Ebensowenig wie das schweizerische Strafgesetzbuch schliesst das Vormundschaftsrecht, das je nach den Umständen die Versorgung Liederlicher, Arbeitsscheuer und Trunksüchtiger erlaubt, entsprechende polizeiliche Massnahmen der Kantone aus. Der Bundesrat hat dies in seiner Botschaft zum schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 28. Mai 1904 ausdrücklich hervorgehoben. Es heisst dort S. 47: "Und überdies wird auch fernerhin die Bevormundung natürlich nur eine der Massregeln sein, die gegen die von Art. 379 (Art. 370 ZGB) betroffenen Personen ergriffen werden können, indem es nach wie vor dem kantonalen Recht vorbehalten bleibt, mit einer administrativen Versorgung einzuschreiten..." Die bereits erwähnte Botschaft des Bundesrates zum StGB geht ebenfalls davon aus, dass die kantonalen Versorgungsgesetze nicht bundesrechtswidrig sind. Das eidgenössische Vormundschaftsrecht wahrt im Unterschied zu diesen kantonalen Erlassen private Interessen. Art. 370 ZGB sieht zwar, wie übrigens auch Art. 369 ZGB, die Bevormundung nicht nur im Interesse des Bevormundeten und seiner Familie vor, sondern auch zur Sicherheit anderer. Aber diese Massnahmen zu Gunsten Dritter dürfen nicht Vorkehren im öffentlichen Interesse gleichgestellt werden. Prof.
Egger schreibt in seinem Kommentar mit Recht, das ZGB gehe keineswegs so weit, das Vormundschaftsrecht in den Dienst öffentlicher Interessen zu stellen; es wolle nur die Interessen Dritter wahren und ihnen einen präventiven Schutz angedeihen lassen (N. 15 zu Art. 369 ZGB); die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung könne dem öffentlichen Recht überlassen bleiben (N. 56 zu Art. 369 ZGB; vergl. auch N. 51 zu Art. 370 ZGB). Übrigens werden die Interessen Dritter durch das Vormundschaftsrecht nur geschützt, wenn sie sich mit den eigenen Interessen des Bevormundeten decken (Komm.
Egger N. 56 zu Art. 369 ZGB). Diese
stehen im Vordergrund. Hauptzweck der Bevormundung ist, dem Bevormundeten den Schutz und den Beistand eines Vormundes zu sichern (Art. 406 ZGB). In der Expertenkommission hat sich der Referent (Eugen
Huber) wie folgt ausgedrückt: "Wenn man es (die Gefährdung der Sicherheit anderer) annehme, so erfolge dies aus zwei Gesichtspunkten, einerseits weil der Betroffene sich durch seine krankhafte Handlungsweise schwerer Verantwortlichkeit aussetze, sowie andererseits, weil er auch zur Sicherheit seiner eigenen Person der Aufsicht bedürfe. In diesen Fällen dürfe man sich nicht mit polizeilichen Massnahmen begnügen, sondern es müsse die Vorsorge eines Vormundes hinzutreten" (Protokoll der Expertenkommission für das ZGB 1901/1902, S. 421). Da das Vormundschaftsrecht somit zur Wahrung privater Interessen erlassen wurde und in diesem Sinne privates Recht darstellt, schränkt es die Kantone nicht ein, im öffentlichen Interesse die zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere zur Verhütung von Verbrechen, erforderlichen Anordnungen zu treffen. Die verschiedenen Massnahmen des privaten und des öffentlichen Rechtes können in Konkurrenz zueinander treten. Es ist auch möglich, dass die Polizeibehörden im Einzelfall einzugreifen verzichten, wenn die Verfügung der Vormundschaftsbehörden das allgemeine Interesse genügend wahrt. Ob sie von eigenen Vorkehren absehen wollen oder nicht, bestimmen die Polizeiorgane. Der Bundesgesetzgeber hat weder diese Aufgabe den Vormundschaftsbehörden übertragen, noch die Polizeihoheit auf dem Gebiet des öffentlichen Interesses beschränken wollen. Kantonale Gesetze, wie das zürcherische Versorgungsgesetz, die zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhütung von Verbrechen die administrative Einweisung in Anstalten vorsehen, verstossen daher nicht gegen das schweizerische Zivilgesetzbuch. Das Bundesgericht hat sich bereits mehrfach in diesem Sinne ausgesprochen (vergl. die nicht veröffentlichten Urteile des Bundesgerichtes vom 22. No
vember 1943 i.S. Duret und vom 20. Dezember 1935 i. S. Ott). Die Bemerkungen in Kommentar
Egger über das Verhältnis zwischen dem Vormundschafts- und dem kantonalen Versorgungsrecht (Einleitung zum Vormundschaftsrecht N. 28, und N. 53 und 54 zur Art. 370 ZGB) führen keine Gründe an, die ein Abgehen von dieser Rechtsprechung zu rechtfertigen vermöchten.