Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 1B_42/2022 vom 14.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
1B_42/2022
 
 
Urteil vom 14. Juni 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jametti, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Haag,
 
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
 
Gerichtsschreiber Schurtenberger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Adrian Ettwein,
 
Staatsanwaltschaft Obwalden,
 
Polizeigebäude, Postfach 1561, 6061 Sarnen 1.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Ausstandsbegehren,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
 
des Kantons Obwalden vom 22. Dezember 2021
 
(AB 21/016/SKE).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
A.A.________ und seine Ehefrau B.A.________ stellten mehrere Strafanträge gegen Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden des Kantons Obwalden. Im Rahmen dieses Strafverfahrens reichte A.A.________ am 22. März 2021 und 1. April 2021 per E-Mail und Fax mehrere Eingaben an die Oberstaatsanwaltschaft Obwalden ein, in welchen er den für das vorgenannte Strafverfahren zuständigen a.o. Oberstaatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein aufgrund von Befangenheit zur Niederlegung seines Mandats ersuchte.
Der a.o. Oberstaatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein leitete diese Eingaben am 25. März 2021 und 7. April 2021 zuständigkeitshalber an das Obergericht Obwalden weiter, welches A.A.________ mit Schreiben vom 7. April 2021 darauf hinwies, dass einzig original unterzeichnete Eingaben entgegengenommen würden. Zugleich setzte es ihm eine Nachfrist von 14 Tagen zur Verbesserung seiner Eingabe an, unter Androhung der Abschreibung des Verfahrens mit Kostenfolge. Mangels der Einreichung eines verbesserten Gesuchs oder einer sonstigen Stellungnahme schrieb es das Verfahren mit Entscheid vom 11. Mai 2021 als erledigt ab und auferlegte A.A.________ die Gerichtskosten von Fr. 500.--. Dieser Entscheid ist Gegenstand einer beim Bundesgericht unter der Verfahrensnummer 1B_323/2021 hängigen Beschwerde in Strafsachen.
B.
Am 14. Juni 2021 reichte A.A.________, diesmal gemeinsam mit seiner Ehefrau B.A.________, in gleicher Sache einen Strafantrag und ein erneutes Ausstandsgesuch gegen den a.O. Oberstaatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein bei der Bundesanwaltschaft in Bern ein. Die Bundesanwaltschaft leitete diese Eingabe zuständigkeitshalber der Staatsanwaltschaft Obwalden weiter, welche ihrerseits die Eingabe, soweit das Ausstandsgesuch betreffend, an das Obergericht Obwalden weiterleitete. Mit Entscheid vom 22. Dezember 2021 wies das Obergericht Obwalden das Ausstandsgesuch ab.
C.
Dagegen erheben B.A.________ und A.A.________ mit Eingabe vom 25. Januar 2022 Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Ausstandsgesuch vom 14. Juni 2021 gutzuheissen. Der a.o. Oberstaatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein und das Obergericht verzichteten auf eine Vernehmlassung. B.A.________ und A.A.________ haben sich nicht mehr geäussert.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Eintretensvoraussetzungen nach Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Mit der Beschwerde in Strafsachen kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, welche die beschwerdeführende Partei vorbringt und begründet, sofern die rechtlichen Mängel des angefochtenen Entscheids nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 144 V 388 E. 2). Die Beschwerde muss sich wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen; rein appellatorische Kritik reicht nicht aus (BGE 138 I 171 E. 1.4; Urteile 1B_389/2020 vom 19. August 2020 E. 2.1; 1B_541/2017 vom 8. Januar 2018 E. 1). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten namentlich, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 1 E. 1.4; 142 I 99 E. 1.7.2; 139 I 229 E. 2.2).
 
