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Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 17
Nationales Recht
Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Zu den Auswirkungen der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts
Zur Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit
Zu den Vorlagefragen
Zum Gegenstand der dem nationalen Gericht obliegenden Kontrolle
Zum Umfang der dem nationalen Gericht obliegenden Kontrolle
Die Kontrolle der Zwangsmaßnahmen darauf, dass sie nicht willkürlich sind, und die Informationen, die von der Kommission zum Zweck einer solchen Kontrolle verlangt werden können
Die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen gemessen am Gegenstand der Nachprüfung und die Informationen, die von der Kommission zum Zweck einer solchen Kontrolle verlangt werden können
Zum Verhalten des zuständigen nationalen Gerichts und der Kommission, falls die von der Kommission gegebenen Informationen nicht ausreichen
Zur Art und Weise, in der die Informationen dem zuständigen nationalen Gericht zur Kenntnis gebracht werden können
Kosten
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher
 
Urteil
 
des Gerichtshofes
 
vom 22. Oktober 2002
 
In der Rechtssache
 
-- C-94/00 --  
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der Cour de cassation (Frankreich) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit
 
Roquette Frères SA
 
gegen
 
Directeur général de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes, Beteiligte: Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
 
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), und des Urteils vom 21. September 1989 in den Rechtssachen 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission, Slg. 1989, 2859)
 
erlässt
 
Der Gerichtshof unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodriguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, M. Wathelet und R. Schintgen, der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola (Berichterstatter), P. Jann und V. Skouris, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, Generalanwalt: J. Mischo Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
 
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
 
der Roquette Frères SA, vertreten durch O. Prost und A. Choffel, avocats, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Marenco und F. Siredey-Garnier als Bevollmächtigte, der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und F. Million als Bevollmächtigte, der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und B. Muttelsee-Schön als Bevollmächtigte, der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni-Rantou und G. Karipsiadis als Bevollmächtigte, der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von F. Quadri, avvocato dello Stato, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von J. Turner, Barrister, der norwegischen Regierung, vertreten durch H. Seland als Bevollmächtigten, aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Roquette Frères SA, vertreten durch O. Prost und A. Choffel, der Kommission, vertreten durch G. Marenco und F. Siredey-Garnier, der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham als Bevollmächtigten, der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni-Rantou und G. Karipsiadis, der italienischen Regierung, vertreten durch M. Greco als Bevollmächtigten, und der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins und J. Turner, in der Sitzung vom 10. Juli 2001,
 
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. September 2001 folgendes
 
 
Urteil
 
1. Die Cour de cassation hat mit Urteil vom 7. März 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 13. März 2000, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), und des Urteils vom 21. September 1989 in den Rechtssachen 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission, Slg. 1989, 2859) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich im Rahmen der Prüfung eines Rechtsbehelfs der Roquette Frères SA (nachstehend: Roquette) gegen einen Beschluss des Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille (Frankreich), mit dem Durchsuchungen und Beschlagnahmen in ihren Geschäftsräumen genehmigt wurden zur Beschaffung von Beweisen für ihre etwaige Beteiligung an Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die gegen Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) verstoßen könnten.
 
Rechtlicher Rahmen
 
Verordnung Nr. 17
 
3. Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 überträgt der Kommission zur Ermittlung von Zuwiderhandlungen gegen die für Unternehmen geltenden Wettbewerbsvorschriften Nachprüfungsbefugnisse. Es heißt dort:
    "1. (...)verfügen die beauftragten Bediensteten der Kommission über folgende Befugnisse:
    a) die Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen zu prüfen;
    b) Abschriften oder Auszüge aus Büchern und Geschäftsunterlagen anzufertigen;
    c) mündliche Erklärungen an Ort und Stelle anzufordern;
    d) alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel der Unternehmen zu betreten. ...
    3. Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, die Nachprüfungen zu dulden, welche die Kommission in einer Entscheidung angeordnet hat. Die Entscheidung bezeichnet den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, bestimmt den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung und weist auf die in Artikel 15 Absatz (1) Buchstabe c) und Artikel 16 Absatz (1) Buchstabe d) vorgesehenen Zwangsmaßnahmen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben.
    (...)
    6. Widersetzt sich ein Unternehmen einer aufgrund dieses Artikels angeordneten Nachprüfung, so gewährt der betreffende Mitgliedstaat den beauftragten Bediensteten der Kommission die erforderliche Unterstützung, damit diese ihre Nachprüfungen durchführen können. Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten vor dem 1. Oktober 1962 nach Anhörung der Kommission die erforderlichen Maßnahmen."
Nationales Recht
 
4. In Frankreich sind die Nachprüfungsverfahren auf dem Gebiet des Wettbewerbs in der Ordonnance Nr. 86-1243 vom 1. Dezember 1986 über die freie Preisbildung und den freien Wettbewerb (JORF vom 9. Dezember 1986, S. 14773, nachstehend: Ordonnance) geregelt.
5. Artikel 48 der Ordonnance sieht vor:
    "Die Prüfer können Durchsuchungen an Örtlichkeiten jeder Art und die Beschlagnahme von Unterlagen nur vornehmen, wenn der Minister für Wirtschaft oder der Conseil de la concurrence entsprechende Ermittlungen verlangt und der Präsident des Tribunal de grande instance ... durch Beschluss die gerichtliche Genehmigung hierzu erteilt hat ...
    Der Richter hat nachzuprüfen, ob der ihm vorgelegte Genehmigungsantrag begründet ist; dieser Antrag muss alle Informationen enthalten, die die Durchsuchung rechtfertigen können.
    Er bestellt einen oder mehrere Vollzugsbedienstete zum Zweck der Teilnahme an diesen Vorgängen, die ihn über deren Durchführung unterrichten. ..."
6. Zur Erläuterung des Geltungsbereichs dieser Bestimmung weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nach einer Entscheidung des französischen Conseil constitutionnel vom 29. Dezember 1983 Ermittlungen in Privaträumen nur unter Beachtung des Artikels 66 der französischen Verfassung durchgeführt werden dürften, wonach der Schutz der individuellen Freiheit, insbesondere der Unverletzlichkeit der Wohnung, den Gerichten übertragen sei. Der Conseil constitutionnel habe daraus gefolgert, dass dem zuständigen Gericht in den insoweit geltenden Rechtsvorschriften ausdrücklich die Aufgabe übertragen werden müsse, konkret die Begründetheit des ihm vorliegenden Antrags zu überprüfen.
7. Gemäß Artikel 56bis der Ordonnance findet Artikel 48 der Ordonnance bei Unterstützungsersuchen der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 Anwendung.
 
Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
 
8. Roquette ist im Vertrieb von Natriumgluconat und Glucono-delta-Lacton tätig.
9. Am 10. September 1998 erließ die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 eine Entscheidung, mit der angeordnet wurde, dass Roquette eine Nachprüfung dulden müsse (nachstehend: Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998).
10. Artikel 1 dieser Entscheidung lautet:
    "Die Roquette Frères SA muss eine Nachprüfung im Hinblick auf eine etwaige Beteiligung an nach Artikel 85 EG-Vertrag verbotenen Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Natriumgluconat und Glucono-delta-Lacton dulden. Die Nachprüfung kann in allen Betrieben des Unternehmens erfolgen.
    Das Unternehmen gestattet den von der Kommission mit der Nachprüfung beauftragten Bediensteten und den sie unterstützenden Bediensteten des betroffenen Mitgliedstaats während der üblichen Geschäftszeit das Betreten aller Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel des Unternehmens. Es legt die von diesen Bediensteten angeforderten Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen zur Prüfung vor und gestattet ihnen, diese an Ort und Stelle zu überprüfen sowie Kopien davon oder Auszüge daraus anzufertigen. Das Unternehmen gibt den genannten Bediensteten unverzüglich alle mündlichen Erklärungen, die diese zum Gegenstand der Nachprüfung verlangen."
11. Aus den Gründen der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998 geht Folgendes hervor:
    "Die Adressatin dieser Entscheidung ist im Bereich Natriumgluconat tätig. Natriumgluconat wird u.a. in der Gebäudereinigung, bei der Oberflächenbehandlung von Metallen, bei der Herstellung von Chemiefasern sowie als Abbindeverzögerer in der Betonindustrie eingesetzt.
    Der Kommission liegen Informationen vor, wonach Verantwortliche des betroffenen Unternehmens regelmäßig mit Vertretern von Konkurrenzfirmen zusammengekommen sein sollen, um den Markt für Natriumgluconat untereinander aufzuteilen und Mindestpreise für die Nutzer der einzelnen Marktgebiete abzusprechen. Danach sollen auch die Verkaufsmenge insgesamt und für die einzelnen Gebiete festgelegt worden sein. Bei jeder Zusammenkunft soll beurteilt worden sein, inwieweit die Vereinbarungen eingehalten wurden. Hatte ein Unternehmen die ihm zugeteilte Verkaufsmenge überschritten, musste es anscheinend versuchen, seinen Warenabsatz in der nächsten Zeit zu drosseln.
    Die Adressatin dieser Entscheidung stellt auch Glucono-delta-Lacton her. Glucono-delta-Lacton wird bei der Erzeugung von Käse, Fleischerzeugnissen und Tofu verwendet.
    Der Kommission liegen Informationen vor, wonach sich diese Kontakte mit Konkurrenzfirmen auch auf Glucono-delta-Lacton erstreckt haben sollen. Dabei soll es sich insbesondere um zwei- oder mehrseitige Gespräche gehandelt haben, die häufig am Rande der Zusammenkünfte für Natriumgluconat stattfanden (und zwar vorher, nachher oder in den Pausen). Bei dieser Gelegenheit sollen die Teilnehmer Markt-, Marktpreis- und Nachfrageinformationen ausgetauscht haben. Sie sollen auch Gespräche über Produktionskapazitäten und Verkaufsvolumen geführt haben. Die Kontakte sollen der Preiskontrolle gedient haben und waren anscheinend geeignet, eine Koordinierung des Teilnehmerverhaltens auf dem Markt herbeizuführen.
    Die genannten Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen stellen im Fall ihres Nachweises möglicherweise einen schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft dar. Schon aufgrund ihrer Natur ist anzunehmen, dass sie geheim umgesetzt werden und dass deshalb eine Nachprüfung das geeignetste Mittel zur Beschaffung von Beweisen für ihr Bestehen ist.
    Um Kenntnis von allen tatsächlichen Gegebenheiten betreffend die etwaigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen sowie von ihrem Kontext zu erlangen, ist daher eine Nachprüfung gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 durchzuführen.
    Die Adressatin dieser Entscheidung könnte Informationen besitzen, die für die Untersuchung der Kommission im Rahmen der oben geschilderten Sache erforderlich sind.
    Im Interesse einer wirksamen Nachprüfung darf das Unternehmen nicht vorher davon Kenntnis erlangen.
    Das Unternehmen ist daher durch eine entsprechende Anordnung zu zwingen, eine Nachprüfung im Sinne von Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 zu dulden."
12. Die Kommission ersuchte die französische Regierung, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die in Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Unterstützung durch die nationalen Behörden für den Fall sicherzustellen, dass sich das Unternehmen der geplanten Nachprüfung widersetzen sollte.
13. Aufgrund dieses Ersuchens beantragten die zuständigen Verwaltungsstellen am 14. September 1998 beim Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille, in Bezug auf Roquette die Durchsuchung und Beschlagnahme gemäß den Artikeln 48 und 56bis der Ordonnance zu genehmigen. Diesem Antrag waren im Wesentlichen eine Kopie der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998 und der Text des Urteils Hoechst/Kommission beigefügt.
14. Der Präsident des Tribunal de grande instance Lille gab diesem Antrag mit Beschluss vom 14. September 1998 statt (nachstehend: Genehmigungsbeschluss).
15. Der Genehmigungsbeschluss wurde am 16. September 1998 zugestellt. Die Nachprüfung fand am 16. und 17. September 1998 statt. Roquette kooperierte bei den Nachprüfungsvorgängen, machte jedoch Vorbehalte bezüglich der Kopie einer Reihe von Dokumenten.
16. In ihrem Rechtsbehelf gegen den Genehmigungsbeschluss macht Roquette geltend, der Präsident des Tribunal de grande instance Lille habe keine Haussuchung anordnen können, ohne vorher anhand von Unterlagen, die ihm die Verwaltung vorzulegen habe, geprüft zu haben, ob tatsächlich ein ernsthafter Verdacht wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorliege, der die Genehmigung von Zwangsmaßnahmen rechtfertigen könnte.
17. Die Cour de cassation stellt im Vorlageurteil fest, dass dem Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille keine Informationen oder Hinweise gegeben worden seien, die den Verdacht des Vorliegens der behaupteten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen begründeten, so dass er die Begründetheit des ihm vorgelegten Antrags nicht konkret habe prüfen können. Außerdem weise die Kommission in der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998 lediglich darauf hin, dass sie über Informationen verfüge, wonach sich Roquette in der beschriebenen Weise wettbewerbswidrig verhalte, ohne dass sie bei der Analyse dieser Verhaltensweisen, sei es auch nur kurz, auf die Informationen Bezug nehme, die sie zu besitzen behaupte und auf die sie ihre Beurteilung stütze.
18. Die Cour de cassation legt die Merkmale der Kontrolle dar, die dem zuständigen französischen Gericht gemäß Artikel 48 der Ordonnance und der erwähnten Entscheidung des Conseil constitutionnel vom 29. Dezember 1983 (siehe oben, Randnummer 6) obliege, und weist insoweit auf das Urteil Hoechst/Kommission hin, aus dem hervorgehe, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Nachprüfungsbefugnisse die verfahrensrechtlichen Garantien des nationalen Rechts beachten müsse.
19. Außerdem verweist die Cour de cassation auf die Randnummern 17 und 18 des Urteils Hoechst/Kommission, wonach es keinen dem Recht der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz des Rechts auf Unverletzlichkeit der Geschäftsräume von Unternehmen und keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gebe, die einen derartigen Grundsatz aus Artikel 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ableite.
20. Die Cour de cassation führt jedoch aus, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seinem Urteil Niemietz/Deutschland vom 16. Dezember 1992 (Serie A, Nr. 251-B), das nach dem Urteil Hoechst/Kommission ergangen sei, entschieden, dass Artikel 8 EMRK auch bestimmte berufliche oder geschäftliche Tätigkeiten oder Räume erfassen könne. Die Cour de cassation verweist zudem auf Artikel 6 Absatz 2 EU, wonach die Europäische Union die Grundrechte zu achten habe, wie sie in der EMRK gewährleistet seien und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergäben, sowie auf Artikel 46 Buchstabe d EU, der Artikel 6 Absatz 2 der Kontrolle des Gerichtshofes unterstelle.
21. Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    1. Ist das Urteil Hoechst vom 21. September 1989 in Anbetracht der in der Gemeinschaftsrechtsordnung und in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Grundrechte dahin auszulegen, dass ein nationaler Richter, der nach dem nationalen Recht in Wettbewerbsangelegenheiten für die Anordnung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen durch Bedienstete der öffentlichen Verwaltung zuständig ist, die beantragte Genehmigung hierfür nicht verweigern kann, wenn er die Informationen oder Indizien, die ihm vorgelegt worden sind, um den Verdacht wettbewerbswidriger Verhaltensweisen der von der Nachprüfungsentscheidung der Kommission betroffenen Unternehmen zu rechtfertigen, für die Genehmigung einer solchen Maßnahme für unzureichend hält oder wenn ihm - wie im vorliegenden Fall - überhaupt keine Informationen oder Indizien vorgelegt worden sind?
    2. Darf, falls der Gerichtshof eine Verpflichtung der Kommission verneint, dem nationalen Richter die Indizien und Informationen vorzulegen, über die sie verfügt und die den Verdacht wettbewerbswidriger Verhaltensweisen rechtfertigen, dieser Richter gleichwohl in Anbetracht der vorgenannten Grundrechte den Antrag auf Durchsuchung und Beschlagnahme ablehnen, wenn er der Ansicht ist, dass die Entscheidung der Kommission - wie im vorliegenden Fall - nicht hinreichend begründet ist und ihm nicht erlaubt, konkret die Begründetheit des ihm vorgelegten Antrags zu prüfen, so dass er die nach dem nationalen Verfassungsrecht vorgeschriebene Kontrolle nicht ausüben kann?
 
