Beschluss
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des Plenums vom 8. Dezember 1952
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- 1 PBvV 1/52 -
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In dem Verfahren betreffend das von dem Bundespräsidenten mit Schreiben vom 10. Juni und 4. August 1952 erbetene Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit des Vertrages über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten und der Zusatzverträge zu beiden Verträgen mit dem Grundgesetz hat das Plenum mit 20 gegen 2 Stimmen beschlossen:
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Entscheidungsformel:
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1. Dem Gutachtenverfahren wird Fortgang gegeben.
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2. Gutachten des Plenums über bestimmte verfassungsrechtliche Fragen binden die Senate in Urteilsverfahren.
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Gründe
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A.
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1. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 1952 beantragten 144 Abgeordnete des Deutschen Bundestages (Albertz u. a.) beim Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG festzustellen,
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"daß Bundesrecht, welches die Beteiligung Deutscher an einer bewaffneten Streitmacht regelt, oder Deutsche zu einem Wehrdienst verpflichtet, ohne vorangegangene Ergänzung und Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist."
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Durch Beschluß vom 13. Februar 1952 entschied das Plenum, daß der Erste Senat für dieses Verfahren zuständig sei.
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Nachdem der Bundeskanzler am 26. Mai 1952 den Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten und am 27. Mai 1952 den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft unterzeichnet hatte, faßten die Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. Juni 1952 ihren Antrag dahin,
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"festzustellen, daß ein Gesetz betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ohne vorangegangene Ergänzung und Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist."
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Schließlich wurde der Antrag durch Schriftsatz vom 7. Juli 1952 auf den Generalvertrag erstreckt und wie folgt gefaßt:
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"festzustellen, daß ein Gesetz betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten einschließlich Anlagen und Zusatzverträgen sowie ein Gesetz betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ohne vorangegangene Ergänzung und Abänderung des Grundgesetzes weder förmlich noch sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist."
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Über die Zulässigkeit dieses Antrages auf sogenannte vorbeugende Normenkontrolle fand am 10. Juni 1952 eine mündliche Verhandlung vor dem Ersten Senat statt.
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2. Mit Schreiben vom 10. Juni 1952, dem Tage, an dem die erste mündliche Verhandlung in dem beim Ersten Senat schwebenden Verfahren stattfand, ersuchte der Bundespräsident unter Berufung auf § 97 BVerfGG das Bundesverfassungsgericht um Erstattung eines Rechtsgutachtens über folgende verfassungsrechtliche Frage:
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"Steht der vorbezeichnete Vertrag (Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft usw.) im Widerspruch zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, soweit durch ihn auf Grund des Artikels 24 des Grundgesetzes die zwischenstaatliche Einrichtung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft berechtigt wird, europäische Wehrhoheit unter Zugrundelegung der Wehrpflicht der Staatsbürger der Mitgliedstaaten auszuüben?"
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Der Erste Senat richtete daraufhin unter dem 13. Juni 1952 in dem anhängigen Verfahren Albertz u. a. an die Beteiligten folgende Anfrage:
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Es erscheint erwünscht, daß mit einer so bedeutsamen verfassungsrechtlichen Frage das Plenum des Bundesverfassungsgerichts befaßt wird. Jedoch ist es zweifelhaft, ob während eines bereits anhängigen Normenkontrollverfahrens das Plenum über denselben Gegenstand ein Gutachten erstatten kann. Selbst bei Bejahung dieser Frage könnten im Hinblick auf die Möglichkeit widersprechender Rechtsauffassungen im Plenum und Senat unerwünschte Folgen eintreten. Ohne daß zu der Frage, ob der im Normenkontrollverfahren entscheidende Senat an ein Gutachten des Plenums gebunden wäre, bereits jetzt endgültig Stellung genommen werden soll, könnten diese Folgen auf alle Fälle dadurch vermieden werden, daß die am Verfahren vor dem Ersten Senat Beteiligten sich entschließen könnten, das vom Plenum zu erstattende Gutachten als für sich verbindlich anzuerkennen mit der Folge, daß nach Erstattung des Gutachtens das vor dem Ersten Senat anhängige Verfahren als erledigt betrachtet und ein anderes, die gleiche Rechtsfrage berührendes Verfahren von den Beteiligten vor dem Bundesverfassungsgericht nicht anhängig gemacht wird."
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Während die Bundesregierung diesem Vorschlag zustimmte, lehnten die Antragsteller ihn ab. Daraufhin nahm das Verfahren vor dem Ersten Senat gemäß Plenarbeschluß vom 26. Juni 1952 seinen Fortgang. Auch die zweite mündliche Verhandlung am 18. Juli 1952 beschränkte sich auf die Frage der Zulässigkeit des Antrags.
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Am 30. Juli 1952 verkündete der Erste Senat sein Urteil dahin, daß der Antrag unzulässig sei.
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3. Am gleichen Tage beschloß das Plenum, die Beratung des Gutachtens für den Bundespräsidenten in Angriff zu nehmen. Dieser erweiterte sein Ersuchen mit Schreiben vom 4. August 1952 dahin,
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In der Folgezeit legte das Plenum das Verfahren fest und beschloß u. a., allen Beteiligten Gelegenheit zu geben, in öffentlicher Sitzung ihren Standpunkt ausführlich in Rede und Gegenrede vor dem Plenum darzulegen. Der Termin zur mündlichen Anhörung der Beteiligten wurde zunächst auf den 26.-28. November 1952 angesetzt. Dieser Termin wurde auf Antrag der Bundesregierung wegen Erkrankung des Staatssekretärs Dr. Hallstein aufgehoben. Neuer Termin wurde auf den 9.-11. Dezember 1952 anberaumt.
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4. Am 9. und 10. Juli 1952 fand die erste Lesung der Vertragsgesetze im Bundestag statt, die mit der Überweisung an die Ausschüsse endete. Der Bundestags-Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat in zwölf Sitzungen vom 3. Oktober bis 12. November 1952 die Frage der Vereinbarkeit der Verträge mit dem Grundgesetz erörtert Die zweite Lesung der Vertragsgesetze fand im Bundestag vom 3.-5. Dezember 1952 statt.
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Am 6. Dezember 1952 ging der vom gleichen Tage datierte Antrag der Bundestagsfraktion der CDU/CSU, der Bundestagsfraktion der FDP, der Bundestagsfraktion der DP/DPB und der Mehrheit des Deutschen Bundestages, bestehend aus 201 Abgeordneten, gegen die Bundestagsfraktion der SPD und 128 dieser Fraktion angehörende Abgeordnete beim Bundesverfassungsgericht ein, mit dem unter Bezugnahme auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG folgende Feststellungen begehrt werden:
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"1. Die Antragsgegner verstoßen dadurch gegen das Grundgesetz, daß sie dem Deutschen Bundestag und der antragstellenden Mehrheit des Bundestages das Recht bestreiten, die Gesetze über den Deutschlandvertrag und den EVG-Vertrag mit der in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG vorgeschriebenen Mehrheit zu verabschieden;
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Am 8. Dezember 1952 beschloß das Plenum, dem Gutachtenverfahren Fortgang zu geben; es legte weiter fest, daß ein Gutachten des Plenums beide Senate in Urteilsverfahren bindet.
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Diesen Beschluß gab das Gericht im Termin vom 9. Dezember 1952 bekannt. Auf Antrag des Bevollmächtigten der Bundesregierung wurde alsdann die Sitzung auf den 10. Dezember 1952 nachmittags vertagt. Am 10. Dezember vormittags ging folgendes Schreiben des Bundespräsidenten ein:
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"Nachdem ich von dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 1952 Kenntnis erhalten habe, wonach das von mir erbetene Rechtsgutachten sowie alle anderen Gutachten des Plenums beide Senate in ihrer Rechtsentscheidung binden, habe ich mich entschlossen, mein Gesuch um ein Rechtsgutachten zurückzuziehen, da mir der Charakter eines Gutachtens schlechthin und in seinem grundsätzlichen Wesen durch diesen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben zu sein scheint."
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Da damit die Grundlage für das Gutachtenverfahren entfallen war, hob das Plenum den für den 10. Dezember 1952 nachmittags anberaumten Termin auf.
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Die Institution des Bundesverfassungsgerichts und der Umfang der Verfassungsgerichtsbarkeit, wie sie durch das Grundgesetz geschaffen worden sind, haben kein Vorbild. Die Phantasie des Gesetzgebers kann nicht ausreichen, um alle Möglichkeiten auf diesem Gebiet vorauszusehen. Darum müssen auch die das Verfahren betreffenden Regeln des Grundgesetzes und des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht notwendig lückenhaft sein. Der Gesetzgeber hat in dieser Erkenntnis bewußt Raum für die Ausgestaltung des Verfahrens durch die Gerichtspraxis gelassen (vgl. Geiger, Kommentar zum BVerfGG, 1952, S. 63 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat denn auch in dem ersten Jahr seiner Tätigkeit bereits mehrfach aus den durch das Grundgesetz und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vorgezeichneten Grundlinien heraus weitere Rechtsgrundsätze für sein Verfahren entwickeln müssen. So hat etwa der Erste Senat die Bewilligung des Armenrechts und die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Armenrecht für zulässig gehalten (Beschluß vom 31. Januar 1952 - 1 BvR 68/51 -). Der Erste Senat hat entgegen dem Wortlaut aber entsprechend der ratio des § 93 Abs. 2 BVerfGG entschieden, daß der Lauf der Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, das rückwirkend in Kraft tritt, erst mit dem Zeitpunkt der Verkündung beginnt (Beschluß vom 10. September 1952 - 1 BvR 379/52 -). Der Zweite Senat hat die Antragsberechtigung einer politischen Partei im Verfassungsstreit über Wahlrechtsfragen anerkannt (Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -). Und wenn jetzt die Mehrheit des Deutschen Bundestags mit Bezug auf die Vertragsgesetze einen Verfassungsstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG anhängig gemacht hat, so hält sie offenbar eine fortbildende Auslegung des § 63 BVerfGG dahin für möglich, daß sich ein Antragsrecht der Bundestagsmehrheit mit dem Gesamtinhalt des Grundgesetzes und des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vereinbaren lasse, obwohl es in § 63 BVerfGG nicht vorgesehen ist.
