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BGer 8C_334/2020 vom 21.09.2020
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
 
8C_334/2020
 
 
Urteil vom 21. September 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiber Jancar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Willi Füchslin,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 23. April 2020 (VG.2020.00015).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1981 geborene A.________ arbeitet seit 1. Oktober 2014 bei der Gemeinde U.________ und ist damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch unfallversichert. Am 17. Juli 2019 rutschte er beim Berglauftraining aus und verletzte sich am linken Knie. Die Suva kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Am 30. September 2019 wurde der Versicherte von Dr. med. B.________, FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Belegarzt Orthopädie, Spital C.________, am linken Knie operiert, wobei dieser eine ausgedehnte mediale Meniskushinterhornläsion links diagnostizierte. Mit Verfügung vom 11. November 2019 stellte die Suva ihre Leistungen per 31. Oktober 2019 ein und verneinte ihre Leistungspflicht für die obige Operation. Hieran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. Januar 2020 fest.
B. Die Beschwerde des Versicherten wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 23. April 2020 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der Versicherte, der angefochtene Entscheid sei dahingehend abzuändern, dass ihm die Suva betreffend das Ereignis vom 17. Juli 2019 und die daraus resultierenden Kniebeschwerden vollumfänglich (über den 17. August bzw. 31. Oktober 2019 hinaus) die gesetzlichen Leistungen, insbesondere Taggelder und Heilkosten (inkl. die Kosten der Operation vom 30. September 2019), zu erbringen habe. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz oder an die Suva zu ergänzenden Abklärungen zurückzuweisen.
Die Suva schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
Im vorliegenden Fall ist bezüglich der Taggelder eine Geldleistung und betreffend die Heilbehandlung eine Sachleistung strittig (Art. 14 ATSG). In einer solchen Konstellation prüft das Bundesgericht den Sachverhalt frei, soweit er für beide Rechtsverhältnisse erheblich ist, und stützt sich für die rechtlichen Schlüsse auf die eigenen Feststellungen. Die eingeschränkte Kognition gilt nur, soweit Tatsachen ausschliesslich die Sachleistung betreffen (nicht publ. E. 2 des Urteils BGE 139 V 327, aber veröffentlicht in: Pra 2013 Nr. 101 S. 778; Urteil 8C_208/2018 vom 17. Oktober 2018 E. 1).
2. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung betreffend den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181, 117 V 359 E. 5a S. 361; vgl. auch BGE 142 V 435 E. 1 S. 438, 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.) und den Wegfall der Unfallkausalität bei Erreichen des Zustands, wie er vor dem Unfall bestand oder sich auch ohne diesen ergeben hätte (BGE 146 V 51 E. 5.1 S. 55), richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich des massgebenden Beweisgrads der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1 S. 55) und des Beweiswerts ärztlicher Berichte (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470, 125 V 351 E. 3a S. 352 f.; vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf wird verwiesen.
3. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Leistungseinstellung der Suva per 31. Oktober 2019 und ihre Verneinung der Leistungspflicht für die Operation des Versicherten vom 30. September 2019 bestätigte.
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die Beurteilungen der Kreisärztin Dr. med. D.________, Fachärztin Allgemeinchirurgie und Traumatologie, vom 26. September, 5. November und 9. Dezember 2019 erfüllten die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage. Sie habe sich mit den Einwänden des behandelnden Arztes Dr. med. B.________ eingehend auseinandergesetzt. Sie habe die Unfallkausalität im Wesentlichen anhand des Unfallhergangs und des Verletzungsbildes verneint. Insbesondere habe sie ausgeführt, das Hinterhorn des Innenmeniskus neige naturgemäss vermehrt zu degenerativen Veränderungen. Die Art der Verletzung (Rissform, ganglionzystische Formation, Bakerzyste, Fehlen eines Knochenmarködems) des Versicherten spreche gegen eine traumatische Meniskusverletzung. Zudem seien infolge des Unfalls keine objektivierbaren strukturellen Verletzungen im Bereich des linken Kniegelenks entstanden. Eine unfallbedingte Meniskusverletzung sei damit höchstens möglich, weshalb sie nicht in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfall vom 17. Juli 2019 stehe. Die Einschätzung der Dr. med. D.________ sei insgesamt schlüssig. So falle neben dem Fehlen eines Knochenmarködems und einer Blockade als unmittelbare Folge des Sturzes auf, dass in der Bildgebung verschiedene Anzeichen einer degenerativen Meniskusschädigung ersichtlich seien. Der Bericht des Dr. med. B.________ vom 5. Dezember 2019 vermöge keine Zweifel an der Beurteilung der Dr. med. D.________ zu wecken. Somit sei ihrem Schluss zu folgen, dass die objektivierbaren Befunde überwiegend wahrscheinlich degenerativ bedingt seien und es durch den Unfall vom 17. Juli 2019 zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des krankhaften Vorzustandes für höchstens vier Wochen gekommen sei. Somit seien die Beschwerden, die am 30. September 2019 eine Operation erfordert hätten, nicht unfallkausal.
 
Erwägung 4
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, gestützt auf die Berichte des Dr. med. B.________ vom 12. September und 5. Dezember 2019 liege bei ihm ein eindeutiges Trauma vor. Er sei am 17. Juli 2019 auf einer nassen, abschüssigen Steinplatte ausgerutscht, habe sich das Knie verdreht, ein Knacken und sofort Schmerzen medial wahrgenommen. Warum dies nicht schon zu Beginn in die Suva-Akten Eingang gefunden habe, sei unerklärlich, könne aber nicht ihm angelastet werden. Die Vorinstanz habe es sich somit zu leicht gemacht, wenn sie ausführte, Hinweise auf eine Kniedistorsion seien nicht echtzeitlich belegt und würden vom Versicherten nicht geltend gemacht. Die von Dr. med. B.________ am 30. September 2019 durchgeführte Arthroskopie habe klar gezeigt, dass der Meniskus mehr in Mitleidenschaft gezogen worden sei, als auf den MRI-Bildern vom 9. August 2019 ersichtlich gewesen sei. Intraoperativ habe sich eben gerade nicht ein klares Bild einer degenerativen Meniskuläsion gezeigt. Der bei ihm festgestellte Lappenriss könne auch durch einen Unfall verursacht worden sein, worauf die Vorinstanz nicht eingegangen sei. Gemäss Dr. med. B.________ handle es sich um eine typische Rissbildung traumatischer Art.
4.2. Dr. med. D.________ anerkannte in der Beurteilung vom 5. November 2019, der Versicherte habe am 17. Juli 2019 ein Trauma erlitten, indem er auf einer nassen Steinplatte ausgerutscht sei und beim Aufrichten ein Knacken sowie Schmerzen im linken Kniegelenk verspürt habe. Dieser Unfallhergang wurde im Wesentlichen in der Schadenmeldung vom 13. August 2019, in den Berichten der pract. med. E.________ vom 19. August 2019 und des Dr. med. B.________ vom 12. und 30. September 2019 sowie im Arztzeugnis des Dr. med. F.________, Allgemeinmedizin FMH, vom 23. September 2019 beschrieben. In keiner dieser Unterlagen wurde festgehalten, der Versicherte habe sich beim Unfall vom 17. Juli 2019 das Knie verdreht. Von einem Verdrehen des Knies sprach erstmals Dr. med. B.________ im einspracheweise verfassten Bericht vom 5. Dezember 2019. Im Lichte der Beweismaxime der "Aussagen der ersten Stunde" (BGE 143 V 168 E. 5.2.2 S. 174, 121 V 45 E. 2a S. 47) kann somit entgegen dem Versicherten eine Verdrehung des linken Knies nicht als erstellt gelten.
 
Erwägung 4.3
 
4.3.1. Dr. med. D.________ vertrat in der Beurteilung vom 5. November 2019 die Auffassung, das Trauma vom 17. Juli 2019 habe zu einer bloss vorübergehenden Verschlimmerung des degenerativen Vorzustandes für maximal drei bis vier Wochen geführt. In dieser Beurteilung und in derjenigen vom 9. Dezember 2019 zeigte sie aufgrund des MRI des linken Knies vom 9. August 2019 und des Operationsberichts vom 30. September 2019 eingehend auf, inwiefern Befunde vorlägen, die einer degenerativen Meniskopathie entsprächen, und dass der Unfall zu keinen zusätzlichen strukturellen Läsionen am linken Kniegelenk geführt habe.
4.3.2. Dr. med. D.________ erachtete am 5. November 2019 eine frische Meniskusläsion u. a. aufgrund des Fehlens einer Blockade bloss als möglich. Wenn Dr. med. B.________ am 5. Dezember 2019 ausführte, es sei Interpretationssache, ob eine kurzzeitige Blockade als solche oder als Knacken bezeichnet werde, ist dies angesichts seines Berichts vom 12. September 2019 nicht überzeugend. Denn hierin hatte er klar zwischen einem vorhandenen Knacken und fehlenden Blockaden am linken Knie nach dem Unfall vom 17. Juli 2019 unterschieden.
4.3.3. Im Übrigen setzte sich Dr. med. B.________ am 5. Dezember 2019 mit den detaillierten Feststellungen der Dr. med. D.________ vom 5. November 2019 zum Kniebefund links nicht substanziert auseinander, wie die Suva zu Recht vorbringt. Sein Argument, der Versicherte habe vor dem Unfall vom 17. Juli 2019 keine Schmerzen gehabt, läuft auf einen unzulässigen "post hoc ergo propter hoc"-Schluss (zu deutsch: danach, also deswegen) hinaus (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341 f.; Urteil 8C_8/2020 vom 2. März 2020 E. 4.4). Nicht hinreichend ist die pauschale Erklärung des Dr. med. B.________, im Alter des Versicherten - 38 Jahre im Unfallzeitpunkt - träten typischerweise noch keine degenerativen Meniskusläsionen auf. Dr. med. D.________ stellte denn auch nicht in Abrede, dass eine Meniskusläsion bei geeignetem Unfallereignis und entsprechendem Schadenbild auch bei über 30-jährigen Personen als Unfallfolge qualifiziert werden könnte. Beide Voraussetzungen erachtete sie aber in schlüssiger Weise als nicht gegeben.
4.3.4. Insgesamt konnte Dr. med. B.________ keine auch nur geringen Zweifel an der Einschätzung der Dr. med. D.________ wecken (vgl. BGE 145 V 97 E. 8.5 S. 105). Es liegen zudem keine anderen Arztberichte vor, die an ihren Schlussfolgerungen vom 5. November und 9. Dezember 2019 solche Zweifel zu begründen vermöchten.
4.3.5. Angesichts der von Dr. med. D.________ aufgrund des MRI-Berichts vom 9. August 2019 und des Operationsberichts vom 30. September 2019 festgestellten degenerativen Veränderungen am linken Knie ist die Berufung des Versicherten auf die versicherungsmedizinische Literatur unbehelflich, wonach ein Lappenriss am Meniskus nicht nur degenerativ, sondern auch unfallbedingt sein könne.
4.3.6. Entgegen dem Beschwerdeführer ist nicht einzusehen, weshalb Dr. med. D.________ als Fachärztin Allgemeinchirurgie und Traumatologie nicht im Stande sein sollte, über die Unfallkausalität seiner Kniebeschwerden zu befinden. Ihre Beurteilung erfüllt die Beweisanforderungen an eine beweiskräftige medizinische Aktenstellungnahme (hierzu siehe SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; RKUV 1993 Nr. U 167 S. 95 E. 5d). Somit ist es nicht entscheidwesentlich, dass sie den Versicherten nicht selber untersucht hat.
4.4. Zusammenfassend stellte die Vorinstanz zu Recht auf die Beurteilung der Dr. med. D.________ ab. Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten sind, verzichtete sie darauf zu Recht (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5 S. 368 f., 136 I 229 E. 5.3 S. 236). Der angefochtene Entscheid ist somit zu bestätigen.
5. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 21. September 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar