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Zitiert selbst:
BGE 129 II 286 - IP-Suisse
BGE 126 II 300 - Liestaler Banntag
BGE 121 I 87 - VPM
BVerfGE 53, 30 - Mülheim-Kärlich
BVerfGE 49, 89 - Kalkar I


Regeste
Sachverhalt
A.
A.a Die BKW Energie AG (nachfolgend: BKW) betreibt das Kernkraftw ...
A.b Diese Aktennotiz veranlasste A. und B. im Zeitraum von Septem ...
B.
B.a Am 20. März 2012 beantragten A. und B. dem ENSI den Erla ...
B.b A. und B. erhoben mit Eingabe vom 5. November 2012 Beschwerde ...
C.
Erwägungen:
Erwägung 1
Erwägung 2
2. Streitig ist, ob die Voraussetzungen nach Art. 25a VwVG fü ...
Erwägung 3
Erwägung 4
Erwägung 5
5. Nach dem Gesagten schliesst die kernenergierechtliche Ordnung  ...
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher
 
29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
vom 11. April 2014 i.S. Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat gegen A. und B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
Regeste
 
Art. 8 EMRK; Art. 10 BV; Art. 25a VwVG; Art. 64 Abs. 3 KEG; Verfügung über aufsichtsrechtliche Realakte des ENSI (Störfallvorsorge KKW Mühleberg).
 
Eintreten (E. 1) und Ausgangslage (E. 2).
 
Das Kernenergierecht schliesst die Anwendbarkeit von Art. 25a VwVG gegenüber der Aufsichtstätigkeit des ENSI im Bereich der Störfallvorsorge nicht aus (E. 3).
 
Schutzwürdiges Interesse und Berührtsein in der Rechtsstellung als Voraussetzungen für eine Verfügung über Realakte (E. 4): bejaht bei Anwohnern eines Kernkraftwerkes mit Bezug auf die (auch) ihrem Schutz dienenden kernenergierechtlichen Normen zur Störfallvorsorge (E. 4.6, 4.7 und 5). Beitrag von Art. 25a VwVG zu einem wirksamen Grundrechtsschutz (E. 4.8 und 4.9).
 
 
BGE 140 II 315 (316)Sachverhalt
 
 
A.
 
A.a Die BKW Energie AG (nachfolgend: BKW) betreibt das Kernkraftwerk (KKW) Mühleberg. Mit Verfügung vom 18. März 2011 forderte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) alle schweizerischen Kernkraftwerke auf, unverzüglich mit der Überprüfung ihrer Auslegung bezüglich Erdbeben und Überflutung zu beginnen. Mit Verfügung vom 1. April 2011 legte das ENSI die entsprechenden Vorgehensvorgaben und Randbedingungen fest; unter anderem habe die BKW den deterministischen Nachweis für die Beherrschung des 10'000-jährlichen Hochwassers zu führen. Als Randbedingung hierzu forderte es namentlich, wenn eine Verstopfung oder Schädigung der Flusswasser-Einlaufbauwerke nicht ausgeschlossen werden könne, sei der Ausfall der vom Hochwasser betroffenen Kühlwasserfassungen zu unterstellen. Die BKW reichte dem ENSI am 30. Juni 2011 den geforderten Nachweis ein. Das ENSI ging in seiner dazu ergangenen und als Aktennotiz bezeichneten Stellungnahme vom 31. August 2011 unter anderem davon aus, der Einsatz von mobilen Pumpen ermögliche die Kühlwasserversorgung des SUSAN-Notstandsystems auch bei einer allfälligen Verstopfung des SUSAN-Rechens.
A.b Diese Aktennotiz veranlasste A. und B. im Zeitraum von September 2011 bis Februar 2012 zu einem Briefwechsel mit demBGE 140 II 315 (316) BGE 140 II 315 (317)ENSI-Rat und dem ENSI. Inhaltlich ging es darum, inwiefern das ENSI in dieser Einschätzung grundlegende Prinzipien der nuklearen Sicherheit missachte. Das ENSI und der ENSI-Rat vertraten im Wesentlichen die Ansicht, für bestehende Kernkraftwerke lasse das schweizerische Regelwerk die Kreditierung von auf dem Areal gelagerten mobilen Pumpen für die Störfallbeherrschung zu. Für den längerfristigen Betrieb werde aber eine zusätzliche Nachrüstung zur Verbesserung der Kühlwasserversorgung verlangt und ein längerfristiger Nachrüstbedarf sei kein Grund für eine sofortige Ausserbetriebnahme.
 
B.
 
B.a Am 20. März 2012 beantragten A. und B. dem ENSI den Erlass einer Verfügung über Realakte im Sinne von Art. 25a VwVG (SR 172.021). Das ENSI trat mit Verfügung vom 5. Oktober 2012 auf das Begehren von A. und B. nicht ein, im Wesentlichen mit der Begründung, die Gesuchsteller hätten nicht plausibel dargelegt, inwiefern sie in eigenen Rechtspositionen berührt werden und dass dieses Berührtsein von einer gewissen Intensität sei.
B.b A. und B. erhoben mit Eingabe vom 5. November 2012 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gegen diese Verfügung. Sie beantragten deren Aufhebung und die Rückweisung zur materiellen Behandlung.
Mit Urteil vom 7. Februar 2013 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut und wies die Sache mit der Aufforderung zur materiellen Beurteilung des Gesuchs an das ENSI zurück.
 
C.
 
Vor Bundesgericht beantragt das ENSI, das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2013 aufzuheben. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 1
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts ist grundsätzlich zulässig (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Nach Art. 83 lit. n BGG ist die Beschwerde auf dem Gebiet der Kernenergie unzulässig (u.a.) gegen Entscheide betreffend das Erfordernis einer Freigabe und betreffendBGE 140 II 315 (317) BGE 140 II 315 (318)Freigaben. Vorliegend geht es aber weder um Freigaben (Art. 17 Abs. 1 lit. f, Art. 21 Abs. 1 lit. f, Art. 28, Art. 36 Abs. 1 lit. b, Art. 37 Abs. 3, Art. 65 Abs. 3 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 [KEG; SR 732.1]) noch um einen Entscheid der Aufsichtsbehörde gemäss Art. 65 Abs. 5 lit. c KEG, ob eine Freigabe erforderlich sei. Die Ausnahmebestimmung kommt nicht zum Zuge (vgl. Urteile 2C_860/2012 vom 14. Mai 2013 E. 1.1; 2C_347/2012 / 2C_357/2012 vom 28. März 2013 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 139 II 185).
1.3
1.3.2 Im Urteil 2C_860/2012 vom 14. Mai 2013 ging es um einen Fall, in welchem das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) auf ein Begehren von Privaten um Entzug der Betriebsbewilligung für das KKW Mühleberg nicht eingetreten war, worauf das Bundesverwaltungsgericht auf Beschwerde hin die Sache zur materiellen Beurteilung an das UVEK zurückwies. Das Bundesgericht trat auf eine dagegen vomBGE 140 II 315 (318) BGE 140 II 315 (319)UVEK erhobene Beschwerde mangels eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils nicht ein; wesentlich dafür war, dass in der grundsätzlichen Konzeption kein Dissens bestand zwischen UVEK und Bundesverwaltungsgericht, indem beide davon ausgingen, dass das UVEK zuständig ist für den Entzug der Betriebsbewilligung und dieser Entzug zu erfolgen hat, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nicht oder nicht mehr erfüllt sind. Das UVEK stellte auch die Legitimation der damaligen Gesuchsteller nicht infrage. Unterschiedliche Auffassungen bestanden darüber, ob die von den damaligen Gegenparteien geltend gemachten Mängel gewichtig genug waren, um eine nähere Prüfung des Bewilligungsentzugs zu rechtfertigen; dies war aufgrund des Rückweisungsentscheids ohne materiellrechtliche Vorgabe zu prüfen. Vorliegend verhält es sich anders: Das ENSI bestreitet, dass die Beschwerdegegner unter den hier vorliegenden Umständen berechtigt seien, gestützt auf Art. 25a VwVG eine Verfügung betreffend aufsichtsrechtliche Realakte zu verlangen. Der angefochtene Entscheid verpflichtet das ENSI, entgegen seiner Rechtsauffassung eine solche Verfügung zu erlassen. Könnte das ENSI diesen Rückweisungsentscheid nicht anfechten, könnte es die von ihm bestrittene vorinstanzliche Rechtsauffassung nie überprüfen lassen; es erleidet damit einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Auf die Beschwerde ist einzutreten (vgl. Urteile 1C_455/2011 vom 12. März 2012 E. 1.1; 2C_239/2011 vom 21. Februar 2012 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 138 II 111).
 
2.1 Gemäss Art. 25a Abs. 1 VwVG kann, wer ein schutzwürdiges Interesse hat, von der Behörde, die für Handlungen zuständig ist, welche sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und Rechte oder Pflichten berühren, verlangen, dass sie widerrechtliche Handlungen unterlässt, einstellt oder widerruft (lit. a), die Folgen widerrechtlicher Handlungen beseitigt (lit. b) oder die Widerrechtlichkeit von Handlungen feststellt (lit. c). Dieser Artikel räumt der betroffenen Person das Recht auf ein eigenständiges, nachgeschaltetes Verwaltungsverfahren ein, das in eine Verfügung über den beanstandeten Realakt mündet (Art. 25a Abs. 2 VwVG; BGE 136 V 156 E. 4.2 S. 160). Das Gesuch muss sich gegen das widerrechtliche Handeln einer zuständigen Bundesbehörde richten. Nach der herrschenden Lehre kann mit dem Rechtsschutz gemäss Art. 25a VwVG über den Wortlaut des Gesetzes hinaus nicht nur ein behördlichesBGE 140 II 315 (319) BGE 140 II 315 (320)Handeln, sondern auch ein Unterlassen beanstandet, mithin ein behördliches Handeln verlangt werden (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, Rz. 737b; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 365; MOOR/POLTIER, Droit administratif, Bd. II, 3. Aufl. 2011, S. 43; THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2011, Rz. 696; ISABELLE HÄNER, in: VwVG, Praxiskommentar [...], 2009, N. 11 zu Art. 25a VwVG; BEATRICE WEBER-DÜRLER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, N. 11 zu Art. 25a VwVG; MARKUS MÜLLER, Rechtsschutz gegen Verwaltungsrealakte, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, 2007, S. 313 ff., 355; ENRICO RIVA, Neue bundesrechtliche Regelung des Rechtsschutzes gegen Realakte, SJZ 2007 S. 337 ff., 342 f.; MARKUS H.F. MOHLER, Zur Anfechtbarkeit polizeilicher intervenierender Realakte [...], AJP 2007 S. 461 ff., 470 f.). Staatliches Unterlassen kann allerdings nur dann widerrechtlich sein, wenn eine spezifische Handlungspflicht der Behörden besteht (MARIANNE TSCHOPP-CHRISTEN, Rechtsschutz gegenüber Realakten des Bundes [Artikel 25a VwVG], 2009, S. 143 f.).
2.3 Umstritten ist einerseits, ob Art. 64 Abs. 3 KEG den Anspruch nach Art. 25a VwVG ausschliesst (unten E. 3). Andererseits sind dieBGE 140 II 315 (320) BGE 140 II 315 (321)Eintretensvoraussetzungen des schutzwürdigen Interesses und des Berührtseins in Rechten oder Pflichten umstritten (unten E. 4 und 5).
2.3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, das schutzwürdige Interesse im Sinne von Art. 25a VwVG sei gleich zu verstehen wie bei der Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 48 Abs. 1 lit. c VwVG und Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG. Nach der Praxis des (früher für KKW-Bewilligungen zuständigen) Bundesrates hätten in Bewilligungsverfahren für Kernkraftwerke zumindest die Anwohner in der Notfallplanungszone 1 Parteistellung, was zumindest für einen der (heutigen) Beschwerdegegner zutreffe. Er sei mehr als die Allgemeinheit dem Risiko des KKW Mühleberg ausgesetzt. Er habe ein aktuelles und praktisches Interesse an einer rechtmässigen Anwendung der einschlägigen Rechtsnormen, damit das Risiko eines KKW-Unglücks vermindert werde, und folglich ein schutzwürdiges Interesse an einer Verfügung über Realakte. Sodann prüfte die Vorinstanz die Voraussetzung des Berührtseins in Rechten oder Pflichten. Dieses Tatbestandselement sei jedenfalls dann erfüllt, wenn grundrechtlich geschützte Positionen berührt seien. Aus dem Recht auf Leben (Art. 10 BV) ergebe sich eine Schutzpflicht des Staates, sofern das Leben von Menschen bedroht sei, wozu namentlich auch der Schutz vor Risiken der Zivilisation z.B. durch technische Grossanlagen gehöre. Die Ausnutzung der Kernkraft löse staatliche Schutzpflichten aus. Aufgrund des Gefährdungspotenzials von Kernkraftwerken sei jedenfalls der Schutzbereich von Art. 10 BV betroffen. Die Kernenergiegesetzgebung bezwecke den Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der Kernenergienutzung. Nach Auffassung der (heutigen) Beschwerdegegner entstehe durch die rechtswidrige Umsetzung der Gefährdungsannahmenverordnung ein erhöhtes Risiko. Weil diese Regelungen auch dem Schutz von Mensch und Umwelt dienten, sei in einem Fall, in dem konkrete Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko durch eine möglicherweise rechtswidrige Handhabung einer Rechtsgrundlage bestünden, die Schwelle vom Bagatellbereich zum rechtsschutzwürdigen Bereich überschritten und die Intensität des Berührtseins infolgedessen hinreichend.
2.3.2 Das ENSI bestreitet zunächst, dass ein schutzwürdiges Interesse vorliege. Die Praxis bei KKW-Bewilligungsverfahren könne nicht undifferenziert im Rahmen von Art. 25a VwVG Anwendung finden. Nur Gefahren von einer gewissen Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vermöchten eine Legitimation zu begründen, nicht rein theoretische und weit entfernt mögliche Gefahren. DieBGE 140 II 315 (321) BGE 140 II 315 (322)Schutzwürdigkeit des Interesses sei nicht nach Massgabe des von der Anlage gesamthaft ausgehenden Risikos zu bemessen, sondern nach Massgabe der Risikorelevanz der konkret infrage stehenden Aufsichtshandlung. Einzelne Aufsichtshandlungen des ENSI hätten nicht die gleiche Risikorelevanz wie die Bewilligung für ein Kernkraftwerk. Insbesondere sei nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdegegner durch die Kreditierung interner Notfallschutzmassnahmen in einem hinreichenden Ausmass in ihren schutzwürdigen Interessen berührt sein sollten; denn die Wahrscheinlichkeit, dass zur Aufrechterhaltung der Kühlwasserversorgung auf diese Einrichtungen zurückgegriffen werden müsse, sei sehr gering und könne nahezu ausgeschlossen werden. Es sei deshalb keine für eine Begründung der Legitimation hinreichende Risikoerhöhung erkennbar. Sodann habe die Vorinstanz ohne nähere Prüfung der Risikorelevanz das Berührtsein in Rechten oder Pflichten bejaht. Die blosse Behauptung, massgebende Rechtsvorschriften seien nicht richtig angewendet worden, könne nicht ausreichen, um einen Realakt überprüfen zu lassen.
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
4.2 Das "schutzwürdige Interesse" im Sinne von Art. 25a VwVG ist grundsätzlich gleich zu verstehen wie beim Parteibegriff (Art. 6 VwVG) und der Beschwerdebefugnis nach Art. 48 Abs. 1 VwVG bzw. Art. 89 Abs. 1 BGG (vgl. Urteil 1C_455/2011 vom 12. März 2012 E. 4.4). Es muss demnach eine besondere Nähe der gesuchstellenden Person zum Realakt vorliegen (PIERRE TSCHANNEN,BGE 140 II 315 (324) BGE 140 II 315 (325)Amtliche Warnungen und Empfehlungen, ZSR 1999 II S. 353 ff., 445), wobei das schutzwürdige Interesse rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein kann, soweit die gesuchstellende Person an der Rechtsklärung mittels Verfügung über den Realakt einen praktischen Nutzen hat (vgl. sinngemäss BGE 139 II 279 E. 2.2 S. 282; BGE 135 II 172 E. 2.1 S. 174 f.).
Ist die gesuchstellende Person -- wie vorliegend -- durch den Realakt in ihren Rechten oder ihren Pflichten berührt, gründet das schutzwürdige Interesse im Berührtsein in der Rechtsstellung. Die beiden Kriterien des "schutzwürdigen Interesses" und des "Berührtseins in Rechten oder Pflichten" fallen dann weitgehend ineinander (MÜLLER, a.a.O., S. 355). Es verhält sich nicht anders als beim materiellen Verfügungsadressaten, der ohne Weiteres beschwerdebefugt ist (Art. 48 VwVG).
4.4 Mit der gesetzlichen Umschreibung des Rechtsschutzinteresses soll angemessener Rechtsschutz im Bereich der Realakte sichergestellt werden, ohne Bagatellfälle dem Rechtsschutz zuzuführen und damit den abschüssigen Weg hin zur "Popularnörgelei" (FRITZ GYGI,BGE 140 II 315 (325) BGE 140 II 315 (326)Ein gesetzgeberischer Versuch zur Lösung des Problems des Klagerechtes im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsprozess, Archiv des öffentlichen Rechts [AöR] 1963 S. 411 ff., 413) zu beschreiten.
Es zeigte sich seit Längerem, dass auch Realhandeln des Staates in schützenswerte Rechtspositionen eingreifen kann. Der an den Verfügungsbegriff geknüpfte Verwaltungsrechtsschutz konnte gegen solche Rechtsbeeinträchtigungen keine Abhilfe verschaffen. Um diese Rechtsschutzlücke zu füllen, anerkannte das Bundesgericht schon vor Erlass von Art. 25a VwVG gestützt auf Art. 13 EMRK einen Anspruch auf einen irgendwie gearteten Rechtsschutz gegen solche Eingriffe. Entsprechend der menschenrechtlichen Abstützung ging es dabei um Eingriffe in Grundrechtspositionen (Eingriffe in die Religionsfreiheit durch staatliche Publikationen [BGE 121 I 87 E. 1b S. 91]; Eingriffe in die Eigentumsgarantie durch Aufhebung einer genügenden Hauszufahrt [BGE 126 I 213 ]; Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch polizeiliches Realhandeln [BGE 130 I 369 E. 6 S. 376 ff.; BGE 128 I 167 E. 4.5 S. 173 ff.] oder durch Hausordnungen in einem Asylbewerberheim [BGE 133 I 49 E. 3 S. 55 ff.; BGE 128 II 156 E. 2c S. 161 f.]).
Die Rechtsschutzlücke bei Realakten wurde in den 1990er-Jahren zunehmend auch in der Lehre thematisiert (statt vieler TSCHANNEN, a.a.O., passim) und führte zum Erlass von Art. 25a VwVG (vgl. Votum SR Rolf Schweiger für die Kommission, AB 2003 S 872). Die Bestimmung ist überdies mit Bezug auf die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) zu sehen, deren Verwirklichung sie im Bereich der Realakte sicherstellen soll. Die Rechtsweggarantie gewährt einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung bei "Rechtsstreitigkeiten"; eine solche liegt vor bei Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition stehen (BGE 139 II 185 E. 12.4 S. 218; BGE 137 II 409 E. 4.2 S. 411; BGE 136 I 323 E. 4.3 S. 328 f.; KLEY, a.a.O., N. 12 zu Art. 29a BV).
4.5 Entgegen einem Teil der Lehre fügt sich Art. 25a VwVG und namentlich das Kriterium des "Berührtseins in Rechten oder Pflichten" in die Ordnung des VwVG ein (a.M. insb. WEBER-DÜRLER, a.a.O., N. 19 zu Art. 25a VwVG; daran anschliessend DANIELA THURNHERR, Verfahrensgrundrechte und Verwaltungshandeln, 2013, Rz. 759; TSCHOPP-CHRISTEN, a.a.O., S. 118 ff.). Die gesetzliche Umschreibung des Rechtsschutzinteresses darf nicht einzig an der Parteistellung (Art. 6 VwVG) und dem (Dritt-)Beschwerderecht (Art. 48 VwVG)BGE 140 II 315 (326) BGE 140 II 315 (327)gemessen werden, die ein schutzwürdiges faktisches Interesse ausreichen lassen (oben E. 4.2; BGE 108 Ib 92 E. 3b/bb S. 93 ff.; BGE 97 I 591 E. 2 S. 592 f.). Dabei fiele ausser Betracht, dass das Verwaltungsverfahren nach überkommener Konzeption auf die Verfügung nach Art. 5 VwVG ausgerichtet ist (Art. 1 VwVG): Liegt keine Verfügung vor, so besteht kein Verwaltungsrechtsschutz, weder für diejenigen, deren Rechte und Pflichten berührt sind, noch für Dritte.
Anerkennt der Gesetzgeber, dass das Rechtsschutzbedürfnis über die Verfügung hinausreicht, bedeutet dies nicht ohne Weiteres, dass einzig am "schutzwürdigen Interesse" anzuknüpfen ist. Eine solche Konzeption wäre zwar denkbar und käme möglicherweise den Eigenheiten des modernen Verwaltungsrechts entgegen (vgl. dazu bereits Botschaft vom 24. September 1965 über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde, BBl 1965 II 1265, 1318; PIERRE MOOR, La notion de participation dans la systématique du droit public, in: Les tiers dans la procédure administrative, 2004, S. 9 ff.). Der Gesetzgeber hat sich jedoch dafür entschieden, zusätzlich ein "Berührtsein in Rechten oder Pflichten" vorauszusetzen, was mit Blick auf die Entstehungsgeschichte, die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) und die Ordnung des VwVG nachvollziehbar ist.
Im Ergebnis führt dies vorliegend zu einer weitgehenden Parallelität mit der Rechtsprechung zu Art. 6 und 48 VwVG (unten E. 5.2.3; so bereits RENE A. RHINOW, Ist das Verfahren zur Bewilligung desBGE 140 II 315 (327) BGE 140 II 315 (328)Kernkraftwerkes Kaiseraugst formell rechtmässig abgewickelt worden?, BJM 1976 S. 73 ff., 85 f.; vgl. allgemein AUGUSTIN MACHERET, La qualité pour recourir [...], ZSR 1975 II S. 131 ff., 177). Bei Bau und Betrieb von Kernkraftwerken ist nach konstanter Rechtsprechung für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit vom Gefährdungspotenzial auszugehen, das theoretisch mit einer solchen Anlage verbunden ist (BGE 121 II 176 E. 2c S. 178 f.; 120 lb 431 E. 1 S. 433 ff., BGE 121 II 379 E. 4d S. 388; VPB 46/1982 Nr. 54 S. 287 ff.; 44/1980 Nr. 89 S. 422 ff.; 42/1978 Nr. 96 S. 422 ff.). Jedermann, der innerhalb eines Bereichs lebt, der von einem Störfall besonders betroffen wäre (vgl. BGE 120 Ib 379 E. 4e S. 388 f.), hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Eigenart und der Grösse der Gefahr angemessene und geeignete Schutzmassnahmen ergriffen werden (vgl. bereits VPB 42/1978 Nr. 96 S. 423 ff., 429). Legitimationsgrund ist damit die Risikoexposition der Anwohner gegenüber einem besonderen Gefahrenherd (HETTICH, a.a.O., Rz. 453; HANSJÖRG SEILER, Recht und technische Risiken [nachfolgend: Risiken], 1997, S. 84), d.h. der Umstand, dass sie einer Anlage mit sehr grossem Gefährdungspotenzial ausgesetzt und von den möglichen Störfallfolgen in besonderem Masse potenziell betroffen sind (MOOR/POLTIER, a.a.O., S. 737 f; ISABELLE HÄNER, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2000, Rz. 723 ff.; JEAN-MICHEL BRAHIER, Installations dangereuses et aménagement du territoire, 2010, Rz. 1236 ff.; LAURENT PFEIFFER, La qualité pour recourir en droit de l'aménagement du territoire et de l'environnement, 2013, S. 113 f.; HANS RUDOLF TRÜEB, Rechtsschutz gegen Luftverunreinigung und Lärm, 1990, S. 174 f.).
4.7 Die genannte Rechtsprechung trägt dazu bei, dem materiellen Recht zum Durchbruch zu verhelfen und damit Rechtsschutzlücken zu vermeiden. Wenn aufgrund des grossen Gefährdungspotenzials von Kernkraftwerken bereits kleine Eintrittswahrscheinlichkeiten ein Handeln der Aufsichtsbehörden erfordern (Art. 4 Abs. 3 KEG; BGE 139 II 185 E. 11 S. 207 ff.; Botschaft KEG, BBl 2001 2758 f. Ziff. 8.2.1; allgemein HANSJÖRG SEILER, in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl., Stand: 2000, N. 76 zu Art. 29a USG), wäre es nicht sachgerecht, die Schwelle für die Öffnung des Rechtsweges ohne triftige Gründe höher anzulegen. Ansonsten würden Drittbeschwerden im Vorsorgebereich nach Art. 4 KEG praktisch ausgeschlossen und dieser in weitem Umfang von gerichtlicher Kontrolle freigestellt (vgl. allgemein BRIGITTE FASEL, La précaution en matièreBGE 140 II 315 (328) BGE 140 II 315 (329)de santé publique, démarche ou principe?, 2011, S. 117, 187 f.; ferner bereits RUDOLF STEINBERG, Der ökologische Verfassungsstaat, 1998, S. 307 ff.). In gleicher Stossrichtung hat das Bundesgericht festgehalten, der Perimeter der Beschwerdeberechtigung bei neuen Technologien mit schwer abschätzbaren Gefahren dürfe nicht zu eng gezogen werden (BGE 129 II 286 E. 4.3.2 S. 293; vgl. ferner BGE 120 Ib 379 E. 4c S. 387 f.; ALAIN GRIFFEL, Die Grundprinzipien des schweizerischen Umweltrechts, 2001, Rz. 179; FABIA JUNGO, Le principe de précaution en droit de l'environnement suisse, 2012, S. 308 ff.).
Die Abgrenzung zur unerwünschten Popularbeschwerde und zur Aufsichtsbeschwerde (Art. 71 VwVG), die dem Anzeiger keine Parteistellung verschafft, mahnt zwar zur sorgfältigen Prüfung bei der Erweiterung des Rechtsschutzes über Art. 25a VwVG. Deswegen ist jedoch den Anwohnern das Rechtsschutzinteresse im Bereich der Störfallvorsorge nicht abzusprechen: Sie befinden sich in einer spezifischen (räumlichen) Beziehungsnähe zum Kernkraftwerk, womit das Erfordernis der besonderen persönlichen Betroffenheit erfüllt ist (vgl. allgemein BGE 140 II 214 E. 2.1 S. 218). Über den potenziellen Einwirkungsbereich des Störfalls lässt sich ein besonders betroffener Personenkreis bestimmen und abgrenzen. Daran ändert nichts, dass die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts gering ist, da bei einem Kernkraftwerk als einem besonderen Gefahrenherd die Risikoexposition Legitimationsgrund ist (a.M. SEILER, Risiken, a.a.O., S. 353 Fn. 1128, der es als fragwürdig erachtet, den Anwohnern von Kernkraftwerken unter Risikoaspekten eine Parteieigenschaft zuzuerkennen).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründen Grundrechte auch eine staatliche Schutzpflicht gegen Gefährdungen, die von Dritten verursacht werden (BGE 126 II 300 E. 5a S. 314; siehe auch BGE 129 II 420 E. 5 S. 431 f.; Urteil 1A.282/1999 vom 8. Dezember 2000 E. 53, nicht publ. in: BGE 126 II 522). Diese Schutzpflicht kann dabei ebenso wenig wie das Umwelt- und Technikrecht einen absoluten Schutz gegen jegliche Beeinträchtigungen und Risiken gewähren (BGE 126 II 300 E. 5b S. 315; siehe auch BGE 139 II 185 E. 11.3 S. 209; 41 I 126 E. 2 S. 136 ff.; Urteil 1A.14/2005 / 1A.18/2005 vom 8. August 2006 E. 6). Angesichts von Schwere und Ausmass möglicher Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter genügt im Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie jedoch bereits eine entfernte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, um die Schutzpflicht des Gesetzgebers konkret auszulösen (MARKUS SCHEFER, Gefährdung von Grundrechten, in: Risiko und Recht, 2004, S. 441 ff., 477 f., unter Hinweis auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, wegleitend BVerfGE 49, 89 [141 f.] -- Kalkar I und BVerfGE 53, 30 [57] -- Mülheim-Kärlich; vgl. allgemein zur Korrelation von Schadenspotenzial und Schutzmassnahmen BGE 139 II 185 E. 11.4 S. 210; BGE 136 I 1 E. 5.5.3 S. 16 f.; BGE 127 II 18 E. 5a S. 20 [zu Art. 7 Abs. 2 StFV; SR 814.012]).
Damit folgt aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte ein Auftrag des Staates zu einer auf Grundrechtsgefährdungen bezogenen Risikovorsorge (HETTICH, a.a.O., Rz. 191; RUCH, a.a.O., S. 395). Im Rahmen der Verfassungsordnung ist es in erster Linie Sache der einschlägigen Gesetzgebung, die Grenze zwischen einer unerlaubten Gefährdung und einem hinzunehmenden Restrisiko zu definieren (BGE 126 II 300 E. 5b S. 315; JÖRG PAUL MÜLLER, Zur sog. subjektiv- und objektiv-rechtlichen Bedeutung der Grundrechte, in: Der Staat, Bd. 29, 1990, S. 33 ff., 41 f.; GIOVANNI BIAGGINI, BV, Kommentar, 2007, N. 7 zu Art. 35 BV; EGLI, a.a.O., S. 317). Insofern stellt die Kernenergiegesetzgebung gesetzlich konkretisierten Grundrechtsschutz dar. Indem Art. 25a VwVG unabhängig von der Handlungsform den Rechtsweg gegen die Aufsichtstätigkeit des ENSI eröffnet, wird eine gerichtliche Kontrolle der richtigen Anwendung des Kernenergierechts und damit -- zumindest mittelbar -- der Erfüllung grundrechtlicher Schutzaufträge im zentralen Bereich der laufendenBGE 140 II 315 (330) BGE 140 II 315 (331)Aufsicht ermöglicht. So trägt Art. 25a VwVG zu einem wirksamen, dynamischen Grundrechtsschutz bei und ist Ausdruck des Auftrags zu einem gewaltenteiligen Zusammenwirken bei der Grundrechtsverwirklichung (Art. 35 BV).
4.9 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verpflichtet die Staaten, im Umgang mit gefährlichen Aktivitäten frühzeitig für die Einhaltung der Konventionsgarantien zu sorgen und nicht erst bei erfolgter, potenziell irreversibler Gesundheitsschädigung zu handeln (KATHARINA BRAIG, Umweltschutz durch die Europäische Menschenrechtskonvention, 2013, S. 201 ff.; KELLER/CIRIGLIANO, Grundrechtliche Ansprüche an den Service Public: Am Beispiel der italienischen Abfallkrise, URP 2012 S. 831 ff.). Im Urteil di Sarno und andere gegen Italien vom 10. Januar 2012 (Nr. 30765/08) führte der Gerichtshof mit Blick auf Art. 8 EMRK aus, die Staaten seien namentlich bei gefährlichen Tätigkeiten verpflichtet, eine den Umständen angepasste Regelung zu erlassen, die der Besonderheit der Tätigkeit und insbesondere dem Mass der sich aus ihr möglicherweise ergebenden Gefahr entspreche (§ 106). Diese Regelung müsse sich auf die Genehmigung, die Aufnahme, den Betrieb, die Sicherheit und die Kontrolle der jeweiligen Tätigkeit beziehen und alle Beteiligten zu angemessenen praktischen Massnahmen verpflichten, um einen wirksamen Schutz der Bürger zu garantieren, deren Leben den vom Betrieb verursachten Gefahren ausgesetzt sei (vgl. dazu sinngemäss Urteil des EGMR Öneryildiz gegen Türkei vom 30. November 2004 [Nr. 48939/99],Recueil CourEDH 2004-XII S. 1 § 90 [zuArt. 2 EMRK]). Im Urteil Hardy und Maile gegen Vereinigtes Königreich vom 14. Februar 2012 (Nr. 31965/07) war eine Beschwerde von Anwohnern gegen den Bau einer Hafenanlage zu beurteilen, in der u.a. Flüssigerdgas umgeladen werden sollte. Dabei erstreckte der EGMR den Schutzbereich von Art. 8 EMRK auf die Risikovorsorge und zog mögliche (potenzielle) Störfälle mit ein (§ 187 ff.). Daran anschliessend formulierte der EGMR Beteiligungs- und Informationsrechte der betroffenen Personen (§ 217 ff.) und der Öffentlichkeit (§ 245 ff.). Solche abgestuften Beteiligungs- und Informationsrechte sind auch der Aarhus-Konvention zu entnehmen (vgl. Art. 4 ff. des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten [Aarhus-Konvention; SR 0.814.07]).BGE 140 II 315 (331)
 
BGE 140 II 315 (332)Erwägung 5
 
5.2
5.2.2 Eine durch ein Naturereignis ausgelöste externe Überflutung bildet einen Störfall mit Ursprung ausserhalb der Anlage, wobei fürBGE 140 II 315 (332) BGE 140 II 315 (333)den Nachweis des ausreichenden Schutzes Gefährdungen mit einer Häufigkeit grösser gleich 10-4 zu berücksichtigen und zu bewerten sind (Art. 8 der Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004 [KEV; SR 732.11] und Art. 5 Gefährdungsannahmenverordnung). In der Folge der Ereignisse von Fukushima forderte das ENSI die Betreiberin des KKW Mühleberg auf, die Auslegung bezüglich Erdbeben und Überflutung unverzüglich zu überprüfen und namentlich den deterministischen Nachweis der Beherrschung des 10'000-jährlichen Hochwassers zu führen (Art. 2 Abs. 1 lit. d der Verordnung des UVEK vom 16. April 2008 über die Methodik und die Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken [SR 732.114.5; nachfolgend: Ausserbetriebnahmeverordnung]; vgl. BGE 139 II 185 E. 11.7 S. 214 f.). Ergibt die Überprüfung, dass die Dosisgrenzwerte nach Art. 94 Abs. 3-5 und Art. 96 Abs. 5 der Strahlenschutzverordnung vom 22. Juni 1994 (StSV; SR 814.501) nicht eingehalten werden, ist das Kernkraftwerk unverzüglich vorläufig ausser Betrieb zu nehmen und nachzurüsten (Art. 22 Abs. 3 KEG; Art. 44 Abs. 1 lit. a KEV; Art. 3 Ausserbetriebnahmeverordnung).
5.2.3 Gegenstand des Gesuchs der Beschwerdegegner ist der Sicherheitsnachweis für das Beherrschen eines Auslegungsstörfalls. Ohne diesen Nachweis ist die nukleare Sicherheit des KKW Mühleberg nicht (mehr) gewährleistet. An der Kontrolle der Aufsichtstätigkeit im Bereich der Sicherheitsüberprüfung besteht ein ausgewiesenes Rechtsschutzinteresse (oben E. 3.4). Dabei kann der Rechtsschutz bei Drittbeschwerden nicht deswegen versagt werden, weil der zu beurteilende Störfall (10'000-jährliches Hochwasser) nur selten eintritt. Ansonsten würde der Bereich der gesetzlichen Störfallvorsorge und damit ein zentraler Baustein der Gewährleistung der nuklearen Sicherheit von der gerichtlichen Kontrolle weitgehend freigestellt (oben E. 4.7). Ebenso wenig kann das Rechtsschutzinteresse isoliert auf die Risikorelevanz der einzelnen strittigen Schutzmassnahme eingeengt werden. Denn diese Massnahme -- die Einspeisung mit mobilen Pumpen -- ist Bestandteil eines umfassenden Konzepts der Sicherheitsvorsorge, das durch hintereinander gestaffelte und voneinander unabhängige Sicherheitsmassnahmen die Kühlwasserversorgung bei einem 10'000-jährlichen Hochwasser gewährleisten soll (vgl. allgemein zum Konzept der gestaffelten Sicherheitsvorsorge ["Defence-in-Depth"] Art. 18 Ziff. I des Übereinkommens vom 17. Juni 1994 über nukleare Sicherheit [SR 0.732.020]; Art. 5 Abs. 1BGE 140 II 315 (333) BGE 140 II 315 (334)KEG; Art. 1 lit. c Gefährdungsannahmenverordnung). Die Beschwerdegegner haben demnach ein schutzwürdiges Interesse daran, dass überprüft wird, ob der Sicherheitsnachweis für die Beherrschung des 10'000-jährlichen Hochwassers erbracht ist und damit die auch ihrem Schutz dienenden Normen zur Störfallvorsorge eingehalten werden.