Zu den Auswirkungen der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts
 
22. Wie sich aus dem Vorlageurteil ergibt, fragt sich die Cour de cassation, welchen Einfluss bestimmte Entwicklungen auf dem Gebiet des Grundrechtsschutzes, die nach der Verkündung des Urteils Hoechst/Kommission eingetreten sind, auf die vom Gerichtshof in diesem Urteil herausgearbeiteten Grundsätze und damit auf die Beantwortung der von ihr vorgelegten Fragen haben.
23. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei lässt sich der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Hierbei kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (vgl. insbesondere Urteile Hoechst/Kommission, Randnr. 13, und vom 6. März 2001 in der Rechtssache C-274/99 P, Connolly/Kommission, Slg. 2001, I-1611, Randnr. 37).
24. Wie der Gerichtshof ebenfalls festgestellt hat, sind die in dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und sodann durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union erneut bekräftigt worden (Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 79). Sie sind nunmehr in Artikel 6 Absatz 2 EU aufgenommen worden (Urteil Connolly/Kommission, Randnr. 38).
25. Im Übrigen hat der Gerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung im Vorabentscheidungsverfahren dann, wenn eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten, wie sie sich insbesondere aus der EMRK ergeben, beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof sichert (vgl. insbesondere Urteile vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 42, und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-159/90, Society for the Protection of Unborn Children Ireland, Slg. 1991, I-4685, Randnr. 31).
26. Da die Vorlagefragen im Wesentlichen den Umfang der Kontrollbefugnis betreffen, die ein Gericht eines Mitgliedstaats hat, wenn die Kommission ein Unterstützungsersuchen nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 an es gerichtet hat, ist der Gerichtshof sehr wohl befugt, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit der für diese Kontrolle geltenden nationalen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht einschließlich gegebenenfalls der Rechte aus der EMRK als allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, beurteilen zu können.
27. Der Gerichtshof hat in Randnummer 19 des Urteils Hoechst/Kommission anerkannt, dass das Erfordernis eines Schutzes vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt.
28. Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten diesen allgemeinen Grundsatz zu beachten haben, wenn die Kommission an sie ein Unterstützungsersuchen nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 gerichtet hat (vgl. Urteil Hoechst/Kommission, Randnrn. 19 und 33).
29. Bei der Bestimmung der Tragweite dieses Grundsatzes hinsichtlich des Schutzes der Geschäftsräume von Unternehmen ist die nach dem Urteil Hoechst/Kommission ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu berücksichtigen, aus der sich zum einen ergibt, dass der Schutz der Wohnung, um den es in Artikel 8 EMRK geht, unter bestimmten Umständen auf Geschäftsräume ausgedehnt werden kann (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 16. April 2002, Colas Est u.a./Frankreich, noch nicht in den Reports of Judgements and Decisions veröffentlicht, § 41), und zum anderen, dass der Eingriffsvorbehalt nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK bei beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeiten oder Räumen sehr wohl weiter gehen könnte als in anderen Fällen (Urteil Niemietz/Deutschland, § 31).
 
Zur Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit
 
30. Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind die Anforderungen zu berücksichtigen, die sich aus der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit gemäß Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) ergeben.
31. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes obliegt eine Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit sowohl den Gerichten der Mitgliedstaaten, soweit sie im Rahmen ihrer Befugnisse handeln (vgl. insbesondere Urteile vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83, Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 26, und vom 8. Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Randnr. 12), als auch den Gemeinschaftsorganen, die mit den Mitgliedstaaten in einem Verhältnis der Gegenseitigkeit loyal zusammenzuarbeiten haben (vgl. insbesondere Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81, Luxemburg/Parlament, Slg. 1983, 255, Randnr. 38, und Beschluss vom 13. Juli 1990 in der Rechtssache C-2/88 IMM, Zwartveld u.a., Slg. 1990, I-3365, Randnr. 17).
32. Insoweit ist hervorzuheben, dass einer solchen Zusammenarbeit in einem Fall, in dem wie vorliegend Gemeinschaftsbehörden und nationale Behörden durch koordinierte Ausübung ihrer jeweiligen Befugnisse zur Verwirklichung der Ziele des Vertrages beizutragen haben, besondere Bedeutung zukommt.
 
33. Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein nationales Gericht, das nach nationalem Recht für die Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen von Unternehmen, bei denen ein Verdacht von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln besteht, zuständig ist, im Fall eines Unterstützungsersuchens der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht befugt ist,
    - eine Durchsuchungsgenehmigung deshalb zu verweigern, weil die Informationen und Indizien, die in der Akte der Kommission enthalten sind und auf die diese ihren Verdacht stützt, ihm nicht vorgelegt wurden oder nicht zur Rechtfertigung der beantragten Maßnahme ausreichen;
    - oder, falls es diese Informationen und Indizien nicht verlangen kann, eine solche Genehmigung deshalb zu verweigern, weil die Informationen, die sich aus der Begründung der Nachprüfungsentscheidung der Kommission ergeben, nicht ausreichen, um ihm die konkrete Überprüfung der Begründetheit der beantragten Maßnahmen zu ermöglichen, zu der es jedoch nach nationalem Recht verpflichtet ist.
34. Zur Beantwortung dieser Fragen ist zunächst daran zu erinnern, dass es nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, die Bedingungen zu regeln, unter denen die nationalen Behörden den Bediensteten der Kommission Unterstützung gewähren. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die Kommission, wenn sie mit Unterstützung der nationalen Behörden Nachprüfungsmaßnahmen ohne Mitwirkung der betroffenen Unternehmen vornehmen will, die insoweit im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensgarantien zu beachten hat (Urteil Hoechst/Kommission, Randnrn. 33 und 34).
35. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht jedoch hervor, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis zwei gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben unterliegen. Sie haben die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission sicherzustellen und dabei zugleich verschiedene allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 33).
36. Gerade um die Wahrung des oben in Randnummer 27 genannten allgemeinen Grundsatzes sicherzustellen, hat der Gerichtshof entschieden, dass es Sache der zuständigen nationalen Stelle ist, zu prüfen, ob die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich oder, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, unverhältnismäßig sind (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 35).
37. Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Kommission ihrerseits dafür zu sorgen hat, dass diese nationale Stelle über alle erforderlichen Mittel verfügt, um diese Kontrolle ausüben und bei der Durchführung dieser Maßnahmen für die Wahrung der Vorschriften des nationalen Rechts sorgen zu können (Urteil Hoechst/Kommission, Randnrn. 34 und 35).
38. Die hier vorgelegten Fragen betreffen den Umfang der Kontrolle, die einem nationalen Gericht, das nach nationalem Recht für die Genehmigung von Durchsuchungen in Geschäftsräumen von Unternehmen zuständig ist, die im Verdacht von Verstößen gegen Wettbewerbsregeln stehen, möglicherweise obliegt, wenn es auf ein Unterstützungsersuchen hin angerufen wird, das von der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 gestellt wurde, und die Art der Informationen, die die Kommission diesem nationalen Gericht geben muss, damit es eine solche Kontrolle ausüben kann.
Zum Gegenstand der dem nationalen Gericht obliegenden Kontrolle
 
