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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_421/2021 vom 20.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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6B_421/2021
 
 
Urteil vom 20. Juni 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Gerichtsschreiberin Meier.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Ursigna Breiter-Marugg,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Verfahrenskosten (Teileinstellung); Unschuldsvermutung; Rückweisungsentscheid; Nichteintreten,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 9. März 2021 (BK 21 31).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Mit Verfügung vom 12. Januar 2021 stellte die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland das Strafverfahren gegen A.________ wegen Vergewaltigung zum Nachteil von B.________ ein und auferlegte ihm die Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 3'281.90.
B.
A.________ erhob gegen die Kostenauflage Beschwerde ans Obergericht des Kantons Bern. Dieses hiess die Beschwerde am 9. März 2021 gut und hob die Verfügung vom 12. Januar 2021 auf (Ziff. 1). Es wies die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland an, die Teileinstellungsverfügung im Sinne der Erwägungen - bei gleichbleibendem Dispositiv - neu zu formulieren (Ziff. 2).
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht und beantragt, Ziffer 2 des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Bern vom 9. März 2021 sei aufzuheben und die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland sei anzuweisen, die entstandenen Verfahrenskosten betreffend das Strafverfahren wegen Vergewaltigung zum Nachteil von B.________ dem Kanton Bern aufzuerlegen und die Teileinstellungsverfügung unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung vollumfänglich neu zu formulieren. Eventualiter sei Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses aufzuheben und die Angelegenheit zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG). Ebenfalls zulässig ist die Beschwerde gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren (Art. 92 BGG). Andere selbständig eröffnete Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG sind vor Bundesgericht nur anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Abs. 1 lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Diese Regelung stützt sich auf die Verfahrensökonomie. In seiner Funktion als oberstes Gericht soll sich das Bundesgericht grundsätzlich nur einmal mit einem Verfahren beschäftigen müssen (BGE 143 III 290 E. 1.3; 142 II 363 E. 1.3; 142 III 798 E. 2.2; Urteil 6B_1010/2021 vom 10. Januar 2022 E. 1.1, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen).
Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind grundsätzlich Zwischenentscheide, die nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und Art. 93 BGG beim Bundesgericht angefochten werden können. Anders verhält es sich nur, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 140 V 282 E. 2 und 4.2; 138 I 143 E. 1.2; 135 V 141 E. 1.1; Urteile 6B_1363/2021 vom 14. März 2022 E. 1.2 f.; 6B_1496/2020 vom 16. Dezember 2021 E. 2.2 f.; je mit Hinweisen).
1.2. Wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, handelt es sich beim angefochtenen Beschluss um einen Rückweisungsentscheid und wird die Staatsanwaltschaft in Ziffer 2 angewiesen, die Teileinstellungsverfügung bei gleichbleibendem Dispositiv im Sinne der Erwägungen neu zu formulieren. Die vorinstanzlichen Erwägungen halten diesbezüglich fest, dass die angefochtene Verfügung aufgrund ihrer Begründung gegen die Unschuldsvermutung verstosse. Mit Blick auf das Urteil 1P.551/2003 vom 9. März 2004 sei festzustellen, dass (insbesondere) die Formulierungen "welche Nötigungsmittel" sowie "beweisbaren Nötigungshandlungen" als verfassungswidrig einzuschätzen seien. Bestimmte Formulierungen in der Teileinstellungsverfügung verstiessen gegen die Unschuldsvermutung. Diese seien insbesondere auch deswegen zu korrigieren, weil noch ein weiteres ähnliches Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer hängig sei. Der Beschwerdeführer habe Anspruch auf eine verfassungs- und konventionsgemässe Begründung der Einstellungsverfügung. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, eine verfassungs- und konventionsgemässe Begründung der Teileinstellungsverfügung zu formulieren (angefochtener Beschluss E. 6.3 und 6.4 S. 5).
1.3. Dem Beschwerdeführer ist zwar beizupflichten, dass die Vorinstanz das Dispositiv vollumfänglich bestätigt hat. Darüber hinaus hat sie im Rahmen der Rückweisung Anordnungen getroffen. Die Vorinstanz qualifiziert (insbesondere) die Formulierungen "welche Nötigungsmittel" sowie "beweisbaren Nötigungshandlungen" als verfassungswidrig. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die Vorinstanz damit materiell-rechtlich verbindliche Vorgaben gemacht hat, kann nicht gesagt werden, die Rückweisung diene nur noch der Umsetzung ihrer Anordnungen. Die Vorinstanz hat nicht alle Passagen verbindlich beurteilt und weist die Staatsanwaltschaft generell an, eine verfassungs- und konventionsgemässe Begründung der Teileinstellungsverfügung zu formulieren. Dadurch hat sie über den wesentlichen Inhalt der Begründung nicht entschieden. Der vorinstanzliche Rückweisungsbeschluss schränkt den Beurteilungsspielraum zwar ein, hebt ihn aber nicht auf, zumal auch die Bedeutung der Begründung im vorliegenden Fall zu berücksichtigen ist. Mit dem obergerichtlichen Beschluss steht nicht fest, mit welcher Begründung dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten gestützt auf Art. 426 Abs. 2 StPO auferlegt werden sollen, sondern die Staatsanwaltschaft hat diese Begründung nach der Rückweisung erst noch zu liefern. Das Bundesgericht kann im Rahmen der vorliegenden Beschwerde daher nicht abschliessend prüfen, ob die Kostenauflage gegen die Unschuldsvermutung verstösst, da dies wesentlich von der Begründung abhängt. Der vorliegende Fall ist insofern anders gelagert als das Urteil 6B_1496/2020 vom 16. Dezember 2021. Das Bundesgericht ging im erwähnten Verfahren von einem Endentscheid aus, weil die Beschwerdeinstanz sich im Einzelnen bereits dazu geäussert hatte, welche Passagen der Einstellungsverfügung zu streichen und welche bestrittenen Sachverhaltsschilderungen wie (im Konjunktiv) neu zu formulieren sind. Die Staatsanwaltschaft musste nach der Rückweisung daher nur noch die beanstandeten Passagen aus der Einstellungsverfügung entfernen resp. im vorgeschlagenen Sinn abändern. Damit stand nicht nur die Kostenauflage, sondern auch die Begründung für dieselbe fest (vgl. Urteil 6B_1496/2020 vom 16. Dezember 2021 E. 2.4; vgl. auch Urteil 6B_1363/2021 vom 14. März 2022 E. 1.4). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der angefochtene Beschluss ist somit als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG zu qualifizieren. Zwar hat die Staatsanwaltschaft gemäss dem Beschwerdeführer in der Zwischenzeit eine neue Verfügung erlassen. Diese bildet jedoch nicht Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
1.4. Der Beschwerdeführer hat im Einzelnen darzulegen, inwiefern die Beschwerdevoraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind, ansonsten auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 141 IV 284 E. 2.3, 289 E. 1.3; Urteil 6B_1010/2021 vom 10. Januar 2022 E. 1.1, zur Publikation vorgesehen). Dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG vorliegend erfüllt sind, macht der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend.
2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Juni 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Meier