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BGer 8C_83/2022 vom 29.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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8C_83/2022
 
 
Urteil vom 29. Juni 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
 
Bundesrichter Maillard, Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Soluna Girón,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 15. Dezember 2021 (IV.2020.00679).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der 1965 geborene, in der Türkei als Journalist tätig gewesene A.________ reiste 1991 in die Schweiz ein. Er verfügt über keine Ausbildung und war in der Schweiz nie erwerbstätig. Unter Hinweis auf eine seit 1984 bestehende Erkrankung meldete er sich am 16. Januar 2002 zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm mit Verfügung vom 13. Dezember 2002 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente ab 1. Juni 2001 zu, bestätigt mit Mitteilungen vom 15. Dezember 2005, 15. Juli 2011 und 22. April 2014. Sie verlangte am 22. April 2014 überdies von A.________, sich im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht einer intensiven traumaspezifischen Therapie bei einem türkisch sprechenden Psychiater zu unterziehen. Anlässlich eines 2015 eingeleiteten Revisionsverfahrens veranlasste die IV-Stelle ein polydisziplinäres Gutachten im Zentrum für Medizinische Begutachtungen (ZMB), Basel, vom 14. Juli 2017. Mit Verfügung vom 29. November 2017 hob sie die Rentenverfügung vom 13. Dezember 2002 wiedererwägungsweise auf.
Mit Urteil vom 7. Juni 2019 hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich seinerseits die Verfügung der IV-Stelle vom 29. November 2017 in Gutheissung der dagegen eingereichten Beschwerde auf. Es stellte fest, dass einstweilen weiterhin ein Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung bestehe. Auf die dagegen von A.________ geführte Beschwerde trat das Bundesgericht mangels aktueller Beschwer nicht ein (Urteil 8C_505/2019 vom 21. August 2019).
A.b. In Nachachtung des sozialversicherungsgerichtlichen Urteils vom 7. Juni 2019 klärte die IV-Stelle berufliche Massnahmen ab und erteilte A.________ Kostengutsprache für einen vom 24. Februar bis 10. Juli 2020 dauernden Deutschkurs als Vorbereitung auf Eingliederungsmassnahmen (Mitteilung vom 27. Januar 2020). Wegen ungenügender Alphabetisierung nahm der Beschwerdeführer in der Folge an einem Alphabetisierungs- statt am zugesprochenen Deutschkurs teil. Die IV-Stelle verneinte mit Verfügung vom 17. September 2020 einen Anspruch auf weitere Eingliederungsmassnahmen. Mit Verfügung vom 16. Februar 2021 stellte sie die Rentenleistungen ein und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
B.
Die gegen die Verfügungen vom 17. September 2020 und 16. Februar 2021 erhobenen Beschwerden wies das Sozialversicherungsgericht nach Vereinigung beider Verfahren mit Urteil vom 15. Dezember 2021 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es seien ihm in Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 15. Dezember 2021 die gesetzlichen Leistungen, namentlich weiterhin eine ganze Invalidenrente, zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz, subeventuell an die Beschwerdegegnerin, zurückzuweisen. Ferner wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
 
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4; Urteil 9C_207/2021 vom 28. Mai 2021 E. 1).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 17. September 2020 verfügte Verneinung eines weiteren Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen sowie die Rechtmässigkeit der am 16. Februar 2021 verfügten Einstellung der Rentenleistungen bestätigte.
 
Erwägung 3
 
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar.
3.2. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Rechtsgrundlagen und Grundsätze zum Bezügerkreis einer ordentlichen Invalidenrente (Art. 36 Abs. 1 IVG), über die für ausländische Staatsangehörige geltenden versicherungsmässigen Voraussetzungen (Art. 6 Abs. 2 IVG) und betreffend den Eintritt der Invalidität (Art. 4 Abs. 2 IVG; BGE 137 V 417 E. 2.2.3; 126 V 5 E. 2b; 112 V 275 E. 1b) zutreffend da rgelegt. Gleiches gilt bezüglich der Voraussetzungen der Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Darauf wird verwiesen.
 
Erwägung 4
 
4.1. Die Vorinstanz bejahte die Voraussetzungen der Wiedererwägung. Infolge Fehlens der versicherungsmässigen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs sei die Verfügung vom 13. Dezember 2002 rechtsfehlerhaft und damit zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG. Es bestehe kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung bereits bei seiner Einreise in die Schweiz im Jahr 1991 (mindestens) 40 % invalid und damit der rentenspezifische Versicherungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten gewesen sei. Denn es sei ohne Weiteres schlüssig, dass ein jahrelanger Gefängnisaufenthalt mit wiederholter schwerer Folter innert vergleichsweise kurzer Latenz zu einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung führe, was u.a. durch verschiedene, den Beschwerdeführer behandelnde Ärzte untermauert werde. Ein neuer, anhaltender und relevanter Gesundheitsschaden sei auch nach den Revisionsentscheiden in den Jahren 2005, 2011 und 2014 nicht aufgetreten. Ärztlicherseits sei hinsichtlich der diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) von einer "zementierten" Situation mit vollständiger Arbeitsunfähigkeit gesprochen worden, welche Einschätzung die Beschwerdegegnerin übernommen habe. Auch bei der 2015 eingeleiteten Rentenrevision habe die behandelnde Psychiaterin noch immer den therapierten Beschwerdekomplex der Traumafolgestörung beschrieben und von einem schwer chronifizierten, seit der Jugendzeit bestehenden Leiden und jahrelanger Behandlungsnotwendigkeit sowie einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit in jedem Tätigkeitsbereich berichtet. Die Gutachter des ZMB hätten die Diagnosen dieser Ärztin bestätigt und seien von einem mittelschweren bis schweren chronifizierten Leiden ausgegangen. Trotz internistischer, neurologischer und kardiologischer Untersuchungen sei kein anderes Leiden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit festgestellt worden. An dieser Situation habe sich seither nichts geändert.
 
Erwägung 4.2
 
4.2.1. Was den Sprachkurs als Vorbereitung für berufliche Eingliederungsmassnahmen betrifft, stellte die Vorinstanz fest, für das beschriebene Eingliederungsziel seien die Integrationsmassnahmen erforderlich, und diesen vorgelagert die erfolgreiche Absolvierung des Deutschkurses auf dem Niveau B1 (selbstständige Sprachanwendung) des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarates (GER). Die Tatsache, dass zuerst noch eine hinreichende Alphabetisierung erreicht werden müsste, bevor das Niveau A1 (elementare Sprachanwendung) in Angriff genommen werden könnte und darauf aufbauend die Niveaus A2 und B1, lasse das Ziel der Eingliederungsfähigkeit sowie die spätere Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt innert angemessener Frist als wenig wahrscheinlich und die avisierte Massnahme als zu wenig sicher eingliederungswirksam erscheinen. Andere wirksame Massnahmen seien nicht ersichtlich. Die Beschwerdegegnerin habe getan, was im Rahmen der Abklärungen für eine Eingliederung verlangt werden könne. Ein weitergehender Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen bestehe daher nicht. Die Einstellung der Rentenleistungen sei demzufolge nicht zu beanstanden.
4.2.2. Hiergegen werden in der Beschwerde keine Einwände erhoben, weshalb sich diesbezügliche Weiterungen erübrigen.
 
