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Zitiert durch:
BGE 109 Ib 146 - Schweizerischer Treuhänder-Verband


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Regierungsratsbeschluss  ...
2. Nach Art. 97 Abs. 1 OG in der Fassung vom 20. Dezember 1968 be ...
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63. Auszug aus dem Urteil vom 3. Juli 1970 i.S. Personalfürsorgestiftung der Firma Johanne Schaller und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt
 
 
Regeste
 
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörde über Stiftungen.
 
2. Bestimmungen des ZGB über die Stiftungsaufsicht, die der Aufsichtsbehörde die Kompetenz verleihen, von Amtes wegen in Angelegenheiten der Stiftung einzugreifen, sind öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 5 VwG (Erw. 2).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 96 I 406 (406)Aus dem Sachverhalt:
Am 15. Dezember 1969 beschloss der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt als obere Aufsichtsbehörde über Stiftungen im Anschluss an längere Auseinandersetzungen mit dem Stiftungsrat der Personalfürsorgestiftung der Firma Johanne Schaller, diesen abzuberufen und das Handelsregisteramt anzuweisen, die Mitglieder des Stiftungsrates im Register zu löschen. Dagegen erheben die Stiftung und die abberufenen Mitglieder des Stiftungsrates Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde ein.
BGE 96 I 406 (406)
 
BGE 96 I 406 (407)Aus den Erwägungen:
 
Verfügungen sind gemäss Art. 5 VwG Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen. Der Regierungsrat des Kantons Basel-StadtBGE 96 I 406 (407) BGE 96 I 406 (408)bezweifelt, dass im Rahmen der Aufsicht über Stiftungen ergehende Anordnungen sich im Sinne von Art. 5 VwG auf öffentliches Recht des Bundes stützen und damit kraft Art. 97 OG mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden können. Dies ist zu prüfen.
a) Die Aufsicht über Stiftungen ist im ZGB geregelt. Formell stellt das Aufsichtsrecht damit Privatrecht des Bundes dar. Anerkanntermassen enthält das ZGB aber neben materiellem Privatrecht auch Vorschriften, welche materiell als öffentliches Recht bezeichnet werden müssen. Für die von Art. 5 VwG getroffene Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht fällt die rein formelle, lediglich auf die Rechtsquelle abstellende Unterscheidung ausser Betracht. Dies zeigt schon Art. 100 lit. g OG, der gegen Verfügungen auf dem Gebiete der Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich ausschliesst. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn Art. 5 VwG von der rein formellen Unterscheidung des privaten vom öffentlichen Recht nach der Rechtsquelle ausginge, denn die Aufsicht in Vormundschaftsachen gründet ebenso wie die Aufsicht über Stiftungen im ZGB.
b) Verschiedentlich wird argumentiert, die Stiftungsaufsicht bezwecke einzig die Wahrung privater Interessen; die sie regelnden Vorschriften seien deshalb dem Privatrecht zuzuzählen (vgl. GUTZWILLER, Schweizerisches Privatrecht, 1967 Bd. II, S. 616, KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, 1930, S. 19). Zwar lehnt sich auch das Bundesgericht bei der Abgrenzung von privatem und öffentlichem Recht gelegentlich an diese sogenannte Interessentheorie an, die besagt, dem öffentlichen Recht gehörten jene Vorschriften an, die in erster Linie und wesentlich im öffentlichen Interesse erlassen worden seien (BGE 85 I 21 und dort zitierte Entscheide zur Abgrenzung zwischen Bundeszivilrecht und kantonalem öffentlichem Recht). Dieses Unterscheidungskriterium hilft im vorliegenden Falle jedoch nicht weiter, liegen doch die Vorschriften über die Stiftungsaufsicht entgegen oben zitierter Ansicht sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Interesse, ohne dass sich eindeutig entscheiden liesse, welcher der beiden Zwecke vorherrscht (vgl. die bei GUTZWILLER, Privatrecht, S. 616 zitierten divergierenden Meinungen).
c) Zur Lösung führt ein anderes vom Bundesgericht vorBGE 96 I 406 (408) BGE 96 I 406 (409)allem in seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Berufung oft angewendetes Kriterium. Das Bundesgericht hat in der erwähnten Rechtsprechung bei der Abgrenzung des materiellen privaten vom materiellen öffentlichen Recht wiederholt, der sogenannten Subordinationstheorie folgend, festgestellt, das Privatrecht ordne die Rechtsbeziehungen zwischen gleichartigen, gleichwertigen, gleichberechtigten Rechtssubjekten, während das öffentliche Recht das Unterordnungsverhältnis des Bürgers zur Staatsgewalt regle (BGE 54 II 122,BGE 40 II 85). Eine derartige Über- und Unterordnung kommt nun aber gerade im vorliegenden Falle zum Ausdruck: die Bestimmungen des ZGB über die Stiftungsaufsicht verleihen der Aufsichtsbehörde die Kompetenz, von Amtes wegen in Angelegenheiten der Stiftung einzugreifen. Der Regierungsrat hat beim Erlass seiner Verfügung von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Seine Verfügung stützt sich auf materielles öffentliches Recht.
Das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren unterscheidet öffentliches und privates Recht nach ähnlichen Gesichtspunkten. Nach der gleichzeitig und in sachlichem Zusammenhang mit ihm erlassenen Änderung der Bestimmungen des OG über die Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht (Art. 97 ff. OG) ist laut Art. 100 lit. g OG, wie bereits erwähnt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen auf dem Gebiete der Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden unzulässig. Dies ausdrücklich festzustellen war aber nur notwendig, wenn der Gesetzgeber der Auffassung war, solche Verfügungen stützten sich auf öffentliches Recht des Bundes im Sinne von Art. 5 VwG und wären deshalb eigentlich mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar. Auch den vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden verleiht das ZGB die Kompetenz, nötigenfalls von Amtes wegen direkt in die Führung einer Vormundschaft einzugreifen.
Sind aber die Bestimmungen des ZGB, welche die Aufsichtsbehörde über Stiftungen zum Eingreifen von Amtes wegen ermächtigen, öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 5 VwG, so sind Anordnungen, die eine Aufsichtsbehörde im Rahmen dieser Befugnis trifft, kraft Art. 97 Abs. 1 OG mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit generell zulässig gegen die von der Aufsichtsbehörde kraft ihrer Stellung getroffenen Verfügungen.
d) Zum selben Schluss zwingt die Besinnung auf den ZweckBGE 96 I 406 (409) BGE 96 I 406 (410)der Gesetzesnovelle vom 20. Dezember 1968. Nach Art. 99 Ziff. IV des OG in der Fassung vom 16. Dezember 1943 unterlagen Entscheide über die Zugehörigkeit der Stiftungen zum Gemeinwesen und über die Umwandlung von Stiftungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Wollte man nun annehmen, die Verfügungen der Aufsichtsbehörden über Stiftungen stützten sich nicht auf öffentliches, sondern auf privates Recht des Bundes, so wäre die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegen sie ausgeschlossen. Dies würde im Vergleich zum früheren Recht eine klare Einschränkung der Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht bedeuten. Gerade das Gegenteil, nämlich einen Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde, wollte die Gesetzesnovelle grundsätzlich aber erreichen (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung BBl 1965 Bd. II S. 1265 ff.).
Wenn die Vorinstanz befürchtet, durch die generelle Zulassung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werde die Ausübung der Aufsicht kompliziert und erschwert, so weist sie damit lediglich auf hier nicht zu beachtende Nebenerscheinungen des Ausbaus der Verwaltungsrechtspflege im Bunde hin, die der Gesetzgeber, wie die Mehrbelastung des Bundesgerichtes, wohl in Rechnung gestellt hat (BBl 1965 Bd. II S. 1302).
e) Im vorliegenden Falle hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt als obere Aufsichtsbehörde über Stiftungen den Stiftungsrat der Personalfürsorgestiftung der Firma Johanne Schaller abberufen. Diese Anordnung stützt sich, wie gesehen, auf öffentliches Recht des Bundes im Sinne von Art. 5 VwG und ist deshalb gemäss Art. 97 Abs. 1 OG mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.BGE 96 I 406 (410)