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Besondere Schwierigkeiten erwachsen aus der Gliederung des Gerichts in zwei Senate mit gesetzlich festgelegter, aber nicht völlig zweifelsfreier Zuständigkeitsverteilung und der Betrauung des Plenums mit einer Gutachterfunktion. Gerade wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um einen Akt der Gesetzgebung handelt, zeigt sich, daß dieselbe Rechtsfrage als Gegenstand der Entscheidung oder als Vorfrage der Entscheidung in verschiedenen Verfahrensarten vor jedem Senat oder vor dem Plenum erscheinen kann. Während des Gesetzgebungsverfahrens können die am Verfahren beteiligten Verfassungsorgane über ihre Rechte und Pflichten streiten (Zweiter Senat: § 13 Nr. 5 BVerfGG); ein Land kann behaupten, daß der Bund durch Erlaß eines Gesetzes in seine Rechte eingegriffen habe (Zweiter Senat: § 13 Nr. 7 BVerfGG); auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels des Bundestages kann ein Gesetz zum Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle werden (Erster Senat: § 13 Nr. 6 BVerfGG); endlich kann der Bundespräsident oder können Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gemeinsam ein Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesvorlage anfordern (Plenum: § 97 BVerfGG).
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Im vorliegenden Fall war zunächst der Erste Senat mit dem Antrag auf vorbeugende Normenkontrolle befaßt; dann ersuchte der Bundespräsident das Plenum um ein Gutachten; weiter erstrebt die Bundestagsmehrheit ein Urteil des Zweiten Senats in einem von ihr für zulässig gehaltenen Verfassungsrechtsstreit; schließlich hat die Bundestagsminderheit angekündigt, daß sie nach Verabschiedung der Vertragsgesetze durch die gesetzgeben den Körperschaften den Antrag auf Normenkontrolle stellen werde, für den der Erste Senat zuständig ist. Wollte das Gericht nicht im Spiele der Zuständigkeiten seine Autorität verlieren, so mußte es über das Verhältnis des Gutachtenverfahrens zu den Urteilsverfahren und eines Plenargutachtens zum Urteil eines der Senate grundsätzliche Verfahrensregeln aufstellen, die sich aus den Grundgedanken des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ergeben.
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II.
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Im allgemeinen ist es die Funktion eines Gerichts, Rechtsstreitigkeiten zwischen streitenden Parteien zu entscheiden. Die Erstattung von Rechtsgutachten ist daher grundsätzlich der richterlichen Funktion wesensfremd. Der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, der ursprünglich ein oberstes Zivil- und Strafgericht ist, hat es darum abgelehnt, auf Ersuchen des Präsidenten Gutachten zu erstatten.
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Ein institutionelles Verfassungsgericht, das ausschließlich zur Verfassungsrechtsprechung berufen ist, kann aber nicht mit demselben Maß wie ein ordentliches Zivil- oder Strafgericht gemessen werden, zumal wenn es mit der Vielfalt von Zuständigkeiten ausgestattet ist wie das Bundesverfassungsgericht. Auch da, wo es über verletzte Rechte oder behauptete Pflichten entscheidet, steht es weniger im Dienste subjektiver Rechtsverfolgung als im Dienste objektiver Bewahrung des Verfassungsrechts. Aus diesen Erwägungen heraus bezeichnet Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG als Gegenstand der Entscheidung im Verfassungsstreit "die Auslegung dieses Grundgesetzes". Das Gericht soll also die verfassungsrechtlichen Grundlagen klären und nicht eigentlich den Streit der Parteien durch eine vollstreckbare Entscheidung beenden. Das ist zwar durch §§ 64, 67 BVerfGG etwas abgewandelt; immerhin kommt diese Eigenart der Verfassungsgerichtsbarkeit klar darin zum Ausdruck, daß die Urteile im Streitverfahren in der Regel als Feststellungsurteile ergehen. Im Verfahren der Normenkontrolle wird der Feststellung über die Gültigkeit oder Ungültig keit des Gesetzes darüber hinaus eine rechtssatzähnliche Kraft beigelegt.
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Urteile des Bundesverfassungsgerichts im Verfassungsstreit und im Normenkontrollverfahren stehen daher den Rechtsgutachten näher, als es bei Urteilen ordentlicher Gerichte der Fall sein kann. Mithin widerspricht § 97 BVerfGG der im Grundgesetz festgelegten Funktion des Bundesverfassungsgerichts nicht. Es ist durchaus sinnvoll, die Sachkunde des Verfassungsgerichts auch außerhalb der Urteilsverfahren auf Antrag höchster Verfassungsorgane zur Klärung verfassungsrechtlicher Streitfragen heranzuziehen.
