11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Migration gegen X. und Amt für Migration Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_643/2008 vom 29. Januar 2009 | |
Regeste | |
Art. 5 Ziff. 1 lit. b und f EMRK, Art. 78 und 79 AuG; Verhältnismässigkeit einer ausländerrechtlichen Festhaltung über zwanzig Monate hinaus. Je länger eine ausländerrechtlich motivierte Festhaltung dauert und je weniger die Ausschaffung absehbar erscheint, desto kritischer ist die jeweilige Haftverlängerung zu hinterfragen (E. 2.1 und 2.2). Bei den in Art. 79 AuG genannten 24 Monaten handelt es sich um eine Maximalfrist, die nur im Rahmen des konventions- und verfassungsmässig Zulässigen ausgeschöpft werden darf; Beurteilung einer ausländerrechtlichen Festhaltung, die bereits zwanzig Monate gedauert hat (E. 2.3).
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Sachverhalt | |
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Zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs befand sich X. ab dem 8. November 2006 in Ausschaffungshaft. Diese Festhaltung wurde zweimal um je drei Monate verlängert. Ab dem 7. August 2007 versetzte das Amt für Migration Basel-Landschaft X. in Durchsetzungshaft. Am 2. Juli 2008 lehnte der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Kantonsgericht Basel-Landschaft eine weitere Verlängerung der Haft ab und liess X. frei.
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Das Bundesamt für Migration ist am 9. September 2008 mit dem Antrag an das Bundesgericht gelangt, diesen Entscheid aufzuheben. Das Bundesgericht weist seine Beschwerde ab.
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Erwägung 2 | |
2.1 Sowohl das Bundesamt für Migration als auch das Amt für Migration Basel-Landschaft und der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen gehen davon aus, dass der Beschwerdegegner an sich die Voraussetzungen für eine weitere Verlängerung der Durchsetzungshaft erfüllt (vgl. Art. 78 Abs. 1 und 2 AuG [SR 142.20]): Er ist rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden, weigert sich jedoch nach wie vor, das Land zu verlassen, und kann zurzeit nur in seine Heimat verbracht werden, falls er bereit ist, freiwillig dorthin zurückzukehren, da (im Moment) keine Sonderflüge nach Marokko durchgeführt werden können. Umstritten ist, ob der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen davon ausgehen durfte, dass eine weitere Verlängerung der Festhaltung mit Blick auf die Umstände unverhältnismässig gewesen wäre. Die Frage ist entgegen den Ausführungen des Bundesamts zu bejahen, auch wenn in der Regel die Weigerung zu kooperieren für sich allein die Durchsetzungshaft bzw. ![]() ![]() | |
Erwägung 2.2 | |
2.2.2 Bei dieser Beurteilung ist dem Verhalten des Betroffenen, den die Papierbeschaffung allenfalls erschwerenden objektiven Umständen (ehemalige Bürgerkriegsregion usw.) sowie dem Umfang der von den Behörden bereits getroffenen Abklärungen Rechnung zu tragen und zu berücksichtigen, wieweit der Ausländer es tatsächlich in der Hand hat, die Festhaltung zu beenden, indem er seiner Mitwirkungs- bzw. Ausreisepflicht nachkommt (BGE 134 I 92 E. 2.3.2 S. 97). Von Bedeutung können zudem seine familiären Verhältnisse sein sowie der Umstand, dass er allenfalls wegen seines Alters, Geschlechts oder Gesundheitszustands als "besonders schutzbedürftig" gelten muss (vgl. BGE 134 II 201 E. 2.2.3 S. 205). Das mutmassliche künftige Verhalten des Betroffenen ist jeweils aufgrun ![]() ![]() | |
Erwägung 2.3 | |
2.3.2 Der vorliegende Fall kann nicht mit dem in BGE 134 II 201 ff. beurteilten Sachverhalt verglichen werden: Dort befand sich der Betroffene "erst" seit dreizehn Monaten ausländerrechtlich in Haft; zudem hatte er keinerlei Beziehungen zur Schweiz und war er hier ![]() ![]() | |
2.3.3 Zwar mag es stossend erscheinen, dass der Beschwerdegegner letztlich wegen seines renitenten Verhaltens vor Ablauf der in Art. 79 AuG vorgesehenen Festhaltungsdauer wieder auf freien Fuss gesetzt werden muss; bei den dort genannten 24 Monaten handelt es sich jedoch um eine Maximalfrist, die nur im Rahmen des konventions- und verfassungsmässig Zulässigen ausgeschöpft werden darf. Dies setzt unter anderem voraus, dass die Festhaltung im konkreten Fall mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit nach wie vor geeignet erscheint, ihren Zweck zu erfüllen, und nicht gegen das Übermassverbot verstösst. Dessen war sich der Gesetzgeber bewusst, wurde doch in den Beratungen - auch von den Befürwortern der Verschärfung der Zwangsmassnahmen - zugestanden, "dass nicht in jedem Fall eine Haft über die ganze Dauer ausgesprochen werden kann und wird". Wer "sich weigert, ein Formular auszufüllen", könne nicht monatelang in Haft genommen werden; das sei "klar". Die Haftdauer müsse nach der "Schwere der Mitwirkungsverweigerung" bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit durch den Richter berücksichtigt werden (vgl. AB 2005 N 1209 f. [Votum Kommissionssprecher Müller]). Ergänzend kann darauf hingewiesen ![]() ![]() ![]() |