Erwägung 5
 
 
Erwägung 5.1
 
5.1.1. Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass die Rechtskraft von Verfügungen resp. Einsprache- oder Beschwerdeentscheiden über Dauerleistungen im Bereich der Sozialversicherung, u.a. Renten der Alters- und Invalidenversicherung, grundsätzlich zeitlich unbeschränkt ist. Sie erfasst die Anspruchsvoraussetzungen ebenso wie die Faktoren der Leistungsbemessung, soweit sie im Entscheidzeitpunkt abgeschlossene Sachverhalte betreffen. Es liegt insofern eine abgeurteilte Sache (res iudicata) im Rechtssinne vor. Die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsbemessungsfaktoren können daher vorbehältlich einer prozessualen Revision oder Wiedererwägung des rechtskräftigen Entscheids (Art. 53 Abs. 1 und Art. 61 lit. i bzw. Art. 53 Abs. 2 ATSG) nicht bei jeder neuen Bezugsperiode in Frage gestellt und geprüft werden, es sei denn, das Gesetz sehe ausdrücklich eine andere Regelung vor wie etwa im Bereich der Ergänzungsleistungen (BGE 136 V 369 E. 3.1.1 mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch Urteil 8C_388/2021 vom 16. August 2021 E. 4 mit weiteren Hinweisen).
5.1.2. Für die Umschreibung der Rechtskraft und der damit verbundenen Rechtsbeständigkeit eines den Anspruch auf eine Dauerleistung verneinenden Entscheids muss auf die Begründungselemente zurückgegriffen werden. Betreffen diese, wie etwa die versicherungsmässigen Voraussetzungen, einen zeitlich abgeschlossenen, späteren Änderungen der Tatsachenlage nicht zugänglichen Sachverhalt, ist eine Überprüfung zufolge Rechtskraft ausgeschlossen, die Anspruchsberechtigung als solche mithin endgültig dahingefallen. Vorbehalten bleibt eine Änderung der den leistungsablehnenden Entscheid tragenden rechtlichen Grundlagen, oder wenn ein neuer Versicherungsfall im Sinne der Erhöhung des Invaliditätsgrades aufgrund einer von der ursprünglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung völlig verschiedenen Gesundheitsstörung vorliegt (BGE 136 V 369 E. 3.1.2 mit zahlreichen Hinweisen). Dementsprechend begründet eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes grundsätzlich keinen neuen Versicherungsfall (Urteile 9C_592/2015 vom 2. Mai 2015 E. 3.2 mit Hinweis und 8C_1057/2009 vom 25. Mai 2010 E. 2.2; SVR 2007 IV Nr. 7 S. 23, I 76/05 E. 2).
5.1.3. Der Beschwerdeführer verkennt daher die Rechtslage, wenn er einwendet, das Objekt einer möglichen Wiedererwägung sei die Rentenzusprache gemäss Verfügung (bzw. Mitteilung) vom 15. Juli 2011, da im Jahr 2011 eine materielle Rentenüberprüfung vorgenommen worden sei. Dannzumal habe er die versicherungsmässigen Voraussetzungen erfüllt, weshalb mangels zweifelloser Unrichtigkeit die Wiedererwägungsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Diese Vorbringen gehen mit Blick auf das soeben Dargelegte fehl. Objekt der Wiedererwägung bildete daher zu Recht die ursprüngliche Rentenverfügung. Eine spätere Erfüllung der in Art. 6 Abs. 2 IVG verankerten versicherungsmässigen Voraussetzungen für ausländische Staatsangehörige fällt ausser Betracht.
 
Erwägung 5.2
 
5.2.1. Nicht stichhaltig ist die Rüge, in analoger Anwendung von Art. 67 VwVG sei die Möglichkeit einer Wiedererwägung spätestens 90 Tage nach der Stellungnahme der RAD-Ärztin vom 17. April 2014, die dargelegt habe, dass der Beschwerdeführer mit dem Leiden eingereist und hier nie leistungsfähig gewesen sei, verwirkt gewesen. Die fehlende Befristung der Wiedererwägung verletzte Art. 53 Abs. 2 ATSG, Art. 67 VwVG sowie Art. 9 BV.
5.2.2. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die Ausführungen in BGE 140 V 514 E. 3.5 verwiesen werden, worin das Bundesgericht die in BGE 97 V 144 aufgeworfene Frage der Befristung einer Wiedererwägung verneinte. Dass BGE 140 V 514 E. 3.4 die relative Frist gemäss Art. 67 Abs. 1 VwVG nicht beschlage, wie der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wurde in E. 3.5 des soeben zitierten Urteils klargestellt, dass die Wiedererwägung nicht nur innerhalb der für das Revisionsbegehren im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG geltenden Fristen (Art. 67 Abs. 1 und 2 VwVG) zulässig ist. In SVR 2018 IV Nr. 59 S. 190, E. 4.1.4, 8C_680/2017, wiederholte das Bundesgericht, dass eine Wiedererwägung der Rentenzusprache trotz langer Dauer des Leistungsbezugs möglich ist. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Rechtsprechung ernsthaft in Zweifel ziehen würde (BGE 140 V 538 E. 4.5). Der Umstand, dass die Rente hier in den Jahren 2005, 2011 und 2014 - ohne eingehende Abklärungen - revisionsweise bestätigt wurde, begründet ebenfalls keine andere Betrachtungsweise. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtsbeständigkeit und der Rechtssicherheit stehen einer Wiedererwägung der Rentenzusprache trotz langer Bezugsdauer nicht entgegen (vgl. zitiertes Urteil SVR 2018 IV Nr. 59 S. 190 E. 4.1 mit Hinweisen; BGE 140 V 514 E. 3.5).
5.3. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 27 ATSG, da er nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er rückwirkend Beiträge gestützt auf Art. 2 IVG i.V.m. Art. 1a und 3 AHVG nachzahlen könne. Da die Voraussetzung der minimalen Beitragsdauer bei Eintritt des Versicherungsfalles erfüllt sein muss (vorstehende E. 5.2), greift auch dieser Einwand nicht (siehe Ziff. 3004 des Kreisschreibens des BSV über das Verfahren zur Leistungsfestsetzung in der AHV/IV/EL [KSBIL], gültig ab 4. April 2016; UELI KIESER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Alters- und Hinterlassenenversicherung, 3. Aufl. 2012, Rz. 9 zu Art. 29 AHVG; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., Rz. 2 zu Art. 36 IVG). Die Möglichkeit einer Beitragsnachzahlung besteht nicht.
 
Erwägung 5.4
 
5.4.1. Der Beschwerdeführer vertritt sodann die Ansicht, vor dem 4. September 1996 bestehe eine unklare medizinische Situation, zumal der Bericht der Klinik B.________ vom 9. September 2002 den Beginn der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit "ca. Sommer 2001" angegeben habe. Es sei nicht zweifelsfrei erstellt, dass er bereits mit einer mindestens 40%-igen Arbeitsunfähigkeit in die Schweiz eingereist sei. Die Vorinstanz habe das Beweismass an die zweifellose Unrichtigkeit zu tief angesetzt und den Untersuchungsgrundsatz verletzt, indem sie keine weiteren Sachverhaltsabklärungen zum Gesundheitszustand vor dem 4. September 1996 getroffen habe. Entgegen dem Grundsatz der materiellen Beweislast habe sie überdies die allfällige Beweislosigkeit zulasten des Beschwerdeführers gelten lassen. Vielmehr sei die seinerzeitige Annahme einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 4. September 1996 gemäss ursprünglicher Rentenzusprache vor dem Hintergrund der echtzeitlichen Aktenlage vertretbar.
5.4.2. In der Beschwerde wird keine neue Invaliditätsursache geltend gemacht (vgl. vorstehende E. 5.1.2). Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in der Türkei ab dem Jugendalter mehr als zehn Jahre als politischer Gefangener inhaftiert war und regelmässig gefoltert wurde. Wie die Vorinstanz darlegte, wurde ärztlicherseits übereinstimmend, insbesondere aufgrund einer schweren und chronifizierten PTBS, eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert. Einzig die Angaben von Dr. med. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, könnten dahingehend verstanden werden, so die Vorinstanz weiter, dass sich die PTBS erst Jahre nach der Entlassung aus dem Gefängnis und der Flucht in die Schweiz entwickelt habe. Die Ärztin habe allerdings ebenso festgehalten, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner schweren Erkrankung weder Deutsch lernen noch sich beruflich habe integrieren können. Aus den übrigen fachärztlichen Berichten gehe klar hervor, dass eine chronische PTBS seit dem Gefängnisaufenthalt mit den Foltererlebnissen bestehe (Berichte der Klinik H.________ vom 27. Mai und 9. September 2002).
Das der ursprünglichen Rentenzusprache zugrunde gelegte Datum vom 4. September 1996 für den Beginn des Wartejahres nach Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG gibt einzig den Behandlungsbeginn bei Dr. med. D.________, Allgemeine Medizin, wieder. Die Ärztin hielt ab diesem Zeitpunkt die Diagnose einer PTBS als gesichert (Bericht vom 5. Februar 2002). Dr. med. D.________ stellte jedoch ebenfalls fest, die PTBS bestehe seit dem Gefängnisaufenthalt mit regelmässiger Folter. Der Beschwerdeführer selbst gab in seiner Anmeldung an, er sei seit 1984 krank und vom Gefängnisarzt betreut worden. Die RAD-Ärztin Dr. med. E.________ schloss am 17. April 2014 übereinstimmend mit dem RAD-Arzt Dr. med. F.________ in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017, dass der Beschwerdeführer bereits mit dem Leiden eingereist und in der Schweiz nie leistungsfähig gewesen sei.
Die vorinstanzliche Würdigung der medizinischen Aktenlage ist nicht willkürlich. Es finden sich bei der im Zeitpunkt der Verfügung vom 13. Dezember 2002 bestehenden Sachlage, ausser der allenfalls missverständlichen Äusserung von Dr. med. C.________ im soeben dargelegten Sinne, keine ärztlichen Hinweise darauf, dass die vorliegende psychiatrische Gesundheitsschädigung in Form einer PTBS mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit in relevantem Ausmass nicht bereits bei der Einreise vorlag. Auch die Neurologin Dr. med. G.