39. Vorab ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die zuständige nationale Stelle bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis nicht die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Nachprüfungen durch die Kommission, deren Sach- und Rechtserwägungen lediglich der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gemeinschaftsrichter unterliegen, durch ihre eigene Beurteilung ersetzen darf (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 35).
40. Die vom nationalen Gericht ausgeübte Kontrolle, die sich allein auf die beantragten Zwangsmaßnahmen bezieht, darf nicht über die nach dem Gemeinschaftsrecht vorgeschriebene Prüfung hinaus gehen, mit der festgestellt werden soll, dass diese Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich sind und dass sie, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, verhältnismäßig sind. Mit einer solchen Prüfung ist die Kontrollbefugnis des nationalen Gerichts, was die Begründetheit der Zwangsmaßnahmen angeht, die auf ein Unterstützungsersuchen der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 hin beantragt wurden, erschöpft.
Zum Umfang der dem nationalen Gericht obliegenden Kontrolle
 
41. Um den Umfang dieser nach dem Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen und dem zuständigen nationalen Gericht obliegenden Kontrolle zu bestimmen, ist zunächst an den Kontext zu erinnern, in dem die von dieser Kontrolle erfassten Zwangsmaßnahmen stehen.
42. So ist erstens darauf hinzuweisen, dass die der Kommission in Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 übertragenen Befugnisse ihr die Erfüllung ihres Auftrags ermöglichen sollen, über die Beachtung der Wettbewerbsregeln im Gemeinsamen Markt zu wachen, wobei diese Regeln verhindern sollen, dass der Wettbewerb entgegen dem öffentlichen Interesse sowie zum Schaden der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher verfälscht wird (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 25), und damit zum wirtschaftlichen Wohl in der Gemeinschaft beitragen.
43. Zweitens ist hervorzuheben, dass sich aus dem Gemeinschaftsrecht verschiedene Garantien ergeben.
44. Zunächst dienen die Zwangsmaßnahmen, um die die nationalen Behörden in Durchführung von Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 ersucht werden können, ausschließlich dem Zweck, den Bediensteten der Kommission die Ausübung der dieser verliehenen Nachprüfungsbefugnisse zu ermöglichen. Diese in Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 aufgezählten Befugnisse sind jedoch ihrerseits genau eingegrenzt.
45. So sind von dem Bereich, in dem die Kommission ermitteln darf, insbesondere Unterlagen nicht geschäftlicher Art ausgeschlossen, d.h. Unterlagen, die sich nicht auf die Tätigkeit des Unternehmens auf dem Markt beziehen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1982 in der Rechtssache 155/79, AM & S Europe/Kommission, Slg. 1982, 1575, Randnr. 16).
46. Sodann bestehen zugunsten der Unternehmen, bei denen Nachprüfungen durchgeführt werden, unbeschadet der für die Durchführung der Zwangsmaßnahmen geltenden Garantien des innerstaatlichen Rechts verschiedene gemeinschaftsrechtliche Garantien, zu denen insbesondere das Recht auf Hinzuziehung eines juristischen Beistands oder der Anspruch auf Wahrung der Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Anwälten und Mandanten gehört (vgl. Urteile AM & S Europe/Kommission, Randnrn. 18 bis 27, und Hoechst/Kommission, Randnr. 16, sowie Urteil vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 85/87, Dow Benelux/Kommission, Slg. 1989, 3137, Randnr. 27).
47. Schließlich ist die Kommission nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet, Nachprüfungsentscheidungen unter Angabe von Gegenstand und Zweck der Nachprüfung zu begründen, was, wie der Gerichtshof klargestellt hat, insofern ein grundlegendes Erfordernis darstellt, als dadurch nicht nur die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den betroffenen Unternehmen aufgezeigt werden soll, sondern auch diese Unternehmen in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 29).
48. Zudem hat die Kommission in der Nachprüfungsentscheidung möglichst genau anzugeben, wonach gesucht wird, und die Punkte aufzuführen, auf die sich die Nachprüfung beziehen soll (Urteil vom 26. Juni 1980 in der Rechtssache 136/79, National Panasonic/Kommission, Slg. 1980, 2033, Randnrn. 26 und 27). Dieses Erfordernis dient, wie der Gerichtshof entschieden hat, dem Schutz der Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen, da diese Rechte in schwerwiegender Weise beeinträchtigt würden, wenn die Kommission den Unternehmen bei einer Nachprüfung erlangte Beweise entgegenhalten könnte, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand und dem Zweck dieser Nachprüfung stehen (Urteil Dow Benelux/Kommission, Randnr. 18).
49. Drittens ist daran zu erinnern, dass ein Unternehmen, gegen das die Kommission eine Nachprüfung angeordnet hat, diese Entscheidung gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) vor dem Gemeinschaftsrichter anfechten kann. Falls diese Entscheidung vom Gemeinschaftsrichter für nichtig erklärt würde, wäre die Kommission dadurch gehindert, Unterlagen oder Beweisstücke, die sie sich im Zuge dieser Nachprüfung verschafft hätte, im Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu verwenden; andernfalls liefe sie Gefahr, dass die Entscheidung über den Wettbewerbsverstoß vom Gemeinschaftsrichter für nichtig erklärt würde, soweit sie auf derartige Beweismittel gestützt wäre (vgl. Beschlüsse vom 26. März 1987 in der Rechtssache 46/87 R, Hoechst/Kommission, Slg. 1987, 1549, Randnr. 34, und vom 28. Oktober 1987 in der Rechtssache 85/87 R, Dow Chemical Nederland/Kommission, Slg. 1987, 4367, Randnr. 17).
50. Das Bestehen dieser dem Gemeinschaftsrichter übertragenen gerichtlichen Kontrolle und die Modalitäten der Ausübung der Nachprüfungsbefugnisse der Kommission, wie sie insbesondere aus den vorstehenden Randnummern 43 bis 48 hervorgehen, tragen dazu bei, die Unternehmen vor etwaigen willkürlichen Maßnahmen zu schützen und solche Nachprüfungsmaßnahmen in den Grenzen dessen zu halten, was zur Verfolgung der oben in Randnummer 42 angeführten berechtigten Interessen erforderlich ist.
51. Viertens ist daran zu erinnern, dass, wie aus den vorstehenden Randnummern 35 und 39 hervorgeht, die zuständige nationale Stelle zum einen die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission sicherzustellen und zum anderen zu vermeiden hat, die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Nachprüfungen durch die Kommission, deren Sach- und Rechtserwägungen der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter unterliegen, durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen.
52. Zu diesen verschiedenen Gesichtspunkten ist klarzustellen, dass das für die Genehmigung der Zwangsmaßnahmen zuständige nationale Gericht zwar den besonderen Zusammenhang, in dem es angerufen wurde, und die in den Randnummern 42 bis 51 dieses Urteils enthaltenen Erwägungen zu berücksichtigen hat, doch können diese Erfordernisse es weder daran hindern noch von seiner Verpflichtung entbinden, sich in jedem Einzelfall zu vergewissern, dass die beabsichtigte Zwangsmaßnahme nicht willkürlich oder, gemessen am Gegenstand der angeordneten Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig ist (vgl. entsprechend EGMR, Urteile vom 25. Februar 1993, Funke/Frankreich, Serie A, Nr. 256-A, § 55, vom 16. Dezember 1997, Camenzind/Schweiz, Recueil des arrêts et décisions 1997-VIII, § 45, und Colas Est u.a./Frankreich, § 47).
53. Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zu bestimmen, was im Einzelnen zur Ausübung einer solchen Kontrolle erforderlich ist und welche Art von Informationen dem nationalen Gericht zur Verfügung stehen müssen. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen der Kontrolle der beabsichtigten Zwangsmaßnahmen darauf, dass sie nicht willkürlich sind, und der Kontrolle ihrer Verhältnismäßigkeit gemessen am Gegenstand der Nachprüfung.
Die Kontrolle der Zwangsmaßnahmen darauf, dass sie nicht willkürlich sind, und die Informationen, die von der Kommission zum Zweck einer solchen Kontrolle verlangt werden können
 