Erwägung 2
 
2.1. Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, hat sie gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat. Nach der Rechtsprechung muss der Gesuchsteller den Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnis des Ausstandsgrunds verlangen. Andernfalls verwirkt er grundsätzlich den Anspruch (vgl. BGE 143 V 66 E. 4.3 mit Hinweisen). In der Regel gilt ein sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds gestelltes Gesuch noch als rechtzeitig gestellt; ein zwei- bis dreiwöchiges Zuwarten ist dagegen bereits verspätet (Urteile 1B_240/2021 vom 8. Februar 2022; 1B_266/2021 vom 25. August 2021 E. 2; 1B_647/2020 vom 20. Mai 2021 E. 2; 1B_98/2020 vom 26. November 2020 E. 2.2; je mit Hinweisen).
Leitet der Betroffene wie vorliegend den Anschein der Befangenheit aus verschiedenen (angeblichen) Verfahrensfehlern ab, handelt er rechtzeitig, wenn er sein Ausstandsgesuch so bald wie möglich nach dem letzten geltend gemachten Verfahrensfehler stellt, der seiner Ansicht nach "das Mass voll" gemacht und dazu geführt hat, dass der Richter bzw. Staatsanwalt nun als befangen angesehen werden muss (Urteile 1B_240/2021 vom 8. Februar 2021 E. 3.3.1; 1P.333/2003 vom 14. November 2003 E. 2.2). Ist vernünftigerweise nicht damit zu rechnen, dass ein einzelner potenzieller Verfahrensmangel zu einer Ausstandspflicht führt, besteht keine Verpflichtung, unverzüglich ein Ausstandsgesuch zu stellen. Dadurch verwirkt zwar die Möglichkeit, das Gesuch allein mit dem entsprechenden problematischen Verhalten zu begründen. Nicht ausgeschlossen ist es aber, darauf später zusammen mit neu hinzugetretenen Umständen zurückzukommen, sofern nicht missbräuchlich ein bloss vorgeschobener neuer Grund angerufen wird, der nicht ernstlich für die Begründung eines Ausstands geeignet ist (Urteile 1B_240/2021 vom 8. Februar 2021 E. 3.3.1; 1B_246/2020 vom 22. Dezember 2020 E. 5.2.2).
2.2. Die Vorinstanz hat das Ausstandsgesuch der Beschwerdeführer in erster Linie mit der Begründung abgewiesen, die Beschwerdeführer würden ihr Ausstandsbegehren vorwiegend mit zwei Schriftstücken, namentlich einer Verfügung vom 2. Juni 2020 und einem Schreiben vom 8. April 2021, begründen, ihr Ausstandsgesuch vom 16. Juni 2021 sei somit klarerweise verspätet.
2.3. Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, bei diesen beiden Schreiben würde es sich einzig um beispielhafte Darlegungen verschiedener Fehlleistungen handeln. Der a.o. Staatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein habe sich wiederholt abschätzig ihnen gegenüber geäussert. Selbst wenn die einzelnen Vorbringen nicht ausreichend wären um einen Ausstand zu begründen, so würden sie in ihrer Gesamtheit die Notwendigkeit eines Ausstands geradezu aufdrängen. Eine solche Gesamtwürdigung sei ihnen erst nach einiger Zeit möglich gewesen, weshalb sie, nach dem Motto "genug ist genug", die Strafanzeigen und das Ausstandsbegehren im Juni 2021 eingereicht hätten.
2.4. Die Vorbringen der Beschwerdeführer sind unbehelflich. Zwischen dem letzten von den Beschwerdeführern vorgebrachten Vorfall, dem Schreiben des a.o. Staatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein vom 8. April 2021, und der Einreichung des Ausstandsgesuchs am 16. Juni 2021 sind mehr als zwei Monate vergangen. Dies ist mit Blick auf die hiervor zitierte Rechtsprechung klarerweise verspätet, und zwar unabhängig davon, ob dieser Vorfall für sich alleine einen Ausstand zu begründen vermöchte oder einzig in Kumulation mit weiteren, früheren (angeblichen) Verfahrensfehlern, namentlich der Verfügung vom 2. Juli 2020 (dazu E. 2.1 hiervor).
Die Beschwerdeführer bringen zwar vor, der a.o. Staatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein habe seit dem Jahr 2017 und insbesondere in den Jahren 2020 und 2021 mehrfach nicht nachvollziehbar und unparteilich gehandelt. Sollten sie damit andeuten wollen, es sei auch nach dem 8. April 2021 zu Vorfällen gekommen, die einen Ausstandsgrund darstellen würden, so lassen sich dazu in ihrer Beschwerde jedenfalls keine weiteren Ausführungen, geschweige denn Nachweise, hierzu finden. Darauf ist mangels hinreichender Substantiierung nicht weiter einzugehen (vgl. E. 1.2 hiervor).
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer bereits am 22. März 2021 und 1. April 2021 den a.o. Staatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein per E-Mail und Fax dazu aufforderten, sein Mandat niederzulegen und in den Ausstand zu treten (vgl. Verfahren 1B_323/2021). Die Beschwerdeführer wären demnach, entgegen ihren Behauptungen, durchaus bereits zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt in der Lage gewesen, ein (formgerechtes) Ausstandsgesuch zu stellen.
2.5. Bei ganz offensichtlichem Anschein der Befangenheit steht die allfällige Verspätung eines Ausstandsgesuchs der Ausstandspflicht zwar unter Umständen nicht entgegen (vgl. BGE 134 I 20 E. 4.3.2; Urteil 1B_240/2021 vom 8. Februar 2022 E. 3.3.2 mit Hinweisen). Dass vorliegend ein solcher Ausnahmefall vorliegt, wird von den Beschwerdeführern indessen nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich; vielmehr erscheinen die Vorwürfe der Beschwerdeführer gegenüber dem a.o. Staatsanwaltschafts-Stellvertreter Adrian Ettwein bei summarischer Prüfung ohnehin haltlos und teilweise treuwidrig, etwa wenn sie eine angebliche Verschleppung des Verfahrens bemängeln, obwohl sie diese durch das Stellen zahlreicher (bewilligter) Fristverlängerungsgesuche selbst verursacht haben.
2.6. Zusammenfassend hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie das Ausstandsgesuch der Beschwerdeführer als verspätet beurteilt und in der Folge abgewiesen hat.
 
Erwägung 3
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen und es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und 68 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden unter solidarischer Haftung den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, Adrian Ettwein und dem Obergericht des Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. Juni 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Jametti
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger