71. Urteil der I. Zivilabteilung | |
vom 15. Dezember 1953
| |
i.S. Migros-Genossenschaftsbund und Konsorten gegen Seifenfabrik Sunlight A.-G.
| |
Unlauterer Wettbewerb. Wirtschaftspolitische Kritik als Wettbewerbsmittel (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 lit. a UWG). Strafandrohung in Verbindung mit dem Unterlassungsgebot (Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG und Art. 292 StGB). Ermessensweise Bestimmung von Schadenersatz, Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung (Art. 2 Abs. 1 lit. d und Art. 6 UWG). ![]() | |
A. | |
Die dem Unilever-Konzern angeschlossene Klägerin bringt unter der Marke "Lux" eine von ihr fabrizierte Toilettenseife zum Preise von 80 Rappen das Stück auf den schweizerischen Markt. Die ebenfalls dem Unilever- Konzern zugehörende Lever Brothers Company in New York stellt eine mit dem Zeichen "Lux" versehene Toilettenseife für den amerikanischen Markt her. Im Sommer 1950 erwarben die Beklagten in New York eine grössere Menge dieser amerikanischen "Lux"-Seife und schafften sie in die Schweiz, wo sie zum Stückpreise von 50 Rappen abgesetzt wurde. Daraus entstand zwischen den Parteien ein erster Prozess über Markenrechtsverletzung und unlauteren Wettbewerb, der zugunsten der Klägerin ausging. Es kann hiefür auf den bundesgerichtlichen Entscheid vom 12. Februar 1952 verwiesen werden (BGE 78 II 164).
| |
B. | |
Ihre Reklame für die amerikanische "Lux"-Seife begleiteten die Beklagten, ausser mit zahlreichen Zeitungsinseraten, mit einer Reihe von Artikeln, welche von August bis November 1950 im Organ des Migros-Genossenschaftsbundes "Wir Brückenbauer" erschienen. Das Veranlasste die Klägerin, die Beklagten im vorliegenden zweiten Prozess für zahlreiche Äusserungen wegen unlauteren Wettbewerbs zu belangen. ![]() ![]() | |
C. | |
Die Beklagten legten Berufung an das Bundesgericht ein. Sie beantragen Abweisung der Klage, eventuell die teilweise Änderung und Aufhebung des kantonalen Urteilsdispositivs. Die Klägerin schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Erkenntnisses.
| |
Erwägungen | |
Erwägung 1 | |
Die Berufung greift auf jene Einwände zurück. Indessen ist die Rechtslage eindeutig. Sachliche wirtschaftspolitische Kritik ist als solche frei, woher sie auch stammen mag. Wird sie aber in den Wettbewerb einbezogen, so hat sie sich nach Inhalt und Form in die vom UWG gesetzten ![]() ![]() | |
Zur Erhärtung ihres Prozesstandpunktes zogen die Beklagten Vergleiche mit gegen sie gerichteten Artikeln in anderen Zeitungen, wie den Presseorganen des Verbandes Schweizerischer Konsumgenossenschaften, der "Schweiz. Detaillistenzeitung", der "Schweiz. Gewerbezeitung", dem "Schweizer Bauer". Die Berufung rügt die ablehnende Stellungnahme der Vorinstanz als tatsächlich unrichtig und rechtlich irrig. Darauf ist nicht einzutreten. Ob die zitierten Verlautbarungen vom UWG erfasst und nach seinen Bestimmungen erlaubt seien oder nicht, wäre für jede anhand des dargelegten Grundsatzes gesondert zu untersuchen. Hier geht es nicht um sie, sondern um die eingeklagten Äusserungen. Einzig sie sind, wie sie einmal lauten, darauf zu prüfen, ob sie vor dem UWG standhalten. Wird dies verneint, so muss unlauterer Wettbewerb festgestellt werden. Für eine Ergänzung gemäss dem eventuellen Berufungsantrag, der unlautere Wettbewerb sei (nur) durch die "in Verbindung mit der Anpreisung eigener Waren" gemachten Äusserungen verwirklicht, ist kein Raum. Das liefe auf die Übernahme eines Entscheidungsgrundes in den Urteilsspruch hinaus.
| |
Erwägung 2 | |
2. Die sie verletzenden Äusserungen wurden von der Klägerin, nach gesamthafter Beanstandung der verschiedenen Zeitungsartikel, im Feststellungsbegehren einzeln verzeichnet. Entsprechend hat die Vorinstanz dispo ![]() ![]() | |
a) "... der Schweizerbürger solle gezwungen werden, Lux-Seife zu 80 Rappen zu kaufen, obschon diese zu 50 Rappen verkauft werden könnte ... "
| |
Die Berufung bestreitet, dass die vom Handelsgericht herangezogenen BGE 59 II 21 und 58 II 460 auf den gegebenen Fall passen, weil gar nicht Preise der Klägerin mit eigenen Preisen verglichen, sondern die Preise desselben Produktes desselben Konzerns in mehreren Ländern nebeneinander gestellt worden seien. Sie hält ferner daran fest, dass die Differenz zwischen dem Schweizerpreis und den durchwegs niedrigeren Auslandspreisen für "Lux"-Seife auf Ausbeutung der überdurchschnitt- lichen Kaufkraft des schweizerischen Publikums beruhe, nicht auf unterschiedlichen Kostenfaktoren, wofür der Beweis durch Expertise angeboten aber nicht abgenommen worden sei. Eine Überforderung des Konsumenten vermöge nur wahrheitsgetreue Aufklärung zu verhindern, welche ihren Mitgliedern zu erteilen der Konsumentengenossenschaft obliege. Nichts anderes hätten die Beklagten getan.
| |
Die Abweichung des heute zu würdigenden Sachverhaltes von den durch das Bundesgericht früher beurteilten ist der Vorinstanz nicht entgangen. Sie erklärte, die in den genannten Präjudizien niedergelegten Grundsätze sinngemäss anwenden zu wollen, was jedenfalls so, wie es geschah, nicht zu bemängeln ist. Im Tatsächlichen und darum verbindlich nimmt die Vorinstanz an, die ausländische "Lux"-Seife sei mit der von der Klägerin in der Schweiz hergestellten und vertriebenen bezüglich der Gestehungskosten nicht ohne nähere Untersuchung sämtlicher der Kalkulation zugrundeliegenden Faktoren vergleichbar. Dann war die blosse Gegenüberstellung der zum Wechselkurse umgerechneten Preise für amerikanische und englische "Lux "-Seife mit dem Preis für das schweizerische Erzeugnis selbstverständlich kein lauteres Wettbe ![]() ![]() | |
b) "... es müsse entschieden werden, für wen Gesetze in der Schweiz da seien: für den Schutz des Bürgers gegen Überforderung oder für den Schutz der profitgierigen Geldmächte ..."
| |
Die Berufung trägt vor, diese Äusserung entstamme dem Artikel im "Brückenbauer" vom 24. November 1950, der längst nach dem völligen Ausverkauf der "Lux"-Seife erschienen sei und rein wirtschafts- und justizkritischen Inhalt gehabt habe. Dabei scheinen die Beklagten zu vergessen, dass sie nicht Volkswirtschafter sind, die ohne unmittelbares Geldinteresse eine Anschauung verfechten, sondern Händler, die, was die Seife betrifft, in schärfster Konkurrenz mit der Klägerin stehen. Es wurde bereits ![]() ![]() | |
c) "... die Klägerin und ihre Organe wenden freien Schweizer Konkurrenten Methoden der Gewalt an, die Aufsehen erregen und Beunruhigung hervorriefen ..." " ... die Klägerin versuche, durch Trustmethoden das freie Kaufsrecht zu unterdrücken ..." "... über die Stellungnahme des schweizerischen Publikums gegen solche Gewalt- und Verbotsmethoden könne kein Zweifel herrschen ..." | |
Die Berufung wendet sich gegen die vorinstanzliche Annahme, dass mit den "Gewaltmethoden" die Anrufung des Richters und mit den "Trustmethoden" die "Lux"-Seifen-Angelegenheit gemeint seien; aufmerksame Lektüre der betreffenden Artikel im "Brückenbauer" vom 1. und 8. September 1950 ergebe, dass mit jenen Ausdrücken sonstige Vorgänge bezeichnet würden. Aber anders, als sie die Vorinstanz auffasste, können die Auslassungen der Beklagten gar nicht verstanden werden. Um das klar zu stellen genügt es, auf den im Artikel vom 1. September 1950 abgedruckten Brief der Migros an die Lever Brothers and Unilever Ltd. in London zu verweisen. Die Bestätigung ![]() ![]() | |
d) "... die Voranstellung von Trustinteressen gegenüber dem Allgemeininteresse sei die kräftigste Nahrung für jene Ideologien und Armeen, die bisher ein Stück der Welt um das andere überfluten ..." "... entweder wird die freiheitliche westliche Welt mit der Trustseuche fertig -- oder die Kommunisten mit der trustverseuchten freien Welt ..." "... die Methoden der Trustkommunisten seien von denen der Rotkommunisten nicht sehr verschieden ..." "... Kampf der 5. Kolonne der auslandhörigen Kommunisten -- Kampf aber auch der 5. Kolonne der auslandhörigen Trusts ..." "... der Kampf, den wir gegen die Trusts und gegen die Trustmethoden führen, ist der Kampf gegen die Wurzeln des Übels, aus denen Kommunismus erblüht ist. Es ist der Kampf gegen die Waffenlieferanten der Kommunisten, den wir bis zum Ende führen werden ..." | |
Die Berufung findet unglaublich, dass derartige wirtschaftspolitische Programmerklärungen oder allgemeine Betrachtungen zu Randen der Behörden und Gerichte unzulässig sein sollen. Dazu ist das oben unten lit. a und b Gesagte zu wiederholen. Die Beklagten traten nicht als uninteressierte Wirtschaftsfachleute auf, sondern es ging ihnen um die Anpreisung ihrer Seife. Unter solchen Verhältnissen einem Konkurrenten vorzuwerfen, er leiste durch eigennütziges Gebaren den die westliche Welt bedrohenden Ideologien und Armeen Vorschub, hat mit einer auf den Prinzipien des Leistungswettbewerbes fussenden Reklame nichts zu tun, sondern offenbart die Absicht, durch Verächtlichmachung des Konkurrenten ans Ziel zu gelangen.
| |
e) "... die Bezeichnung der Klägerin als , Trust-Tyrann ' ..."
| |
Darin erblickt die Berufung ein erlaubtes wirtschaftspolitisches Werturteil. Ob als solches der Ausspruch zutreffe, wie behauptet wird, interessiert nicht. Zu beurteilen ist ![]() ![]() | |
f) "... überall erkenne man die Schädlinge ..."
| |
Laut Berufung wären mit dieser Bemerkung die Antitrust-Bestrebungen in ausländischen Staaten gemeint. Es ist jedoch unmöglich, in den Texten des Artikels vom 22. September 1950 Spalte 4 und des Artikels vom 24. November 1950 Seite 1 Spalte 4 und Seite 2 Spalte 1 under den "Schädlingen" nach dem ganzen Zusammenhang die Klägerin nicht mitverstanden zu sehen. Dass der Ausdruck gegenüber einem Wettbewerber unerlaubt ist, lässt die Berufung unbestritten.
| |
g) "... die Schweizergeschichte sei geeignet, darüber aufzuklären, wie der Schweizer gegen jede Bevogtung, insbesondere vom Ausland her, reagiere ..." "... der Schweizer frisst nämlich seinem Unterdrücker nicht aus der Hand ..." "... der Staat werde den Kampf gegen diese Schädlinge letzten Endes aufnehmen müssen ..." "... dass die Vögte ausländischer Herrschaften es sogar wagten, die Presse unter Druck zu setzen und ein Verbot gegen uns zu beantragen, zeigt diese Arroganz in schönster Blüte ..." | |
Die Berufung macht geltend: die erste Äusserung schliesse unmittelbar an die Erwähnung der Methoden an, mit denen der Unilever-Trust in der Schweiz eine eigentliche MonopolsteIlung erlangt habe; in der zweiten werde mit dem Worte "Unterdrücker" wiederum nur auf die allgemeine wirtschaftspolitische Kritik am Unilever-Konzern angespielt; die dritte umschreibe das Postulat der Antitrust-Gesetzgebung; die vierte sei als wahr belegt durch eine Nummer des "Tagesanzeiger" vom 30. August 1950. Die Ausdrücke "Bevogtung", "Unterdrücker", "Vögte ausländischer Herrschaften" haben im Zusammenhang der Artikel und Hinweise im "Brückenbauer" vom 1., 8. und 22. September und 13. Oktober 1950, denen die angeführten Sätze entnommen sind, ihre unmissverständ ![]() ![]() | |
h) "... der Trust besitze bereits eine ,unrühmliche Berühmtheit ..."