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Wenn § 97 BVerfGG bestimmten obersten Verfassungsorganen die Zuständigkeit einräumt, vom Bundesverfassungsgericht Gutachten zu erbitten, so folgt daraus für das Gericht die Pflicht, diese Gutachten zu erstatten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Als Voraussetzung legt § 97 nur fest, daß Gegenstand des Rechtsgutachtens "eine bestimmte verfassungsrechtliche Frage" sein muß. Da aber jede verfassungsrechtliche Frage auch Gegenstand eines Verfassungsstreites oder einer Normenkontrolle sein oder für die Entscheidung in einem dieser Verfahren präjudizielle Bedeutung haben kann, darf ein Gutachten nicht deshalb versagt werden, weil die darin zu beantwortende Rechtsfrage im Urteilsverfahren vor einen Senat kommen könnte.
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III.
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Ein Gutachten ist seinem Wesen nach eine Meinungsäußerung darüber, wie ein bestimmter Sachverhalt rechtlich zu beurteilen oder eine Rechtsnorm auszulegen ist. Wenn ein Gericht durch Gesetz zur Erstattung von Rechtsgutachten berufen wird, so handelt es auch bei dieser Tätigkeit als Gericht. Das Gutachten beruht dann ebenso wie ein Urteil des Gerichts auf Gesetz und Recht; es ist nicht eine bloße Zusammenfassung der Meinungen der einzelnen Richter, sondern es geht vom Gericht als solchem aus und hat dessen Autorität.
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Rechtskraftwirkung und Vollstreckbarkeit und damit Verbindlichkeit nach außen im formellen Sinne können dem Gutachten nicht beigelegt werden. Nur die Entscheidungen, die ein Senat im Urteilsverfahren zu einem konkreten Sachverhalt trifft, binden nach § 31 Abs. 1 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden, nicht aber Entscheidungen über eine abstrakte Rechtsfrage. Insbesondere fällt auch die in § 16 Abs. 1 BVerfGG vorgesehene Plenarentscheidung über eine Rechtsfrage aus dem Rahmen des § 31 heraus; sie bewirkt nur eine Bindung innerhalb des Bundesverfassungsgerichts selbst, nicht aber nach außen.
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Wenn auch das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts keine verbindliche Kraft im Rechtssinne hat, so nimmt das Gericht mit dem Staatssekretär im Bundesjustizministerium Dr. Strauß doch an, "daß jedes Gutachten des Bundesverfassungsgerichts von einer solchen Autorität und Bedeutung ist, daß kein gesetzgebendes Organ oder etwa die Bundesregierung im Wege ihres Initiativrechts es jemals verantworten könnte, sich in Gegensatz zu einem Gutachten des Bundesverfassungsgerichts zu setzen". Dr. Strauß führte bei der gleichen Gelegenheit weiter aus: "Ich sagte, ist ein Rechtsgutachten über eine Verfassungsfrage vom Bundesverfassungsgericht erstattet worden, dann ist es völlig unerheblich, ob es gesetzlich vorgeschrieben, ob es verbindlich ist und in welcher Form. Jedes Verfassungsorgan und sonstige Organ des Bundes wird nicht in der Lage sein, gegenüber einem Ja oder Nein in der betreffenden Verfassungsrechtsfrage sich anders zu verhalten, als das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Darin liegt auch die Rechtfertigung dafür, daß man überhaupt die Möglichkeit der Anforderung eines Rechtsgutachtens vorgesehen hat." (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts am 18. Juli 1952, abgedruckt in: Der Kampf um den Wehrbeitrag Bd. I, Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik in Mainz Bd. 2, 1952, S. 390, 434).
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Wegen der besonderen Bedeutung der richterlichen Gutachten in der Verfassungsgerichtsbarkeit und in der internationalen Gerichtsbarkeit bezieht Scheuner diese Gutachten in den Begriff der Rechtsprechung ein und bezeichnet sie damit als "den von der Autorität des Staates getragenen Spruch über bestrittenes, bezweifeltes oder gefährdetes Recht im Dienste allein der Gerechtigkeit" (Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festgabe für Rudolf Smend, 1952, S. 278 Anm. 66).
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Da ein Verfassungsgericht nur Recht sprechen, nicht aber Machtmittel einsetzen kann, um seinem Spruch Befolgung zu erzwingen, beruht jede Verfassungsgerichtsbarkeit auf der Voraussetzung, daß der Spruch des Gerichtes beachtet wird. Wenn das Plenum in einem Gutachten gemäß § 97 BVerfGG das Grundgesetz auslegt, spricht es zumindest mit der gleichen Autorität wie ein Senat im Urteilsverfahren. Dann können aber Rechtskraftwirkung und Verbindlichkeit nach außen nicht entscheidend sein für die Kraft des Spruchs innerhalb des Verfassungsgerichts.
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Obwohl also das Gutachten nicht die rechtliche Wirkung eines Urteils hat, ist es doch seinem materiellen Gehalt nach einem Urteil gleichzustellen. Die Schlußfolgerung (conclusio) eines Gutachtens wird, besonders bei einem Verfassungsgericht, das seine Urteile in der Regel als Feststellungsurteile faßt, stets auch als Formel eines Urteils gedacht werden können. Daß nicht nur die Sachentscheidung eines Verfassungsrechtsstreits oder die Entscheidung über einen Antrag auf Normenkontrolle "Entscheidungen" des Gerichts sind, ergibt sich auch aus § 16 Abs. 1 BVerfGG, wo von der "Entscheidung" des Plenums die Rede ist. Auch bei dieser Entscheidung spricht das Plenum nicht in der Sache Recht, sondern es gibt nur die Antwort auf eine Rechtsfrage, die ihm von einem Senat vorgelegt worden ist.
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IV.
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In jeder Gerichtsorganisation wird die Freiheit des Richters, in einer seiner Jurisdiktion unterworfenen Sache nach dem Gesetz, wie er es auslegt, zu entscheiden, durch gesetzliche Vorschriften beschnitten, die die Einheit der Rechtsprechung sichern. In diesem Sinne sieht auch § 16 Abs. 1 BVerfGG vor, daß ein Senat das Plenum anrufen muß, wenn er in einer Rechtsfrage von der in einer Entscheidung des anderen Senats enthaltenen Rechtsauffassung abweichen will. Es ist in der Bestimmung nicht gesagt, aber sinngemäß zu ergänzen, daß ein Senat auch nicht ohne Anrufung des Plenums über die Rechtsauffassung hinweggehen kann, die das Plenum in einer Entscheidung gemäß § 16 Abs. 1 auf Anrufen eines Senats festgelegt hat. Es ergibt sich also. daß das Gesetz selbst das Plenum als "die höchste Autorität des Bundesverfassungsgerichts" vorsieht, wie Prof. Dr. Erich Kaufmann in der Verhandlung vor dem Ersten Senat am 18. Juli 1952 mit Recht hervorgehoben hat (Der Kampf um den Wehrbeitrag Bd. 1 S. 427).
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Das Plenum, das gemäß § 97 BVerfGG ein Rechtsgutachten über eine bestimmte verfassungsrechtliche Frage erstattet, ist dasselbe Gericht, das sich gemäß § 16 Abs. 1 BVerfGG über eine Rechtsfrage äußert, die ihm ein Senat vorgelegt hat. Wenn schon nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 BVerfGG ein Senat nicht von der Rechtsauffassung abweichen darf, die in der Entscheidung eines anderen Senats enthalten ist, so kann ihm das erst recht nicht erlaubt sein gegenüber einer Rechtsauffassung des Plenums.
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§ 16 Abs. 1 BVerfGG hat die Sicherung einer einheitlichen Rechtsauffassung in allen nach außen gerichteten Bekundungen des Gerichts zum Ziele. Dann kann es aber keinen Unterschied machen, ob das Plenum seine Auffassung über eine Rechtsfrage auf Antrag eines Senats nach § 16 Abs. 1 oder auf Antrag eines nach § 97 BVerfGG zur Einholung von Gutachten berechtigten Verfassungsorganes kundgetan hat. Gerade die Bedeutung, die auch die Vertreter der Bundesregierung in der Verhandlung vor dem Ersten Senat am 18. Juli 1952 einem Gutachten des Plenums mit Recht beigemessen haben (vgl. die Ausführungen des Staatssekretärs Dr. Strauß, Der Kampf um den Wehrbeitrag Bd. I S. 383, 384, 390, 433, 434, und Prof. Dr. Erich Kaufmann aaO S. 426 f.), zwingt zu der Gleichstellung des Plenargutachtens mit der Entscheidung des Plenums nach § 16 Abs. 1 BVerfGG. Das Bundesverfassungsgericht, das dem Grundgesetz nur als eine Einheit bekannt ist, kann seine Aufgabe nur erfüllen und seine Autorität nur wahren, wenn dieselbe Rechtsfrage in allen Verfahrensarten von den jeweils das Gericht repräsentierenden Entscheidungsgremien im gleichen Sinne beantwortet wird. Daraus folgt die Bindung der Senate an ein Rechtsgutachten des Plenums.
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Da diese Bindung der Senate an die Gutachten des Plenums aus der im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht geschaffenen Organisation des Gerichts geschlossen werden muß, wird der Grundsatz der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) dadurch so wenig berührt, wie es bei §§ 136, 137,138 Abs. 3 GVG, § 565 Abs. 2 ZPO, § 358 StPO, §§ 66, 296 Abs. 4 RAbgO, §§ 47, 63 Abs. 5 BVerwGG der Fall ist.
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V.
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Durch die Bindung der Senate an die Rechtsgutachten des Plenums wird die gesetzliche Zuständigkeit der Senate nicht berührt, insbesondere in einem Verfassungsstreit dem Antragsberechtigten der gesetzliche Richter nicht vorenthalten. Bei der Normenkontrolle gibt es überdies keinen "gesetzlichen Richter", da die Antragsberechtigten bei der Normenkontrolle keine eigenen Rechte verfolgen, sondern nur den Anstoß zu einem objektiven Verfahren geben. Das Plenum ist für die Entscheidung von abstrakten Rechtsfragen ebenso der durch Gesetz berufene Richter, wie es die Senate für die Entscheidung der ihnen zugewiesenen konkreten Streitfälle sind. Nach der ratio des § 16 Abs. 1 BVerfGG kommt dem Plenum bei der Entscheidung abstrakter Rechtsfragen eine den Senaten übergeordnete Stellung zu.