________, die den Beschwerdeführer am 6. und 12. September 1996 konsiliarisch untersuchte, wies darauf hin, dass er seit mehreren Jahren an Reizbarkeit, Nervosität, Angstzuständen sowie Ein- und Durchschlafstörungen leide. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ändert daran nichts, dass im Bericht der Klinik B.________ vom 9. September 2002festgehalten wurde, seit Sommer 2001 bestehe eine PTBS mit rezidivierenden suizidalen Krisen (ICD-10 F43.1). Unter Berücksichtigung der im Bericht enthaltenen Anamnese ergibt sich zwanglos, dass sich der vermerkte Beginn "Sommer 2001" nicht auf die Erkrankung als solche bezieht, sondern auf die damit zusammenhängenden suizidalen Krisen. So wurde auf die konkreten Absichten des Beschwerdeführers hingewiesen, sich mit einem Teppichmesser die Pulsadern aufzuschneiden und eine Schussverletzung am Kopf in suizidaler Absicht erwähnt. Gemessen an den suizidalen Krisen habe sich der Zustand des Beschwerdeführers in den letzten Monaten deutlich verschlechtert. Damit im Einklang steht der Bericht der Klinik H.________, Abteilung für Psychosoziale Medizin, vom 22. August 2001, die der Beschwerdeführer notfallmässig aufsuchte. Danach habe sich die bekannte schwere posttraumatische Belastungsstörung vorübergehend verschlimmert; es beständen seit Jahren Schlafstörungen, Alpträume und das tägliche Wiedererinnern an die Gefängnissituation in der Türkei. Hieraus ergibt sich somit nichts zugunsten des Beschwerdeführers.
5.4.3. Zusammenfassend lassen die Einwendungen des Beschwerdeführers weder die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als offensichtlich unrichtig, als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung oder als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch zeigen sie in anderer Hinsicht eine Bundesrechtsverletzung auf. Soweit rechtserheblich, ist die Vorinstanz ihrer Verpflichtung zu umfassender Sachverhaltsermittlung vollumfänglich nachgekommen und konnte in antizipierender Beweiswürdigung (BGE 141 I 60 E. 3.3; 136 I 229 E. 5.3 mit Hinweisen) von weiteren Abklärungen ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes absehen (vgl. statt vieler Urteil 8C_68/2020 vom 11. März 2020 E. 5.2 mit weiteren Hinweisen). Die Vorinstanz schloss willkürfrei, dass der Versicherungsfall Rente schon vor der Einreise in die Schweiz überwiegend wahrscheinlich eingetreten war, bevor der Beschwerdeführer während mindestens eines vollen Jahres Beiträge nach Art. 6 Abs. 2 IVG leisten konnte (vgl. BGE 136 V 369 E. 1.1 mit Hinweisen). Damit war die ursprüngliche Rentenzusprache zweifellos unrichtig, da sie auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruht, weshalb die Wiedererwägungsvoraussetzungen nach Art. 53 Abs. 2 ATSG zu Recht bejaht wurden. Anders als der Beschwerdeführer annimmt, liegt hier auch kein Fall von Beweislosigkeit vor (BGE 144 V 427 E. 3.2). Entgegen dem Einwand in der Beschwerde kann der Vorinstanz bei der vorliegenden Konstellation ebenso wenig eine Verletzung von Art. 53 Abs. 2 ATSG durch eine fehlende Interessenabwägung vorgeworfen werden. Damit hat es beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.
6.
Ausgangsgemäss hat grundsätzlich der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden, da die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). Es wird indes ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Rechtsanwalt Soluna Girón wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers bestellt.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
 
4.
 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 29. Juni 2022
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Wirthlin
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla