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Sachverhalt und Verfahren
Der angefochtene Beschluß
Das Rechtsmittel
Würdigung durch den Gerichtshof
Kosten
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher
 
Beschluss
 
des Gerichtshofes
 
vom 5. März 1999
 
In der Rechtssache
 
-- C-153/98 --  
Guérin automobiles EURL, Gesellschaft in Liquidation mit Sitz in Alencon (Frankreich), in der Person des Konkursverwalters Rechtsanwalt Xavier Lemée, Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Jean-Claude Fourgoux, Paris, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Pierrot Schiltz, 4, rue Béatrix de Bourbon, Luxemburg, Rechtsmittelführerin,
 
betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Zweite Kammer) vom 13. Februar 1998 in der Rechtssache T-275/97 (Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1998, II-253) wegen Aufhebung dieses Beschlusses, anderer Verfahrensbeteiligter: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater Giuliano Marenco und Guy Charrier, zum Juristischen Dienst entsandter nationaler Sachverständiger, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gomez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg, Beklagte in der ersten Instanz,
 
erläßt
 
Der Gerichtshof unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodriguez Iglesias, der Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn, J.-P Puissochet, G. Hirsch und P. Jann sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, C. Gulmann, J. L. Murray, D. A. O. Edward, H. Ragnemalm, L. Sevon und M. Wathelet (Berichterstatter), Generalanwalt: G. Cosmas Kanzler: R. Grass nach Anhörung des Generalanwalts folgenden
 
 
Beschluß
 
 
Sachverhalt und Verfahren
 
1. Die Guérin automobiles EURL (im folgenden: Rechtsmittelführerin) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 17. April 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts erster Instanz vom 13. Februar 1998 in der Rechtssache T-275/97 (Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1998, II-253; im folgenden: angefochtener Beschluß) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission SG(97) D/3183 vom 25. April 1997 für unzulässig erklärte; durch diese Entscheidung war die Beschwerde zurückgewiesen worden, mit der die Rechtsmittelführerin den Einheitsvertriebsvertrag für Nissan-Kraftfahrzeuge in Frankreich und seine Anwendung beanstandet hatte.
2. Die Rechtsmittelführerin war ursprünglich Vertragshändlerin insbesondere der Marke Nissan. Ihr unbefristeter Vertrag mit dem Importeur der Kraftfahrzeuge dieser Marke in Frankreich wurde am 8. Januar 1991 gekündigt.
3. Sie reichte am 27. Mai 1994 bei der Kommission gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) eine Beschwerde gegen die Nissan France SA ein. Mit dieser Beschwerde beanstandete sie das von dem Hersteller eingeführte Vertriebssystem und beantragte die Rücknahme der Freistellung nach der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16).
4. Über das Vermögen der Firma Guérin wurde mit Urteil des Handelsgerichts Alencon vom 22. Mai 1995 das Konkursverfahren eröffnet. Der gerichtlich bestellte Bevollmächtigte Rechtsanwalt Lemée wurde zum Konkursverwalter ernannt.
5. Die Kommission wies die Beschwerde der Rechtsmittelführerin mit Schreiben vom 25. April 1997 endgültig zurück.
6. Die Rechtsmittelführerin hat mit Klageschrift, die am 20. Oktober 1997 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 25. April 1997 beantragt.
 
Der angefochtene Beschluß
 
7. Das Gericht hat durch den angefochtenen Beschluß die Klage als offensichtlich unzulässig abgewiesen, da sie nicht innerhalb der in Artikel 173 Absatz 5 EG-Vertrag festgesetzten Frist von zwei Monaten erhoben worden sei.
8. Es hat insbesondere in Randnummer 17 des angefochtenen Beschlusses entschieden, daß das Gemeinschaftsrecht es in einem Fall wie dem vorliegenden den Gemeinschaftsorganen nicht vorschreibe, den Adressaten einer beschwerenden Verfügung über die Rechtsbehelfe und die Fristen und Modalitäten ihrer Einlegung zu belehren.
 
Das Rechtsmittel
 
9. Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Grund, mit dem sie eine Verletzung der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, der Wahrung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz sowie der Vorschriften der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten rügt.
10. Sie trägt vor, das Gemeinschaftsrecht, das aus einer autonomen Quelle ohne Anbindung an die nationalen Rechte hervorgegangen sei, werde nur langsam assimiliert. Eine ausreichende Kenntnis dieses Rechts sei noch nicht allen Bürgern möglich, die seiner Terminologie, seinen komplexen Vorschriften und der abstrakten Arbeitsweise der Gemeinschaftsorgane hilflos gegenüberstünden.
11. Aus diesem Grund sei unter Berücksichtigung der in Randnummer 9 des vorliegenden Beschlusses aufgeführten allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts die Belehrung über die möglichen Rechtsbehelfe und die Fristen, in denen sie eingelegt werden könnten, erforderlich, um dem Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz Wirksamkeit zu verleihen.
 
12. Nach Artikel 119 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof ein Rechtsmittel, das offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen.
13. Die Artikel 189, 190, 191 und 192 EG-Vertrag, die die Natur und das System der Rechtsakte, die von den Gemeinschaftsorganen erlassen werden können, genau definieren, erlegen diesen keine allgemeine Verpflichtung auf, die Adressaten dieser Rechtsakte über die möglichen Rechtsbehelfe und die Fristen, in denen sie eingelegt werden können, zu belehren.
14. Zwar besteht in den meisten Mitgliedstaaten eine derartige Belehrungspflicht der Verwaltung. Diese wurde jedoch im allgemeinen vom Gesetzgeber aufgestellt und geregelt. Außerdem würde der Regelungsgegenstand es erforderlich machen, vorab insbesondere die betroffenen Verwaltungshandlungen sowie den Wortlaut und die Form der vorgeschriebenen Angaben zu bestimmen und festzulegen, an welcher Stelle, sei es in dem fraglichen Rechtsakt selbst oder in einem gesonderten Dokument, diese Angaben zu machen sind, und zu regeln, welche Folgen es hat, wenn die vorgeschriebene Belehrung fehlt oder die erteilten Auskünfte unrichtig sind.
15. Mangels einer ausdrücklichen gemeinschaftsrechtlichen Regelung besteht daher für die Verwaltungen oder die Gerichte der Gemeinschaft keine allgemeine Verpflichtung, die Gemeinschaftsbürger über die möglichen Rechtsbehelfe und die Bedingungen, unter denen sie diese einlegen können, zu belehren.
16. Das Rechtsmittel ist deshalb gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
 
Kosten
 
17. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringenunterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, ist sie zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof beschlossen:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
 
2. Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Verfahrens.
 
Luxemburg, den 5. März 1999
R. Grass (Der Kanzler), G. C. Rodriguez Iglesias (Der Präsident)