54. Was erstens die Kontrolle angeht, mit der festgestellt werden soll, dass eine Zwangsmaßnahme, die die Durchführung einer von der Kommission angeordneten Nachprüfung ermöglichen soll, nicht willkürlich ist, so erfordert sie im Wesentlichen, dass das zuständige nationale Gericht sich vergewissert, dass ernsthafte Indizien vorliegen, die für den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln durch das betroffene Unternehmen ausreichen.
55. Eine solche Kontrolle unterscheidet sich nicht grundlegend von derjenigen, zu der die Gemeinschaftsgerichte veranlasst sein könnten, um sich zu vergewissern, dass die Nachprüfungsentscheidung selbst nicht willkürlich, d.h. nicht ohne Vorliegen von Tatsachen, die die Nachprüfung rechtfertigen könnten, erlassen worden ist (Urteil vom 17. Oktober 1989 in den Rechtssachen 97/87 bis 99/87, Dow Chemical Ibérica u.a./Kommission, Slg. 1989, 3165, Randnr. 52). Die Nachprüfungen sollen es nämlich der Kommission ermöglichen, die Unterlagen zusammenzustellen, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen, für die die Kommission bereits über Erkenntnisse verfügt (Urteil National Panasonic/Kommission, Randnrn. 13 und 21).
56. Diese Ähnlichkeit der Natur der von den Gemeinschaftsgerichten und der von der zuständigen nationalen Stelle ausgeübten Kontrolle darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass diese Kontrollen unterschiedliche Gegenstände haben.
57. Aufgrund der Nachprüfungsbefugnisse der Kommission nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 sind die Bediensteten der Kommission lediglich berechtigt, die von ihnen bezeichneten Orte zu betreten, sich die von ihnen angeforderten Unterlagen vorlegen zu lassen und sich den Inhalt der von ihnen angegebenen Möbel zeigen zu lassen (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 31).
58. Demgegenüber umfassen die Zwangsmaßnahmen, die in die Zuständigkeit der nationalen Behörden fallen, die Befugnis, sich gewaltsam Zugang zu Räumen oder Möbeln zu verschaffen oder die Beschäftigten des Unternehmens zu zwingen, ihnen den Zugang hierzu zu gewähren; sie können auch Durchsuchungen ohne Einwilligung der Verantwortlichen des Unternehmens vornehmen (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 31).
59. Wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Privatsphäre erfordert der Einsatz solcher Zwangsmaßnahmen, dass die zuständige nationale Stelle sich eigenständig vergewissern kann, dass sie nicht willkürlich sind.
60. Insbesondere kann gegen eine solche Prüfung nicht eingewandt werden, dass die zuständige nationale Stelle, wenn sie das Vorliegen ernsthafter Hinweise überprüft, die für einen Verdacht des Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ausreichen können, dabei im Sinne der Randnummer 35 des Urteils Hoechst/Kommission Gefahr laufe, die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Nachprüfungen durch die Kommission und damit deren Sach- und Rechtserwägungen durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen.
61. Damit sich das zuständige nationale Gericht davon überzeugen kann, dass die beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich sind, hat die Kommission diesem Gericht folglich Erläuterungen zu geben, in denen substanziiert dargelegt wird, dass sie in ihren Akten über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügt, die den Verdacht von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln durch das betroffene Unternehmen begründen.
62. Dagegen kann das nationale Gericht nicht die Übermittlung der in den Akten der Kommission enthaltenen Informationen und Indizien verlangen, auf denen ihr Verdacht beruht.
63. In dieser Hinsicht ist nämlich die in Randnummer 35 des vorliegenden Urteils erwähnte Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission sicherzustellen.
64. Zum einen kommt, wie die Kommission, die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs zu Recht geltend gemacht haben, der Fähigkeit der Kommission, die Anonymität bestimmter Informationsquellen zu gewährleisten, für eine wirksame Vorbeugung und Bekämpfung verbotener wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zentrale Bedeutung zu.
65. Hierzu ist festzustellen, dass, wenn die Kommission gezwungen wäre, den verschiedenen nationalen Stellen, die für den Wettbewerb zuständig sind, sachliche Informationen und Indizien zu übermitteln, durch die die Identität ihrer Quellen offen gelegt würde oder auf sie geschlossen werden könnte, damit insbesondere wegen der dem Recht eines Mitgliedstaats eigenen Verfahrenserfordernisse die Gefahr für die Informanten steigen könnte, dass ihre Identität Dritten bekannt wird.
66. Zum anderen ist auch zu berücksichtigen, dass die physische Übermittlung der verschiedenen sachlichen Informationen und Indizien, die in der Akte der Kommission enthalten sind, weitere Gefahren für die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission mit sich bringen könnte, und zwar ganz besonders in dem Fall, dass gleichzeitig parallele Nachprüfungen in mehreren Mitgliedstaaten durchzuführen sind. Bei solchen Übermittlungen ist nämlich mit Zwischenfällen und Verzögerungen zu rechnen und zu berücksichtigen, dass sie je nach den Rechtsordnungen der betroffenen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Verfahrensmodalitäten unterliegen können oder dass diese Stellen für die Prüfung von möglicherweise komplexen und umfangreichen Unterlagen eine gewisse Zeit benötigen werden.
67. Im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung nach Artikel 234 EG ist es grundsätzlich Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die in Randnummer 61 dieses Urteils genannten Erläuterungen im konkreten Fall gegeben wurden, und auf dieser Grundlage die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegende Kontrolle auszuüben. Dem ist hinzuzufügen, dass das nationale Gericht, wenn es über ein Unterstützungsersuchen der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 zu befinden hat, diese Zuständigkeitsverteilung um so sorgfältiger zu beachten hat, als durch ein Vorabentscheidungsersuchen - sofern ein solches nicht wie im Ausgangsrechtsstreit erst nach Durchführung der Nachprüfung gestellt wird - seine Entscheidung verzögert und das Unterstützungsersuchen öffentlich bekannt werden kann, wodurch das Vorgehen der Kommission gelähmt und jegliche spätere Nachprüfung nutzlos zu werden droht.
68. Nach diesen Klarstellungen ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren befugt ist, alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die dem nationalen Gericht eine Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache ermöglichen können.
69. In Bezug auf den Ausgangsrechtsstreit ergibt sich aus den Gründen der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998, wie sie in Randnummer 11 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, dass die Kommission den Verdacht, den sie gegen Roquette und die übrigen Teilnehmer an dem behaupteten Kartell hegte, sehr genau darlegte, indem sie auf detaillierte Informationen über regelmäßige geheime Zusammenkünfte und über das, was dabei besprochen und vereinbart wurde, hinwies.
70. Die Kommission gab zwar nicht an, welcher Natur die Indizien waren, auf denen ihr Verdacht beruhte, etwa eine Beschwerde, eine Zeugenaussage oder von den Teilnehmern an dem behaupteten Kartell ausgetauschte Unterlagen, doch genügt das bloße Fehlen einer solchen Angabe nicht, um das Vorliegen hinreichend ernsthafter Indizien in Zweifel zu ziehen, wenn wie im Ausgangsrechtsstreit die Kommission die in ihrem Besitz befindlichen Informationen über den Gegenstand des behaupteten Kartells und über die konkreten Modalitäten seiner Durchführung so substanziiert darlegt, dass das nationale Gericht sich davon überzeugen kann, dass der Kommission solche Indizien vorliegen.
Die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen gemessen am Gegenstand der Nachprüfung und die Informationen, die von der Kommission zum Zweck einer solchen Kontrolle verlangt werden können
 
71. Was zweitens die Kontrolle angeht, mit der überprüft werden soll, ob die von der Kommission angeordneten Zwangsmaßnahmen, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, verhältnismäßig sind, so erstreckt sie sich zum einen darauf, ob solche Maßnahmen geeignet sind, die Durchführung der Nachprüfung sicherzustellen.
72. Insoweit ist insbesondere daran zu erinnern, dass nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 die betroffenen Unternehmen verpflichtet sind, die von der Kommission angeordneten Nachprüfungen zu dulden, und dass Absatz 6 dieses Artikels die Unterstützung der Bediensteten der Kommission durch die Mitgliedstaaten nur für den Fall vorsieht, dass ein Unternehmen sich einer solchen Nachprüfung widersetzt.
73. Der Gerichtshof hat zwar insoweit anerkannt, dass die Unterstützung vorsorglich zu dem Zweck angefordert werden kann, sich über einen etwaigen Widerspruch des Unternehmens hinwegsetzen zu können (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 32).
74. Es ist jedoch klarzustellen, dass ein solches vorsorgliches Ersuchen um Zwangsmaßnahmen nur zulässig ist, soweit es Gründe für die Annahme gibt, dass der Nachprüfung widersprochen und versucht werden könnte, Beweise zu verbergen und dem Zugriff zu entziehen, wenn dem betroffenen Unternehmen eine gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 angeordnete Nachprüfung angekündigt wird.
75. Folglich ist es Sache der Kommission, dem zuständigen nationalen Gericht Erläuterungen zu geben, anhand deren dieses Gericht sich davon überzeugen kann, dass der Nachweis des als Zuwiderhandlung eingestuften Sachverhalts nicht möglich oder erheblich erschwert wäre, wenn die Kommission nicht vorsorglich über die angeforderte Unterstützung verfügen könnte, um sich über einen etwaigen Widerspruch des Unternehmens hinwegsetzen zu können.
76. Zum anderen erfordert die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Zwangsmaßnahmen gemessen am Gegenstand der Nachprüfung den Nachweis, dass solche Maßnahmen nicht zu Nachteilen führen, die angesichts der mit der Nachprüfung verfolgten Ziele unverhältnismäßig und untragbar sind (vgl. insbesondere Urteile vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u.a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 13, vom 21. Februar 1991 in den Rechtssachen C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I-415, Randnr. 73, vom 13. Mai 1997 in der Rechtssache C-233/94, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 1997, I-2405, Randnr. 57, und vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-200/96, Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953, Randnrn. 21 und 26).
77. Insoweit hat der Gerichtshof, was die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Nachprüfungsmaßnahme selbst angeht, zwar entschieden, dass die von der Kommission zu treffende Wahl zwischen Nachprüfungen durch schlichten Auftrag und mit einer Entscheidung angeordneten Nachprüfungen nicht von Umständen wie dem besonderen Ernst der Lage, der außerordentlichen Dringlichkeit oder der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung abhängt, sondern von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung. Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass eine Nachprüfungsentscheidung nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn sie der Kommission nur erlauben sollte, die nötigen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage einer Vertragsverletzung zusammenzutragen (Urteil National Panasonic/Kommission, Randnrn. 28 bis 30).
78. Ferner ist insoweit daran zu erinnern, dass es grundsätzlich Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob eine Auskunft erforderlich ist, um ermitteln zu können, ob eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt (Urteile AM & S Europe/Kommission, Randnr. 17, und vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 15). Selbst wenn ihr hierfür bereits Indizien oder gar Beweise vorliegen, kann die Kommission es daher zu Recht für erforderlich halten, zusätzliche Nachprüfungen anzuordnen, die es ihr ermöglichen, die Zuwiderhandlung, ihre Dauer oder den Kreis der daran beteiligten Unternehmen genauer zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne zu ergänzenden Auskunftsersuchen Urteil Orkem/Kommission, Randnr. 15).
79. Soll jedoch die der zuständigen nationalen Stelle obliegende Kontrolle nicht bedeutungslos werden und der Eingriff in die Privatsphäre, den der Einsatz staatlicher Zwangsmittel mit sich bringt, nicht außer Acht bleiben, darf diese nationale Stelle bei der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme Gesichtspunkte wie die Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung, die Natur der Verwicklung des betroffenen Unternehmens oder die Bedeutung dessen, wonach gesucht wird, nicht unberücksichtigt lassen.
80. Das zuständige nationale Gericht muss daher die beantragten Zwangsmaßnahmen verweigern können, wenn die behauptete Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu gering, das wahrscheinliche Ausmaß der Verwicklung des betroffenen Unternehmens zu klein oder der Gegenstand der Suche zu nebensächlich ist, als dass der Eingriff in die Sphäre der privaten Betätigung einer juristischen Person, den eine Durchsuchung unter Einsatz staatlicher Zwangsmittel mit sich bringt, nicht angesichts der mit der Nachprüfung verfolgten Ziele unverhältismäßig und untragbar erschiene.
81. Daraus ergibt sich, dass die Kommission das nationale Gericht, damit dieses in der Lage ist, die ihm obliegende Kontrolle der Verhältnismäßigkeit auszuüben, grundsätzlich über die wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung informieren muss, um ihm zu ermöglichen, deren Schwere zu beurteilen, indem sie den ihrer Ansicht nach relevanten Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen sowie das Ausmaß der vermuteten Verwicklung des betroffenen Unternehmens angibt.
82. Wie der Gerichtshof in Bezug auf Nachprüfungsentscheidungen bereits entschieden hat, brauchen die gegebenen Informationen nicht unbedingt eine genaue Abgrenzung des relevanten Marktes, eine exakte rechtliche Qualifizierung der vermuteten Zuwiderhandlungen oder die Angabe des Zeitraums zu umfassen, in dem diese Zuwiderhandlungen begangen worden sein sollen (Urteil Dow Benelux/Kommission, Randnr. 10).
83. Die Kommission hat auch möglichst genau anzugeben, wonach gesucht wird, auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll (Urteil National Panasonic/Kommission, Randnrn. 26 und 27) und welche Befugnisse die Kontrolleure der Gemeinschaft haben.
84. Von der Kommission kann jedoch nicht verlangt werden, dass sie sich darauf beschränkt, die Vorlage von Unterlagen oder Akten zu verlangen, die sie schon vorher genau bezeichnen kann; dadurch würde ihr Recht auf Zugang zu solchen Unterlagen oder Akten nutzlos. Wie der Gerichtshof entschieden hat, impliziert ein solches Recht vielmehr auch die Befugnis, nach anderen Informationsquellen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 27).
85. Wie in Randnummer 67 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es grundsätzlich Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die Kommission im vorliegenden Fall die in den Randnummern 75, 81 und 83 dieses Urteils genannten Informationen vorgelegt hat, und auf dieser Grundlage die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegende Kontrolle auszuüben.
86. Wie in Randnummer 68 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen wurde, ist der Gerichtshof jedoch befugt, alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die dem nationalen Gericht eine Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits ermöglichen können.
87. Was den Ausgangsrechtsstreit angeht, ist zunächst festzustellen, dass aus den Gründen der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998, wie sie in Randnummer 11 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, hervorgeht, dass die Kommission in rechtlich hinreichender Weise die Merkmale des behaupteten Kartells angeführt, dessen Ausmaß hervorgehoben und dargelegt hat, dass Roquette zu den Teilnehmern an den beschriebenen Zusammenkünften gehörte.
88. Ferner hat die Kommission in diesen Gründen zum einen hervorgehoben, dass sich für ihre Untersuchung erforderliche Informationen möglicherweise im Besitz von Roquette befänden. Zum anderen hat sie ausgeführt, es sei schon aufgrund der Natur der behaupteten Vereinbarung anzunehmen, dass sie geheim umgesetzt würden, so dass eine Nachprüfung das geeignetste Mittel zur Beschaffung von Beweisen für ihr Bestehen sei, und es sei notwendig, das Unternehmen durch eine entsprechende Anordnung zu zwingen, eine zwangsweise Nachprüfung im Sinne von Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 zu dulden. Derartige Angaben gehören zu denjenigen, die geeignet erscheinen, dem zuständigen nationalen Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob die beantragte Genehmigung vorsorglich zu gewähren ist.
89. Hinsichtlich des Gegenstands der vorzunehmenden Nachprüfungen ergibt sich aus dem verfügenden Teil und den Gründen der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998, wie sie in den Randnummern 10 und 11 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, dass es für die Kommission darum ging, Kenntnis von allen tatsächlichen Gegebenheiten betreffend die behaupteten Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen zu erlangen und die etwaige Teilnahme von Roquette daran zu prüfen. Zu diesem Zweck wird dem Unternehmen in dieser Entscheidung aufgegeben, den von der Kommission beauftragten Bediensteten das Betreten ihrer Räumlichkeiten zu gestatten, die von diesen Bediensteten angeforderten Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen vorzulegen und ihnen zu gestatten, diese zu überprüfen und Kopien davon anzufertigen, sowie alle mündlichen Erläuterungen zu geben, die diese Bediensteten zum Gegenstand der Nachprüfung verlangen. Mit solchen Angaben ist hinreichend bezeichnet, wonach gesucht wird und welche Befugnisse dazu in Anspruch genommen werden können.
Zum Verhalten des zuständigen nationalen Gerichts und der Kommission, falls die von der Kommission gegebenen Informationen nicht ausreichen
 
90. Ist ein nationales Gericht, das nach nationalem Recht für die Genehmigung von Durchsuchungen zuständig ist, der Auffassung, dass die von der Kommission gegebenen Informationen nicht den in den Randnummern 75, 81 und 83 des vorliegenden Urteils aufgestellten Anforderungen genügen, so darf es sich nicht damit begnügen, den gestellten Antrag zurückzuweisen.
91. In einem solchen Fall müssen dieses Gericht und die Kommission gemäß der in den Randnummern 30 bis 32 des vorliegenden Urteils erwähnten Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit zusammenwirken, um die bei der Durchführung der von der Kommission durch Entscheidung angeordneten Nachprüfung aufgetretenen Schwierigkeiten zu überwinden (vgl. entsprechend Urteile vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 52/84, Kommission/Belgien, Slg. 1986, 89, Randnr. 16, und vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache C-217/88, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-2879, Randnr. 33).
92. Um dieser Pflicht nachzukommen und pflichtgemäß dazu beizutragen, die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission sicherzustellen, hat das zuständige nationale Gericht daher die Kommission oder die nationale Behörde, von der es auf das Ersuchen der Kommission hin befasst wurde, unverzüglich über die aufgetretenen Schwierigkeiten zu unterrichten und gegebenenfalls die ergänzenden Informationen anzufordern, die es ihm ermöglichen werden, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben. Dabei hat das Gericht insbesondere auf die gebotene Koordinierung, Eile und Vertraulichkeit zu achten, damit die Wirksamkeit der parallelen Nachprüfungen, von denen in Randnummer 66 des vorliegenden Urteils die Rede ist, gewährleistet ist.
93. Auch der der Kommission obliegenden Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit kommt im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedstaaten, die für die Anwendung und Wahrung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen der nationalen Rechtsordnung Sorge zu tragen haben, besondere Bedeutung zu (Beschluss Zwartveld u.a., Randnr. 18). Daher hat die Kommission dafür zu sorgen, dass die vom zuständigen nationalen Gericht etwa angeforderten ergänzenden Informationen, die ihrer Natur nach den in Randnummer 90 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen genügen, unverzüglich übermittelt werden.
94. Erst wenn dem Gericht solche etwaigen Klarstellungen vorliegen oder wenn seine Anfrage von der Kommission nicht sachdienlich beantwortet wurde, darf das Gericht die Gewährung der beantragten Unterstützung ablehnen, sofern nicht die ihm zur Verfügung stehenden Informationen den Schluss zulassen, dass die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich sind und dass sie, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, verhältnismäßig sind.
Zur Art und Weise, in der die Informationen dem zuständigen nationalen Gericht zur Kenntnis gebracht werden können
 
95. Zur Art und Weise, in der die notwendigen Informationen dem zuständigen nationalen Gericht zur Kenntnis gebracht werden können, ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht die Frage, ob die Begründung der Nachprüfungsentscheidung vom 10. September 1998 unzureichend ist, vor allem deshalb stellt, weil dem zuständigen nationalen Gericht im Ausgangsrechtsstreit für seine Beurteilung nur der Text dieser Entscheidung vorgelegt wurde.
96. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass für ein nationales Gericht die in einer solchen Nachprüfungsentscheidung enthaltene Begründung nur als Beurteilungskriterium erheblich ist, anhand dessen es sich davon überzeugen kann, dass die beantragte Zwangsmaßnahme weder willkürlich noch, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, unverhältnismäßig ist. Die Kontrolle der an die Begründung jeder Nachprüfungsentscheidung der Kommission zu stellenden Anforderungen, wie sie in Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 definiert sind, fällt nämlich in die alleinige Befugnis der Gemeinschaftsgerichte.
97. Zwar entsprechen die Elemente, die, insbesondere gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17, in der Nachprüfungsentscheidung selbst enthalten sein müssen, teilweise den Informationen, die dem zuständigen nationalen Gericht zu geben sind, damit es seine Kontrolle ausüben kann, doch können solche Informationen auch aus anderen Quellen stammen.
98. In dieser Hinsicht verlangt das Gemeinschaftsrecht für die Übermittlung von Informationen an das zuständige nationale Gericht keine besondere Form, und da es darum geht, diesem die ihm obliegende Kontrolle zu ermöglichen, können solche Informationen aus der Nachprüfungsentscheidung selbst wie auch aus dem gemäß Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 an die nationalen Behörden gerichteten Ersuchen oder auch aus einer, und sei es mündlichen, Antwort auf eine Frage des nationalen Gerichts hervorgehen.
99. Nach alledem sind die vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
    - Gemäß dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, der einen Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person vorschreibt, hat ein nationales Gericht, das nach nationalem Recht für die Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen von Unternehmen zuständig ist, die im Verdacht von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln stehen, zu prüfen, ob die Zwangsmaßnahmen, die auf ein Unterstützungsersuchen der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 hin beantragt wurden, nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der angeordneten Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig sind. Unbeschadet der Anwendung der für die Durchführung der Zwangsmaßnahmen geltenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts lässt es das Gemeinschaftsrecht nicht zu, dass die von diesem nationalen Gericht ausgeübte Kontrolle der Begründetheit der Zwangsmaßnahmen über das hinaus geht, was der vorgenannte allgemeine Grundsatz gebietet.
    - Die Kommission ist nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieses nationale Gericht über alle Mittel verfügt, deren es zur Ausübung der ihm obliegenden Kontrolle bedarf. Insoweit müssen die von der Kommission gegebenen Informationen grundsätzlich Folgendes umfassen:
    - eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung, d.h., es müssen zumindest der nach Ansicht der Kommission relevante Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen angegeben sein;
    - Erläuterungen zu der Art und Weise, wie das von den Zwangsmaßnahmen betroffene Unternehmen in diese Zuwiderhandlung verwickelt sein soll;
    - Erläuterungen, in denen substanziiert dargelegt wird, dass die Kommission über ernsthafte sachliche Informationen und Indizien verfügt, die sie veranlassen, das betroffene Unternehmen einer solchen Zuwiderhandlung zu verdächtigen;
    - die möglichst genaue Angabe dessen, wonach gesucht wird, und der Punkte, auf die sich die Nachprüfung beziehen soll, sowie die Angabe, welche Befugnisse die Kontrolleure der Gemeinschaft haben; und
    - falls die Kommission vorsorglich um die Unterstützung der nationalen Behörden ersucht, um sich über einen etwaigen Widerspruch des betroffenen Unternehmens hinwegsetzen zu können, Erläuterungen, anhand deren sich dieses Gericht davon überzeugen kann, dass ohne eine Genehmigung der vorsorglichen Zwangsmaßnahmen der Nachweis des als Zuwiderhandlung eingestuften Sachverhalts nicht möglich oder erheblich erschwert wäre.
    - Dagegen kann das nationale Gericht nicht die Übermittlung der in den Akten der Kommission enthaltenen Informationen und Indizien verlangen, auf denen ihr Verdacht beruht.
    - Ist dieses Gericht der Auffassung, dass die von der Kommission gegebenen Informationen nicht den genannten Anforderungen genügen, so darf es sich nicht damit begnügen, den gestellten Antrag zurückzuweisen, da es dadurch gegen Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 5 des Vertrages verstoßen würde. Es hat in einem solchen Fall die Kommission oder die nationale Behörde, von der es auf das Ersuchen der Kommission hin befasst wurde, unverzüglich über die aufgetretenen Schwierigkeiten zu unterrichten und gegebenenfalls die Klarstellungen anzufordern, die es ihm ermöglichen würden, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben. Erst wenn diesem nationalen Gericht solche etwaigen Klarstellungen vorliegen oder wenn seine Anfrage von der Kommission nicht sachdienlich beantwortet wurde, darf es die Gewährung der beantragten Unterstützung ablehnen, sofern nicht die ihm zur Verfügung stehenden Informationen den Schluss zulassen, dass die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich sind und dass sie, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, verhältnismäßig sind.
    - Die Informationen, die die Kommission dem genannten nationalen Gericht zu geben hat, können aus der Nachprüfungsentscheidung selbst wie auch aus dem gemäß Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 an die nationalen Behörden gerichteten Ersuchen oder auch aus einer, und sei es mündlichen, Antwort auf eine Frage des nationalen Gerichts hervorgehen.
 
Kosten
 
100. Die Auslagen der französischen, der deutschen, der griechischen, der italienischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der norwegischen Regierung, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof auf die ihm von der Cour de cassation mit Urteil vom 7. März 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Gemäß dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, der einen Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person vorschreibt, hat ein nationales Gericht, das nach nationalem Recht für die Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen von Unternehmen zuständig ist, die im Verdacht von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln stehen, zu prüfen, ob die Zwangsmaßnahmen, die auf ein Unterstützungsersuchen der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, hin beantragt wurden, nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der angeordneten Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig sind. Unbeschadet der Anwendung der für die Durchführung der Zwangsmaßnahmen geltenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts lässt es das Gemeinschaftsrecht nicht zu, dass die von diesem nationalen Gericht ausgeübte Kontrolle der Begründetheit der Zwangsmaßnahmen über das hinaus geht, was der vorgenannte allgemeine Grundsatz gebietet.
 
2. Die Kommission ist nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieses nationale Gericht über alle Mittel verfügt, deren es zur Ausübung der ihm obliegenden Kontrolle bedarf. Insoweit müssen die von der Kommission gegebenen Informationen grundsätzlich Folgendes umfassen:
 
- eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung, d.h., es müssen zumindest der nach Ansicht der Kommission relevante Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen angegeben sein;
 
- Erläuterungen zu der Art und Weise, wie das von den Zwangsmaßnahmen betroffene Unternehmen in diese Zuwiderhandlung verwickelt sein soll;
 
- Erläuterungen, in denen substanziiert dargelegt wird, dass die Kommission über ernsthafte sachliche Informationen und Indizien verfügt, die sie veranlassen, das betroffene Unternehmen einer solchen Zuwiderhandlung zu verdächtigen;
 
- die möglichst genaue Angabe dessen, wonach gesucht wird, und der Punkte, auf die sich die Nachprüfung beziehen soll, sowie die Angabe, welche Befugnisse die Kontrolleure der Gemeinschaft haben; und
 
- falls die Kommission vorsorglich um die Unterstützung der nationalen Behörden ersucht, um sich über einen etwaigen Widerspruch des betroffenen Unternehmens hinwegsetzen zu können, Erläuterungen, anhand deren sich dieses Gericht davon überzeugen kann, dass ohne eine Genehmigung der vorsorglichen Zwangsmaßnahmen der Nachweis des als Zuwiderhandlung eingestuften Sachverhalts nicht möglich oder erheblich erschwert wäre.
 
3. Dagegen kann das nationale Gericht nicht die Übermittlung der in den Akten der Kommission enthaltenen Informationen und Indizien verlangen, auf denen ihr Verdacht beruht.
 
4. Ist dieses Gericht der Auffassung, dass die von der Kommission gegebenen Informationen nicht den in Nummer 2 dieses Tenors genannten Anforderungen genügen, so darf es sich nicht damit begnügen, den gestellten Antrag zurückzuweisen, da es dadurch gegen Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) verstoßen würde. Es hat in einem solchen Fall die Kommission oder die nationale Behörde, von der es auf das Ersuchen der Kommission hin befasst wurde, unverzüglich über die aufgetretenen Schwierigkeiten zu unterrichten und gegebenenfalls die Klarstellungen anzufordern, die es ihm ermöglichen würden, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben. Erst wenn diesem nationalen Gericht solche etwaigen Klarstellungen vorliegen oder wenn seine Anfrage von der Kommission nicht sachdienlich beantwortet wurde, darf es die Gewährung der beantragten Unterstützung ablehnen, sofern nicht die ihm zur Verfügung stehenden Informationen den Schluss zulassen, dass die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich sind und dass sie, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, verhältnismäßig sind.
 
5. Die Informationen, die die Kommission dem genannten nationalen Gericht zu geben hat, können aus der Nachprüfungsentscheidung selbst wie auch aus dem gemäß Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 an die nationalen Behörden gerichteten Ersuchen oder auch aus einer, und sei es mündlichen, Antwort auf eine Frage des nationalen Gerichts hervorgehen.
 
Rodriguez Iglesias, Puissochet, Wathelet, Schintgen, Gulmann, Edward, La Pergola, Jann, Skouris, Macken, Colneric, von Bahr, Cunha Rodrigues
 
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Oktober 2002.
R. Grass (Der Kanzler), G. C. Rodriguez Iglesias (Der Präsident)