantierte Selbstbestimmung [der Beschwerdeführerin] wiederherzustellen" und es sei dafür zu sorgen, dass der Hund bis zu seinem letzten Atemzug bei ihr bleibe. Schliesslich seien die Amtstierärztin sowie eine Mitarbeiterin der Direktion, die am Beschwerdeentscheid vom 7. Dezember 2020 mitgewirkt habe, als befangen zu bezeichnen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung.
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet.
 
Erwägung 2
 
2.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG).
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Bei der Prüfung wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). Das Bundesgericht prüft die Anwendung kantonalen Rechts - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen (Art. 95 lit. c-e BGG) abgesehen - nur auf Bundesrechtsverletzungen, namentlich auf Willkür hin (BGE 143 I 321 E. 6.1; 141 IV 305 E. 1.2; 141 I 105 E. 3.3.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 142 I 99 E. 1.7.2; 139 I 229 E. 2.2).
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht verbindlich, es sei denn, die Partei zeige auf, dass und inwiefern die tatsächlichen Feststellungen qualifiziert falsch oder in Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen worden seien, was spezifisch geltend zu machen und zu begründen ist, sofern entsprechende Mängel nicht offensichtlich sind (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2; Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 115 E. 2; 137 I 58 E. 4.1.2 mit Hinweisen).
2.3. Das Verwaltungsgericht hat in sachverhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen festgehalten, dass der Hund "B.________" am 3. August und am 10. September 2019 jeweils unvermittelt einen Menschen gebissen habe, wobei beide Verletzungen ärztlich versorgt hätten werden müssen. Beim ersten Vorfall habe die Geschädigte tiefe Wunden auf dem Handrücken aufgewiesen, die teilweise bis auf die Knochenhaut gegangen seien; sie habe operiert werden müssen. Beim Opfer des zweiten Vorfalls habe es sich um eine Haushaltshilfe der Beschwerdeführerin gehandelt. Die Vorinstanz ist unter Würdigung der Aussagen der Geschädigten und des behandelnden Arztes zum Schluss gelangt, es bestünden keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Hund "B.________" die Bissverletzung verursacht habe. Weiter hat das Verwaltungsgericht festgehalten, der Hund weise Verhaltensauffälligkeiten auf und zeige ein überdurchschnittliches Aggressionsverhalten gegenüber Menschen. Es stützte sich dabei insbesondere auf die Fachmeinung einer Verhaltenspsychologin, die ab Mitte Juni 2018 regelmässig Hundetrainings mit dem Hund geführt hatte.
2.4. Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung seien willkürlich. Sie beschränkt sich indessen im Wesentlichen darauf, dem Bundesgericht ihre eigene Sicht der Dinge zu unterbreiten, ohne die offensichtliche Unhaltbarkeit der vorinstanzlichen Erwägungen aufzuzeigen. So behauptet sie namentlich pauschal, dass der Sachverhalt verzerrt dargelegt worden sei oder dass die im angefochtenen Urteil aufgeführten Aktenstellen sachlich unrichtig dargestellt worden seien und keinen Bezug zu ihrer Situation hätten. Dabei erschöpft sich ihre Argumentation in langfädigen Ausführungen, die zum grössten Teil, soweit sie überhaupt verständlich und nachvollziehbar sind, auf unsubstanziierte Kritik am angefochtenen Urteil hinauslaufen. Insbesondere gelingt es ihr nicht aufzuzeigen, dass die Vorinstanz entschweidwesentliche Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder auf Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen habe, was aber erforderlich wäre, um die Beweiswürdigung als willkürlich auszuweisen. Dass die vorinstanzlichen Schlüsse nicht mit der eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin übereinstimmen, belegt keine Willkür (vgl. BGE 142 II 433 E. 4.4; 137 III 226 E. 4.2; jeweils mit Hinweisen). Die Rüge ist, soweit überhaupt verständlich, rein appellatorisch begründet und daher unzulässig (Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.5. Unklar bleibt sodann, inwiefern die Vorinstanz das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) der Beschwerdeführerin verletzt haben soll. Soweit sie eine Gehörsverletzung darin erblickt, dass das Verwaltungsgericht in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. dazu BGE 144 II 427 E. 3.1.3; 141 I 60 E. 3.3) auf weitere Beweisabnahmen und Abklärungen verzichtet hat, ist sie darum nicht zu hören, weil sie nicht substanziiert darlegt, welche konkret von ihr beantragten oder vorgelegten Beweise es in welcher Hinsicht erlaubt hätten, zu einer anderen Einschätzung zu kommen. Es fehlt an einer formgerecht begründeten Gehörsverweigerungsrüge (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass eine den gesetzlichen Formerfordernissen genügende Begründung (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein muss; unzulässig sind - wie hier - blosse Verweise auf andere Dokumente, namentlich auf frühere Rechtsschriften oder auf die Akten (BGE 140 III 115 E. 2; 138 IV 47 E. 2.8.1; 133 II 396 E. 3.2).
2.6. Hinsichtlich der ebenfalls erhobenen Rüge der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips ist festzuhalten, dass das Bundesgericht die Einhaltung der Grundsätze von Art. 5 Abs. 2 BV ausserhalb von Grundrechtseingriffen im Zusammenhang mit kantonalem Recht nur auf Willkür hin überprüft (BGE 138 I 378 E. 8.2; 134 I 153 E. 4).
Vorliegend wurden die strittigen Massnahmen gestützt auf kantonales Recht angeordnet (vgl. Art. 12 des Hundegesetzes vom 27. März 2012 [BSG 916.31]). Die Vorinstanz hat diesbezüglich ausgeführt, dass die angeordneten Massnahmen (generelle Leinenpflicht, Maulkorbpflicht, Verhaltenstherapie unter fachkundiger Anleitung) auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruhen würden und mit Blick auf die Verhaltensdefizite des Hundes und der Gewährleistung der Sicherheit für Menschen und andere Tiere verhältnismässig seien. Die Beschwerdeführerin, die keine Verletzungen von Grundrechten rügt, zeigt nicht substanziiert auf, inwiefern die vorinstanzliche Interessenabwägung willkürlich sein soll (Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.7. Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich sinngemäss die Befangenheit der Amtstierärztin sowie von im Verfahren involvierten Mitarbeitenden der Direktion rügt, ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz die entsprechenden Rügen geprüft hat. Sie hat namentlich ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihre Vorbringen nicht substanziiert habe und eine solche Rüge ohnehin verspätet gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit den entsprechenden Erwägungen nicht auseinander und zeigt nicht konkret auf, inwiefern diese willkürlich sein oder sonstwie ihre verfassungsmässigen Rechte verletzen sollen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.8. Im Ergebnis erfüllt die Beschwerde die Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Mit diesem Entscheid werden das Gesuch um aufschiebende Wirkung sowie allfällige weitere prozessuale Anträge gegenstandslos.
3.
Die unterliegende Beschwerdeführerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt die Präsidentin:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Juni 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov