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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_328/2022 vom 13.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
6B_328/2022
 
 
Urteil vom 13. Juni 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin van de Graaf, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiber Clément.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Verfahrenskosten,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 25. Januar 2022 (2M 21 21/2U 22 3).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Am 17. September 2019, um 16.28 Uhr, fuhr A.________ in Begleitung seines Bruders auf der Autobahn A2 nach Abzug der Sicherheitsmarge 54 km/h schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.
 
B.
 
B.a. Mit Strafbefehl vom 8. November 2019 erklärte die Staatsanwaltschaft Sursee A.________ für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 17. September 2019 schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingt vollziehbaren Gesamt-Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 90.-- unter Einbezug der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 28. November 2018 ausgesprochenen und durch Widerruf vollziehbar gewordenen Geldstrafe.
Gegen den Strafbefehl vom 8. November 2019 erhob A.________ Einsprache, woraufhin die Staatsanwaltschaft weitere Untersuchungshandlungen vornahm. Insbesondere wurde A.________ durch Dr. med. B.________ forensisch-psychiatrisch (teil-) begutachtet, da dieser ausgesagt hatte, im Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung verfolgt worden bzw. nicht sich selber gewesen zu sein und in einem Ausnahmezustand gehandelt zu haben.
Am 13. Januar 2021 erliess die Staatsanwaltschaft einen ersten rektifizierten Strafbefehl, mit welchem A.________ für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 17. September 2019 schuldig erklärt und zu einer unbedingt vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 90.-- verurteilt wurde. Vom Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 28. November 2018 bedingt ausgesprochenen Geldstrafe wurde entgegen des ursprünglichen Strafbefehls abgesehen, die Probezeit jedoch um 1,5 Jahre auf 4,5 Jahre verlängert.
Gegen den Strafbefehl vom 13. Januar 2021 erhob A.________ Einsprache, woraufhin er erneut einvernommen wurde. Am 17. Februar 2021 erliess die Staatsanwaltschaft Sursee einen zweiten rektifizierten Strafbefehl, mit welchem A.________ für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 17. September 2019 schuldig gesprochen und zu einer unbedingt vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- verurteilt wurde. Vom Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 28. November 2018 verhängten bedingten Geldstrafe wurde erneut abgesehen und die Probezeit um 1,5 Jahre auf 4,5 Jahre verlängert. Zudem wurden ihm Verfahrenskosten in der Höhe von insgesamt Fr. 9'734.55 auferlegt, die namentlich Kosten von Fr. 7'787.50 für das Gutachten von Dr. med. B.________ beinhalten.
Am 26. Februar 2021 erhob A.________ eine auf die Höhe der ihm auferlegten Verfahrenskosten von Fr. 9'734.55 beschränkte Einsprache. Die Staatsanwaltschaft hielt am Strafbefehl fest.
B.b. Die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Willisau wies die Einsprache am 9. September 2021 ab und stellte fest, dass der Strafbefehl vom 17. Februar 2021 hinsichtlich Schuldspruch und Strafe in Rechtskraft erwachsen ist.
B.c. Die dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Luzern mit Beschluss vom 25. Januar 2022 ab und auferlegte A.________ Verfahrenskosten von nunmehr Fr. 12'034.55.
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts Luzern sei aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
 
 
Erwägung 1
 
Anfechtungsobjekt der vorliegenden Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht ist ausschliesslich der Beschluss des Kantonsgerichts Luzern vom 25. Januar 2022 als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Soweit sich der Beschwerdeführer nicht auf diesen Entscheid bezieht, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Dies betrifft namentlich die Vorbringen zum rechtskräftig abgeschlossenen Jugendstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Gehilfenschaft zur mehrfachen sexuellen Nötigung, in dem am 24. August 2012 ein Strafbefehl der Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern erging, der rechtskräftig wurde.
2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem diese seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgelehnt habe. Art. 406 Abs. 1 lit. d StPO stellt es ins Ermessen des Berufungsgerichts, die Berufung in einem schriftlichen Verfahren zu behandeln, wenn - wie vorliegend - einzig die Kosten- Entschädigungs- und Genugtuungsfolgen angefochten sind. Das Bundesgericht greift in Ermessensentscheide generell nur mit Zurückhaltung ein (vgl. BGE 142 III 617 E. 3.2.5; 141 III 97 E. 11.2; 139 III 334 E. 3.2.5). Die Vorinstanz verlässt den ihr zustehenden Ermessensspielraum nicht und verletzt damit kein Bundesrecht, wenn sie unter Berücksichtigung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit des Beschwerdeführers auf eine mündliche Berufungsverhandlung verzichtet.
 