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Es steht einem Antragsberechtigten durchaus frei, da, wo die entscheidende Rechtsfrage bereits durch ein Gutachten beantwortet ist, zusätzlich ein Urteil von einem Senat zu erstreiten, um die bindende Wirkung der Entscheidung nach außen gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG oder die Gesetzeskraft gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG zu erreichen.
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Überdies ist auch durch das Plenar-Gutachten die Rechtsfrage nicht für alle Zeiten endgültig beantwortet. Genau so wie ein Senat von seiner eigenen Rechtsauffassung in einem späteren Urteil abgehen kann, ist auch das Plenum befugt, seine Meinung über eine Rechtsfrage auf Grund neuer Erkenntnis zu ändern. Wenn ein mit der gleichen Frage befaßter Senat zu einem vom Gutachten abweichenden Ergebnis kommt und glaubt, neue Gesichtspunkte beitragen zu können, so steht nichts entgegen, daß er das Plenum anruft und versucht, das Plenum für seine Rechtsansicht zu gewinnen.
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VI.
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Da ein Gutachten bereits erbeten werden kann, wenn die Voraussetzungen für einen Antrag im Streit- oder Normenkontrollverfahren noch nicht gegeben sind, und da das Gutachten dann in der Regel ein weiteres Verfahren vor den Senaten über die gleiche Frage zwar nicht unzulässig, aber tatsächlich überflüssig machen würde, kann dem Gutachten eine Befriedungsfunktion im Verfassungsleben zukommen. Es kann dadurch ein möglicher, aber noch nicht entstandener, oder ein zwar entstandener, aber noch nicht anhängig gewordener Verfassungsstreit vermieden werden.
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Sollte aber dieselbe Rechtsfrage in verschiedenem Gewand vor dem Ersten und dem Zweiten Senat erscheinen können und sich damit die Gefahr einer Divergenz der Urteile abzeichnen, die nur durch Plenar-Entscheidung gemäß § 16 Abs. 1 BVerfGG behoben werden könnte, so würde das Gutachten eine solche Plenar- Entscheidung vorweg nehmen und alle Beteiligten rechtzeitig erkennen lassen, welches Urteil sie von den Senaten zu erwarten haben.
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Wenn damit die interne Bindung der Senate an ein Gutachten des Plenums in ihrer mittelbaren Wirkung auch für die Verfassungsorgane Bedeutung gewinnt, die im Verfassungsstreit oder bei der Normenkontrolle antragsberechtigt sind, so bedeutet das doch nicht eine rechtliche Bindung dieser Organe an das Gutachten.
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Eine bindende Wirkung des Gutachtens nach außen ist überhaupt undenkbar, da das Gutachten nur die rechtliche Vorfrage eines etwaigen Urteilsverfahrens beantwortet. Der Antrag im Normenkontrollverfahren geht dahin, das Gesetz für nichtig zu erklären. Der Antrag im Streitverfahren geht auf die Feststellung, daß der Antragsgegner ein Recht des Antragstellers verletzt hat. Das Gutachten entscheidet nur Vorfragen, die für diese Entscheidungen der Senate von Bedeutung sein können. Der Fall liegt also kaum anders als im Zivilprozeß; auch hier müssen die Streitteile sich darüber unterrichten, ob Entscheidungen des Großen Senats des Bundesgerichtshofes über die maßgebenden Rechtsfragen ergangen sind; von den darin enthaltenen Rechtsauffassungen könnten die Senate des Bundesgerichtshofs als letzte Instanz gegebenenfalls nur nach erfolgreicher Anrufung des Großen Senats abweichen.
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Ein Gutachten des Plenums des Bundesverfassungsgerichts kann vernünftigerweise nur eingeholt werden, um eine autoritative Äußerung über die streitige verfassungsrechtliche Frage zu erhalten. Darum ist, wenn das Gutachten seine Befriedungsfunktion erfüllen soll, davon auszugehen, daß die Verfassungsorgane ihr Verhalten nach der vom Gericht bekundeten Rechtsauffassung einrichten werden. Verändert sich aber nach Erstattung des Gutachtens der Sachverhalt oder treten neue rechtliche Gesichtspunkte auf, so wird es sachdienlich sein, die Rechtsfrage erneut in dem zulässigen Verfahren vor das Gericht zu bringen oder geltend zu machen, daß das Gutachten diesen Sachverhalt gar nicht betrifft.
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VII.
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Wie erörtert, kann jede verfassungsrechtliche Frage, über die ein Gutachten möglich ist, auch eine Rolle in einem Verfassungsstreit oder bei einer Normenkontrolle spielen. Wenn sich zu derselben Rechtsfrage, über die das Gutachten erfordert worden ist, die Möglichkeit eines künftigen Urteilsverfahrens abzeichnet, muß das Gericht beachten, daß das Gutachten rechtliche Interessen Beteiligter berührt. Wenn das Gericht in einem solchen Falle vor Antragstellung im Urteilsverfahren um ein Rechtsgutachten ersucht wird, so wird es allen im weitesten Sinne Beteiligten Ge legenheit geben, sich zu den streitigen Rechtsproblemen zu äußern.
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In Anlehnung an das Gutachtenverfahren des Ständigen Internationalen Gerichtshofs hat das Gericht darum im vorliegenden Verfahren nicht nur Gelegenheit zu schriftlichen Äußerungen gegeben, sondern auch einen Termin zur mündlichen Anhörung aller Beteiligten anberaumt. Auf diese Weise wird, wie in einem Urteilsverfahren, jede Gewähr für umfassende und allseitige Unterrichtung des Gerichts und für das rechtliche Gehör aller Beteiligten geschaffen. Der Antragsteller im Gutachtenverfahren wird damit aber nicht gegen seinen Willen in die Rolle der Partei eines Streitverfahrens gedrängt, er kann sich aus dem Verfahren völlig heraushalten, nachdem er aus objektiven Gründen den Anstoß dazu gegeben hat, daß in diesem Verfahren eine für den Staat wichtige Rechtsfrage geklärt wird.
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VIII.
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Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht gibt, wie bereits betont, die Möglichkeit, dieselbe Rechtsfrage in verschiedenem Gewand entweder dem Ersten Senat oder dem Zweiten Senat oder dem Plenum zu unterbreiten. Das Gericht kann keinen Einfluß darauf nehmen, welche Form des Antrages ein nach dem Gesetz Antragsberechtigter wählt. Es muß also bis zur Grenze des offenkundigen Mißbrauchs hinnehmen, daß ein Antragsteller durch die Gestaltung des Antrages die Zuständigkeit eines bestimmten Senats begründet. Komplikationen entstehen, wenn verschiedene Antragsteller dieselbe Rechtsfrage in verschiedener Gestalt bei beiden Senaten oder beim Plenum anhängig machen. Es bedarf in diesem Zusammenhange keiner Entscheidung, wie zu verfahren ist, wenn Anträge, deren Entscheidung die Beantwortung derselben Rechtsfrage erfordert, bei beiden Senaten anhängig werden. Wohl aber mußte das Gericht sich darüber schlüssig werden, welchem Verfahren Fortgang gegeben werden soll, wenn während eines anhängigen Urteilsverfahrens ein Antrag auf ein Rechtsgutachten eingeht oder bei anhängigem Gutachtenverfahren ein Antrag im Urteilsverfahren gestellt wird.
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Bei der Entscheidung dieser Frage muß der Gesichtspunkt leitend sein, daß es keinem Antragsberechtigten erlaubt sein kann, eine Sache von dem Entscheidungsgremium wegzuziehen, das bereits mit ihr befaßt ist. Für das Verfassungsgericht steht die zu klärende Frage des Verfassungsrechts im Vordergrund, nicht die verfahrensrechtliche Position eines Verfassungsorgans. Die für das Plenum gesetzlich begründete Zuständigkeit zur Erstattung von Rechtsgutachten muß darum in Fragen der Rechtshängigkeit den Urteilsverfahren vor einem Senat gleichgestellt werden.
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Aus diesem Grunde mußte das Ersuchen des Bundespräsidenten um Erstattung eines Rechtsgutachtens, das während eines beim Ersten Senat anhängigen Urteilsverfahrens einging, zunächst zurückgestellt werden. Erst nachdem der Antrag der Abgeordneten Albertz u. a. durch Urteil des Ersten Senats vom 30. Juli 1952 abgewiesen worden war, war der Weg für die Behandlung des Gutachtens frei.
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Nachdem dann das Gutachtenverfahren anhängig geworden war, konnte der von der Mehrheit des Bundestages gestellte Antrag im Verfassungsstreitverfahren das Gutachtenverfahren nicht mehr hinfällig machen.
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Angesichts der Bedeutung, die dem Gutachten zukommt, und angesichts der kontradiktorischen Gestaltung des Gutachtenverfahrens würde es die Grundlagen des Wirkens und des Verfahrens des Bundesverfassungsgerichts erschüttern, wenn das Gericht es einem in einem anderen Verfahren Antragsberechtigten erlauben würde, die Rechtsfrage dem Plenum beliebig zu entziehen und vor einen bestimmten Senat zu bringen.
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IX.
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Plenum, Erster Senat und Zweiter Senat sind in gleicher Weise "das Bundesverfassungsgericht" und legen ihren Entscheidungen in gleicher Weise Gesetz und Recht zugrunde. Im Hinblick auf die politische Bedeutung der vom Gericht geforderten Entscheidung ist es daher unerheblich, welches Entscheidungsgremium tätig wird, ob also das Plenum ein Gutachten erstattet oder ob ein Senat nach der Rücknahme des Gutachten-Ersuchens im Verfassungsstreit oder Normenkontrollverfahren ein Urteil fällt.