| |
Entgegen der Berufung ist diese Äusserung, im Wettbewerb, wiederum kein erlaubtes wirtschaftspolitisches Werturteil, sondern eine gehässige Verletzung des Konkurrenten.
| |
i) "... das einstweilige Verbot, Lux-Seife zu verkaufen, sei u.a. auf Grund einer bewussten Unwahrheit erwirkt worden, verbunden mit dem ehrverletzenden Vorwurf, die USA-Lux-Seife, welche die Beklagten verkauft hätten, sei eine Fälschung ..."
| |
Die Äusserung bezieht sich auf die Haltung der Klägerin im Verfahren vor dem Audienzrichter, wo sie bis zum Herkunftsnachweis bestritt, dass es sich bei der von den Beklagten vertriebenen "Lux"-Seife um amerikanische ![]() ![]() | |
k) "... die Klägerin sei eine ausländische Trustfirma ..."
| |
Die Berufung beharrt darauf, dass den Beklagten nicht verwehrt werden könne, " einen Trust Trust zu nennen". Indessen hat die Vorinstanz nicht die Verwendung des Wortes in seiner sachlichen Bedeutung verpönt, sondern den Klageanspruch deswegen geschützt, weil die Beklagten, und ebenso die regelmässigen Leser ihrer Organe, unter dem Begriff des Trusts ein schlechtweg bösartiges, schädliches Gebilde verstehen. Durchgeht man die Artikelreihe, so drängt sich dieser Eindruck auf. Einen Konkurrenten in der den Beklagten eigenen Weise als einem ausländi- schen Trust zugehörig zu brandmarken, hat mit Leistungswettbewerbe nichts gemein und liegt sicher unter jenem Anstand, den das UWG beachtet wissen will.
| |
Erwägung 3 | |
Dem widersetzt sich die Berufung als einer "Knebelung des freien Wortes"; die Beklagten seien berechtigt gewesen, zum Verbot Stellung zu nehmen und ein Werturteil abzugeben. Mag auch die Klägerin in diesem Punkte etwas überempfindlich erscheinen, so darf ihr doch der Feststellungsanspruch nicht versagt werden. Die Bezeich ![]() ![]() | |
Erwägung 4 | |
Richtig ist, dass Art. 292 StGB subsidiären Charakter hat (vgl. BGE 73 IV 129, 69 IV 210). Dies bedeutet aber nur, dass eine amtliche Anordnung, deren Nichtbefolgung bereits durch das einschlägige Recht -- hier das kantonale Prozessrecht -- mit Ungehorsamsstrafe bedroht ist, nicht gestützt auf Art. 292 StGB nochmals mit Strafe bedroht werden darf. Die Beklagten behaupten nicht, dass das zürcherische Prozessrecht gemäss der in Art. 335 Abs. 2 StGB eingeräumten Befugnis den richterlichen Befehl und namentlich das Unterlassungsurteil gegen Nichtbefolgung mit einer besonderen kantonalen Straf- norm schütze, wie es beispielsweise das bernische Recht tut (vgl. Art. 403 und 404 der ZPO in der Fassung von Art. 65 des EG zum StGB). Vielmehr wenden sie ein, dass die spezielle Strafsanktion von Art. 13 UWG Platz greife. Allein der Tatbestand dieser Bestimmung ist die Verletzung des Wettbewerbsrechts, während derjenige des Art. 292 StGB in der Missachtung des richterlichen Befehls liegt. Beide Verfehlungen werden zwar durch dasselbe Verhalten begangen. Sie verstossen jedoch gegen verschiedene Bestimmungen. Es liegt Idealkonkurrenz vor.
| |
Nun wird allerdings die Auffassung vertreten, eine durch das Strafgesetz bedrohte Handlung oder Unterlassung könne nicht ausserdem noch zum Gegenstand einer ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Erwägung 5 | |
Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ist eine Schädigung ohne weiteres zu vermuten. Ihm jedenfalls entspricht der Gedanke nicht, dass die Klägerin Nutzen aus den groben Angriffen gezogen haben könnte, sondern von den letzteren ausgegangen drängt sich die gegenteilige Überzeugung zwingend auf. Alsdann bedarf es des Vor ![]() ![]() | |
Erwägung 6 | |
Dispositiv | |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |