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Bearbeitung, zuletzt am 07.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 8F_12/2021 vom 28.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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8F_12/2021
 
 
Urteil vom 28. Juni 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiber Grünvogel.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Beatrice Gurzeler,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern,
 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 25. Oktober 2021 (8C_645/2021).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Der 1963 geborene A.________ meldete sich erstmals am 19. Dezember 2009 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 9. September 2014 verneinte die IV-Stelle Bern eine Leistungspflicht, was das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 6. März 2015 und das Bundesgericht mit Urteil 8C_255/2015 vom 22. Oktober 2015 bestätigten.
Am 6. Dezember 2018 gelangte A.________ erneut an die IV-Stelle und ersuchte um Versicherungsleistungen. Nach durchgeführter polydisziplinärer Begutachtung durch die BEGAZ GmbH (im Folgenden: BEGAZ), Binningen, vom 12. März 2020 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren mit der Begründung ab, der Gesundheitszustand habe sich seit der erstmaligen Leistungsverweigerung vom 9. September 2014 nicht massgeblich verändert (Verfügung vom 17. Juli 2020).
B.
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Verfügung vom 17. Juli 2020 betreffend berufliche Massnahmen auf und wies die Angelegenheit an die IV-Stelle zurück, damit diese im Sinne der Erwägungen vorgehe. Was die ersuchten Rentenleistungen anbelangte, wies es die Beschwerde ab (Urteil vom 16. August 2021).
C.
A.________ liess mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern sei wegen schwerer Verletzung des rechtlichen Gehörs und Verstosses gegen Treu und Glauben durch Verweigerung der Einsichtnahme in die Tonbandaufnahmen aufzuheben und zu neuer Abklärung und zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die IV-Stelle zurückzuweisen; eventualiter sei das Verwaltungsgericht anzuweisen, ein polydisziplinäres Gerichtsgutachten anzuordnen; subeventualiter sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen.
D.
Das Bundesgericht trat am 25. Oktober 2021 auf die Beschwerde nicht ein (Verfahren 8C_645/2021).
Am 17. März 2022 hiess es ein in diesem Zusammenhang eingereichtes Revisionsgesuch von A.________ gut, hob das Urteil 8C_645/2021 auf und nahm das Beschwerdeverfahren wieder auf.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.
 
1.
Der Beschwerdeführer beanstandet in formeller Hinsicht die fehlende Einsichtsmöglichkeit in die während der Begutachtung erstellten Tonbandaufnahmen der BEGAZ.
1.1. Dazu erwog das kantonale Gericht, bei den Tonaufnahmen handle es sich rechtsprechungsgemäss um interne Dokumente, für welche grundsätzlich kein Anspruch auf Einsicht bestehe; allerdings könne das Gericht zum Beizug solcher Dokumente verpflichtet sein, wenn dies im Einzelfall zur Überprüfung der Grundlagen und Schlussfolgerungen eines Sachverständigengutachtens angezeigt erscheine. Alsdann führte es näher aus, weshalb die Voraussetzungen für einen solchen Beizug vorliegend nicht erfüllt seien. Zur vom Beschwerdeführer angerufenen, zwischenzeitlich auf den 1. Januar 2022 in Kraft gesetzten Änderung des Art. 44 ATSG hielt es fest, diese sehe zwar in Abs. 6 neu vor, dass Tonaufnahmen, sofern die versicherte Person es nicht anders bestimme, in die Akten des Versicherungsträgers aufgenommen werden müssten; dies gelte indessen nur für sich nach der Inkraftsetzung verwirklichende Geschehensabläufe.
Hinsichtlich des geltend gemachten Verstosses gegen das Gebot von Treu und Glauben stellte das kantonale Gericht fest, anders als vom Beschwerdeführer dargetan, sei er weder daran gehindert worden, eigene Tonaufnahmen zu erstellen, noch sei ihm die Aushändigung der von den Gutachtern erstellten Tonaufnahmen zugesichert worden. Daraus schloss das Gericht auf das Fehlen einer Zusicherung, welche einen Vertrauensschutz begründen könnte.
1.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht. Es kann vorbehaltlos auf das vom kantonalen Gericht dazu bereits Ausgeführte verwiesen werden. Insbesondere trägt er nicht vor, welche für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens entscheidenden Aspekte sich mittels der von ihm verlangten Audioaufzeichnungen beweisen liessen; lediglich der Wunsch nach Einsicht reicht nicht aus.
Ergänzend ist das Urteil 9C_376/2019 vom 10. September 2019 zu nennen, worin das Bundesgericht den fehlenden Anspruch auf Einsicht in interne Audioprotokolle letztmals bestätige.
2.
Soweit der Beschwerdeführer sodann die Beweiswertigkeit des BEGAZ-Gutachtens in Abrede stellt, indem er das zuhanden des Krankentaggeldversicherers erstellte bidisziplinäre Gutachten des Medizinischen Gutachtenzentrum Region St. Gallen GmbH vom 1. Februar und 6. März 2015 anruft, kann ebenfalls auf die zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden. Demnach finden sich keine den BEGAZ-Gutachtern verborgen gebliebenen Erkenntnisse, welche hinsichtlich des Neuanmeldeverfahrens und dem damit einhergehenden frühestmöglichen allfälligen Rentenbeginn ab Juni 2019 von Bedeutung gewesen wären. Entscheidend ist nicht die Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit, sondern in einer dem Leiden angepassten. Sodann ist zwar einzuräumen, dass der am polydisziplinären Gutachten mitwirkende Psychiater allenfalls zu Unrecht von einer fehlenden Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers durch die behandelnde Psychiaterin ausgegangen ist. Indessen hat er deren Diagnosestellung aufgegriffen und in Würdigung der weiteren in den Akten liegenden Arztberichten und auf der Grundlage eigener Untersuchungen nachvollziehbar dargelegt, weshalb aus fachärztlicher Sicht für den fraglichen Zeitraum von einer fehlenden Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands seit der letzten Leistungsbeurteilung im Jahr 2014 auszugehen ist. Weiter wurden die Auswirkungen der geltend gemachten chronischen Schmerzstörung auf die Arbeitsfähigkeit in nicht zu beanstandender Weise polydisziplinär bewertet. Schliesslich wurde von den Gutachtern der seit dem Jahr 2014 vorhandenen depressiven Störung sehr wohl ein invalidisierender Charakter zugesprochen, was bei der Gesamteinschätzung der Restarbeitsfähigkeit entsprechend Eingang fand. Allein der Umstand, dass dies nicht im vom Beschwerdeführer geforderten und von der behandelnden Psychiaterin attestierten Umfang geschehen ist, setzt die Beweiswertigkeit des polydisziplinären Gutachtens nicht herab. Dementsprechend durfte das kantonale Gericht bei der Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit darauf abstellen und nach willkürfreier Beweiswürdigung von weiteren Abklärungen absehen.
3.
Die weiteren, zur Verneinung eines Rentenanspruchs führenden Erwägungen der Vorinstanz werden letztinstanzlich nicht in Abrede gestellt und geben keinen Anlass zu Bemerkungen.
4.
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 6 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 28. Juni 2022
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Wirthlin
 
Der Gerichtsschreiber: Grünvogel