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Wer das Bundesverfassungsgericht, gleichgültig in welcher Gestalt, anruft, will das Recht und nicht eine politisch genehme Entscheidung, und er muß voraussetzen, daß das Gericht in allen seinen Entscheidungsgremien nur dem Rechte dient und allein dem Rechte verpflichtet ist. Gerade weil die Auslegung der Verfassung im vorliegenden Falle so zweifelhaft ist, daß die Vertreter beider Meinungen sich auf die wissenschaftlichen Darlegungen namhafter Staats- und Völkerrechtslehrer berufen können, kann nicht behauptet werden, daß die Entscheidung des Gerichts, von welchem Entscheidungsgremium immer sie getroffen werden und wie sie ausfallen mag, eine politische Willensentscheidung und keine Rechtsentscheidung sei.
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Das Gericht hat von der gegebenen Zuständigkeitsordnung auszugehen und nicht darüber zu befinden, ob es verfassungspolitisch zweckmäßig ist, die Zuständigkeit eines Verfassungsgerichts in einer Weise zu gestalten, daß die Entscheidung über Lebensfragen der Nation im Ergebnis davon abhängen kann, wie das Gericht eine verfassungsrechtliche Frage beurteilt. Jedenfalls ist es unrichtig, zu behaupten, es seien politische Entscheidungen in die Hand des Gerichts gelegt. Wie immer Erster oder Zweiter Senat oder Plenum die Frage beantworten mögen, ob die Vertragsgesetze ohne vorherige Änderung des Grundgesetzes ratifiziert werden dürfen: die politische Verantwortung vor dem Volk und der Geschichte trägt allein die einfache Mehrheit des Bundestages, die die Gesetze, falls verfassungsrechtlich zulässig, verabschiedet, oder die Minderheit, die sich der etwa erforderlichen Verfassungsänderung widersetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat nur die Aufgabe, das rechtliche Vorfeld für politische Entscheidungen zu klären, die allein den gesetzgebenden Körperschaften zukommen. Die Frage, ob die Vertragsgesetze ohne vorgängige Änderung des Grundgesetzes ratifiziert werden dürfen, ist eine Rechtsfrage und damit richterlicher Erkenntnis zugänglich. Wer diese Frage nicht der Beurteilung eines Gerichts unterstellen will, muß nicht nur die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung von Bundesgesetzen, sondern jegliches richterliche Prüfungsrecht abschaffen, wie es z. B. in einem Strafverfahren wegen Verletzung der Wehrpflicht bedeutsam werden würde. Die Alternative zur richterlichen Prüfungszuständigkeit, sei es des Bundesverfassungsgerichts, sei es anderer Gerichte, kann also nur dahingehen, daß alle Gesetze oder Gesetze bestimmten Inhalts, die von der Mehrheit des Bundestages verabschiedet werden, für unbedingt verbindlich erklärt werden, gleichgültig, ob sie mit dem Grundgesetz vereinbar sind oder nicht. Dann würde die einfache Mehrheit des Bundestages selbst und endgültig entscheiden, ob auch Stimmen der Minderheit für die Annahme eines Gesetzes erforderlich sind oder nicht.
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Das Bundesverfassungsgericht hat von der gegebenen Zuständigkeitsordnung auszugehen. Da es sich bei den zur Prüfung stehenden Vertragsgesetzen um sehr schwierige verfassungsrechtliche Fragen handelt und da ihre Beantwortung schwerwiegende Folgen hat, hatte das Gericht es begrüßt, daß das Ersuchen des Bundespräsidenten um ein Gutachten die Verantwortung dem Plenum, als der Gesamtheit aller Richter des Bundesverfassungsgerichts, übertragen hatte. Dadurch war einerseits jede Manipulierung der Zuständigkeit der Senate durch die streitenden politischen Parteien unmöglich gemacht, und andererseits wäre eine etwa künftig notwendig werdende Plenar-Entscheidung nach § 16 Abs. 1 BVerfGG antizipiert worden. Aus diesem Grund hatte auch der Erste Senat durch Beschluß vom 13. Juni 1952 der Bundesregierung und der Opposition den Vorschlag gemacht, das Normenkontrollverfahren auszusetzen und sich dem Gutachten des Plenums zu unterwerfen, also auch eine Bindung des Gutachtens nach außen anzuerkennen. Diesem Vorschlag hatte damals die Bundesregierung zugestimmt; sie hat im Bulletin Nr. 71 vom 18. Juni 1952 S. 755 erklärt:
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"Die Bundesregierung stimmt dem vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagenen Verfahren zu. Sie läßt sich dabei insbesondere von der Überzeugung bewegen, daß einem durch den Herrn Bundespräsidenten zur Behebung von Meinungsverschiedenheiten und Zweifeln über die vorliegende Rechtslage angeforderten Gutachten des Bundesverfassungsgerichts seiner streitschlichtenden und befriedigenden Wirkung der Vorzug vor einem gewöhnlichen streitentscheidenden Verfahren zu geben ist." (Wörtliche Wiedergabe der amtlichen Pressenotiz.)
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Nachdem das Gutachten hinfällig geworden ist, mußte der vorliegende Beschluß gesondert abgesetzt und begründet werden, weil er Verfahrensregeln aufstellt, die über den konkreten Anlaß hinaus grundsätzliche Bedeutung haben.
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