Erwägung 3
 
3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Höhe und die Verlegung der Verfahrenskosten. Er wendet sich zusammengefasst gegen die Auferlegung der gesamten Kosten des Gutachtens von Dr. med. B.________ über Fr. 7'787.50. Das Gutachten sei fehlerhaft, weil es falsche Informationen aus dem gegen ihn geführten Jugendstrafverfahren wegen Gehilfenschaft zur mehrfachen sexuellen Nötigung berücksichtige, in welchem am 24. August 2012 ein Strafbefehl der Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern ergangen ist, der rechtskräftig wurde. Daher sei das Gutachten "bewusst falsch erstellt" worden und er sei nicht bereit, für dieses "die vollen Kosten" zu übernehmen.
3.2. Im Allgemeinen richtet sich die Verlegung der Kosten nach dem Grundsatz, wonach die Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht (BGE 147 IV 47 E. 4.2.3; 138 IV 248 E. 4.4.1). Die beschuldigte Person trägt gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Auslagen für Gutachten bilden Bestandteil der Verfahrenskosten (Art. 422 Abs. 2 lit. c StPO).
Die Kostentragungspflicht der beschuldigten Person im Falle eines Schuldspruchs gründet auf der Annahme, dass sie Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens als Folge ihrer Tat veranlasst hat und daher zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet sein soll (BGE 138 IV 248 E. 4.4.1; Urteil 6B_333/2015 vom 20. Juli 2015 E. 5; je mit Hinweisen). Demgegenüber können der beschuldigten Person nicht die Kosten auferlegt werden, welche die Strafbehörden von Bund und Kantonen durch unnötige oder fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursacht haben (Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO). Erforderlich ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem zur Verurteilung führenden strafbaren Verhalten und den durch die Abklärung entstandenen Kosten (Urteil 6B_1232/2021 vom 27. Januar 2022 E. 3.3.1; 6B_85/2021 vom 26. November 2021 E. 23.3.1; 6B_1208/2020 vom 26. November 2021 E. 15.3; je mit Hinweisen).
3.3. Der Beschwerdeführer trägt im Wesentlichen erneut jene Argumente vor, die er schon vor der Vorinstanz vorgebracht hat. Soweit der Beschwerdeführer sich nicht mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinandersetzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), kann auf die Rüge nicht eingetreten werden. Er vermag in seiner Beschwerde nicht darzutun, dass die Strafverfolgungsbehörden die Untersuchung unsorgfältig bzw. fehlerhaft geführt und dadurch unverhältnismässig hohe Kosten verursacht hätten. Namentlich bringt er weder vor noch ist ersichtlich, dass die Berücksichtigung der von ihm beanstandeten Informationen aus dem Jugendstrafverfahren sich auf die vom Gutachter zu beurteilenden Fragen der Schuldfähigkeit, des Vorliegens einer psychischen Störung und der Abhängigkeit von Suchtstoffen und auf den Umfang des Gutachtens und damit den entschädigungspflichtigen Aufwand des Gutachters ausgewirkt hätten. Die Vorinstanz erkennt zutreffend, dass der Beschwerdeführer nicht vorbringt, es wäre kein (Teil-) Gutachten zu erstellen gewesen. Eine Ermessensüberschreitung bei der rechnungsgemässen Entschädigung des amtlichen Gutachters, Dr. med. B.________, Chefarzt Forensische Psychiatrie, Psychiatrische Dienste, Spitäler U.________, legt der Beschwerdeführer nicht ansatzweise dar. Eine solche ist auch nicht ersichtlich.
Aus dem vom Beschwerdeführer angeführten BGE 137 V 210 E. 2 (betreffend die Begutachtung im Rahmen eines IV-Verfahrens) und dem Urteil 9C_84/2008 vom 8. Mai 2008 (= BGE 134 I 159 betreffend Kürzung der Honorarforderung eines Gerichtsgutachters) kann nichts zu seinen Gunsten abgeleitet werden.
3.4. Die im Vorentwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung vom Juni 2001 (VE-StPO) und im Entwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung vom 21. Dezember 2005 (E-StPO; BBI 2006 1521) vorgesehene Möglichkeit, unverhältnismässig hohe Kosten auf die Staatskasse zu nehmen (vgl. Art. 494 Abs. 4 lit. b VE-StPO; Art. 433 Abs. 3 lit. c E-StPO), etwa bei Gutachterkosten in einem Bagatellfall, fand keinen Eingang ins Gesetz.
Es kann vorliegend offenbleiben, ob in einem solchen Fall von nicht kausal durch die beschuldigte Person verursachten Kosten bzw. fehlerhaften Verfahrenshandlungen der Strafbehörden gesprochen und gestützt auf Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO allenfalls auf eine (vollständige) Kostenauflage an die verurteilte Person verzichtet werden kann (vgl. Urteile 6B_333/2015 vom 20. Juli 2015 E. 5; 6B_428/2012 vom 19. November 2012 E. 3.3; je mit Hinweisen), da keine Ermessensüberschreitung bei der Festsetzung der Gutachterkosten erfolgte (E. 3.3 hiervor).
3.5. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG).
3.6. Der vorinstanzliche Kostenentscheid verstösst zusammenfassend nicht gegen Bundesrecht. Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet.
4.
Die Beschwerde ist im Verfahren gemäss Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der verhältnismässig geringe Aufwand ist bei der Bemessung der Gerichtskosten zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Juni 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied:
 
Der Gerichtsschreiber: